Die beiden völlig unterschiedlichen Brüder Phil (Benedict Cumberbatch) und George Burbank (Jesse Plemons) leben zusammen auf einer Ranch. Während Phil als alternder Cowboy noch immer in der Vergangenheit festzuhängen scheint, möchte sich George weiterentwickeln, was immer wieder zu Reibereien zwischen ihnen führt. Der Konflikt scheint seinen Höhepunkt zu erreichen, als George heimlich die arme Witwe Rose (Kirsten Dunst) heiratet und sie mit auf seine Ranch bringt. Phil zeigt seine Abneigung von Anfang an und nimmt auch Rose's Sohn Peter (Kodi Smit-McPhee) nicht an, provoziert aufgrund seiner eigensinnigen, sensiblen Art. Mit der Zeit scheinen sich Phils Gefühle für den jungen Mann jedoch zu verändern...
Man kann mittlerweile nicht mehr uneingeschränkt sagen, dass Netflix ein Problem mit seinen Original-Produktionen im Filmbereich hätte. Natürlich findet sich unter der Masse an Filmen noch immer jede Menge Schrott sowie generisches Blockbuster-Kino, aber immer wieder trifft der Streaminggigant in den Zeiten der gebeutelten Kinos voll ins Schwarze. So dürfte er sich auch im kommenden Jahr wieder bei der Oscarverleihung präsentieren und dies sicherlich auch mit der Verfilmung des Romans "The Power of the Dog" von Thomas Savage. Was auf den ersten Blick wie ein sensibles Western-Drama aussieht, wie ein Film über das Ende der knurrenden Cowboys und den Einzug des Fortschritts, der ein Umdenken in den viehtreibenden, weißen Männern des neunzehnten Jahrhunderts erzwang, ist am Ende viel mehr. Es gibt zwar die genretypischen, beeindruckenden Landschaftsbilder, die detaillierten Sets, den klassischen Soundtrack und passendes Kostümdesign. Am Ende möchte Regisseurin und Oscarpreisträgerin Jane Campion das Western-Genre auf eine ähnliche Art und Weise wie einst "Brokeback Mountain" analysieren und schließlich sezieren... und das dennoch ganz anders.
In der ersten Hälfte steht dabei die Analyse, archetypisch dargestellt von Benedict Cumberbatch als rauchendem Cowboy der alten Schule. Der Film verbringt viel Zeit damit, einen Konflikt zwischen seinem Phil Burbank und der verängstigten, gar völlig panischen (wenn auch diese Panik eher in der reinen Stille ihrer Person zum Ausdruck kommt) Rose aufzumachen. Beinahe wähnt man sich schon darin, einen passenden MeToo-Beitrag im Wilden Westen zu sehen. Doch "The Power of the Dog" nimmt weitere Ausreißer, erzählt später wenig bis gar nicht mehr eine Geschichte über die Selbstfindung und den Ausbruch einer mutigen Frau, sondern charakterisiert die Beziehung zwischen zwei Männern. Vor allem in diesen Momenten regiert die Stille und der Film wird immer dann am schwächsten, wenn er das gigantische, wagemutige Gefühlsleben seiner Protagonisten auf Dialoge zu begrenzen versucht - diese sind den Empfindungen, Ängsten und Träumen seiner Figuren nämlich kaum gewachsen. In sehr feinen, unglaublich intensiven Szenen und Einstellungen versteht es Campion dafür umso deutlicher, ganz ohne Worte ganze Konflikte festzulegen. Wenn Phil Burbank auf einer Wiese einen Seidenstoff umstreicht oder ein zärtliches Bad im Fluss nimmt, dann erzählt dies so viel über einen Charakter, der zuvor als stoischer, vielleicht gar gefährlicher Psychopath gezeichnet wurde... hinter dem sich aber so viel mehr verbirgt.
Das ist für einen grandiosen Schauspieler wie Benedict Cumberbatch, der seit einigen Jahren erfrischend und abwechslungsreich zwischen Blockbustern wie den Marvel-Filmen und großem Oscar-Stoff herumspringt, natürlich eine Steilvorlage und er ist es dann auch, der diesen Film mit einer brillanten Darstellung beherrscht. Laut eigener Aussage lernte Cumberbatch allein für diese Produktion Banjo spielen und Reiten und rauchte etliche Selbstgedrehte am Tag - dass er sich seiner Rolle in jedem Detail hingab, spürt man in jeglicher Fase seiner atemberaubenden, ungemein glaubwürdigen und mutigen Performance. Die zweite herausragende Leistung gehört "The Road"-Star Kodi Smit-McPhee, der zwar erst spät wirklich zur Handlung beiträgt, dabei aber besonders in den gemeinsamen Szenen mit Cumberbatch und mit treffsicherer, ungestümer Körperlichkeit zu begeistern weiß. Kirsten Dunst und Jesse Plemons haben es im direkten Vergleich etwas schwieriger: Erstere hat in der ersten Hälfte noch einige ganz starke Szenen, während Plemons zum gleichen Zeitpunkt mit ruhiger Sanftmütigkeit glänzt. Beide müssen im weiteren Verlauf jedoch immer mehr Federn lassen, da das Drehbuch ihnen letztendlich weniger Zeit gibt als erahnt, was angesichts des Fokus, den "The Power of the Dog" letztendlich wählt, aber nur folgerichtig ist.
Fazit: Vier grandiose Schauspieler, insbesondere Cumberbatch und Smit-McPhee, glänzen in einem wunderschön bebilderten Western-Drama. Regisseurin Campion seziert das Genre und bringt es in die Jetztzeit, wobei sie große Gefühle in wahnsinnig treffsichere Bilder setzt und immer am stärksten ist, wenn sie die teilweise etwas groben Dialoge außen vor lässt und sich voll und ganz auf die Stärke ihrer visuellen Fähigkeiten verlässt.
Note: 2-
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