Da ihr Vermieter aus dem Wohnungsgeschäft aussteigen will, macht er der am Hungertuch nagenden Lynette (Vanessa Kirby) ein Angebot: Für 25.000 Dollar kann sie das Haus, in welchem sie aufgewachsen ist nun gemeinsam mit ihrer Mutter Doreen (Jennifer Jason Leigh) und ihrem pflegebedürftigen Bruder Kenny (Zack Gottsagen) lebt, kaufen. Das Geld hat sie über Jahre angespart, doch ausgerechnet an dem Tag, an dem der Deal endlich unter Dach und Fach gebracht werden soll, taucht Doreen nicht auf und eröffnet ihrer Tochter später, dass sie das Geld für ein neues Auto verprasst hat. Nun bleiben Lynette nur noch vierundzwanzig Stunden, um den Deal doch noch abwerkeln zu können - sonst landen sie und ihre Familie unter dem ohnehin brüchigen Wohnungsmarkt aufgrund einer Zwangsräumung auf der Straße. Unter diesem Druck kontaktiert Lynette erst einige Bekannte, bevor sie sich ohne weitere Alternativen dazu aufwenden muss, kriminelle Taten zu begehen, um das Geld zu beschaffen...
Es nicht unbedingt eine originelle, aber dafür eine noch immer packende Ausgangssituation: Der Hauptperson bleiben nur vierundzwanzig Stunden, um eine hohe Geldsumme zu beschaffen, sonst sitzt sie auf der Straße und würde von dieser auch nicht wieder wegkommen. Der Unterschied zu anderen Filmen dieser Art liegt in der Hauptperson selbst, die weder die Fähigkeiten noch die nötigen Mittel hat, um eine Waffe zu zücken und sich das Geld gewaltsam zu nehmen. Stattdessen muss sie taktieren, um Unterstützung flehen und letztendlich ihr Köpfchen anstrengen, um gewisse Gelegenheiten um sie herum wahrzunehmen. Das führt zu einer weiteren Ausnahme-Leistung von "Mission: Impossible"-Star Vanessa Kirby, die hier zum wiederholten Male eine Frau am Rande der Existenz spielt und dabei massiv beeindruckt. Ihre Lynette ist keine physische Top-Kämpferin, aber dennoch dazu gewillt, fast alles zu tun, um sich und vor allem ihrer Bruder vor einem Leben in Obdachlosigkeit zu schützen. Und allein dieser sichtbare Kampfeswille lässt uns durchweg mit Lynette zittern und ihr die Daumen drücken.
Und Daumen drücken muss man ihr, denn die durchgehende Ablehnung und ständiges Zurückwerfen in ihren Bemühungen sorgen für eine dichte, hoffnungslose Atmosphäre. Immer wieder ertappt man sich bei der Frage, welchen Ausweg diese junge Frau nun noch finden wird und was sie dafür opfern muss. Das Konzept des Films sieht dabei natürlich vor, dass sich Lynette von einer gefahrvollen oder unangenehmen Situation in die nächste begeben muss - das führt dann zu mehreren starken Einzelszenen, die aber insgesamt nicht immer ein rundes Gesamtbild ergeben. das Tempo zwischen den einzelnen Höhepunkten stimmt nicht immer, weswegen es innerhalb der einhundert Minuten zu einigen Längen kommt. Und das ist besonders schade angesichts der Tatsache, dass hier eigentlich mit erheblichem Zeitdruck gearbeitet wird, der eine konstante Anspannung auslösen soll. Dafür leistet sich der Film aber dann doch zu viele Hänger.
Auch mit der gesellschaftskritischen Note rund um den angespannten Wohnungsmarkt in den USA geht "Night Always Comes" etwas zu stiefmütterlich um, macht das reale Thema zu Beginn greifbar, um es anschließend allenfalls zu einem Hintergrundrauschen verkommen zu lassen - da wäre mehr drin gewesen. Die Atmosphäre der schieren Ohnmacht, wenn eine Frau von einem Tag auf den anderen alles verliert, ist dennoch sehr eindringlich eingefangen und macht die grausame Lage der Hauptfigur mehr als spürbar. Dafür sorgt auch die schier flügellose Kamera, die in beinahe jeder Einstellung an Vanessa Kirby klebt und auch in einigen aufwendigen und schwierigen Plansequenzen für viel Schwung sorgt. Obwohl das Werk fast dauerhaft in tiefschwarzer Nacht spielt, gelingen beeindruckende und atmosphärische Bilder, die von der starken Regie weiter ausgespielt werden können und einen trotz manch einer Länge förmlich in den Film hineinziehen.
Fazit: Da das Tempo nicht ganz stimmt, wirkt der Wettlauf gegen die Zeit nur in Einzelszenen wirklich dringlich. Dank einer packenden Performance von Vanessa Kirby und einer dichten, hoffnungslosen Atmosphäre bleibt man dennoch für 100 Minuten dauerhaft am Ball, auch wenn die Gesellschaftskritik nur in Ansätzen spürbar wird.
Note: 3
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