Direkt zum Hauptbereich

Haus des Geldes - Die erste Staffel

Erneut ist eine Hype-Serie aus dem Boden gewachsen. Anders als bei "Tote Mädchen lügen nicht" gibt es diese aber schon etwas länger und sie erarbeitete sich erst nach und nach über eine erstaunlich gute Mundpropaganda eine große Fanbase. Plötzlich redete jeder über diese spanische Netflix-Serie, die so spannend und taktiert sei, dass man sich ihr kaum entziehen könne und die echtes Suchtpotenzial entwickle. Auch in meinem Freundeskreis wurde mir "Haus des Geldes" mehrfach empfohlen, bis ich sie endlich selbst sehen musste... und dabei auch erkennen musste, dass der Hype hier mal wieder nicht so ganz gerechtfertigt ist.

HAUS DES GELDES - TEIL 1


Das Ziel: Die wohl größte Banknotendruckerei Spaniens. Der Plan: Eindringen, Geiseln nehmen und Geld machen. Sein halbes Leben lang verfolgt der Professor (Alvaro Morte) diesen Plan und nun möchte er ihn, nach einer fünfmonatigen Planung, endlich durchsetzen. Mehrere Verbrecher, die er zu genau diesem Zweck ausbildete, dringen in die Bank ein und zeigen der Polizei durch ihr minutiöses, perfekt durchgetaktetes und vorausschauendes Handeln die lange Nase. Die Polizistin Raquel Murillo (Itziar Ituno) soll die Verhandlungen führen, doch auch sie muss bald erkennen, dass sie irgendwie Teil des Plans ist, in welchem sich die Verbrecher mit sechzig Geiseln in der Hand, schwer bewaffnet und perfekt ausgerüstet, hinter Stahltüren verschanzen...

Eine mutige Angelegenheit: Einen Bankraub so zu inszenieren, dass er für die Zuschauer zu einer spannenden Sache wird, ist für einen abendfüllenden Film schon schwer genug, "Haus des Geldes" macht diesen jedoch zum Mittelpunkt von netflix-üblichen dreizehn Folgen. Anders als bei "Prison Break", wo der titelgebende Ausbruch eben folgenlang geplant und erst gegen Ende wirklich durchgeführt wird, gibt diese Serie von Anfang an Vollgas. Die ersten Schritte des Überfalls finden schon in den ersten Minuten der ersten Folge statt, durch Rückblicke erfahren wir anschließend mehr über die Verbrecher und ihre Ausbildung innerhalb eines vom Professor durchgeführten Trainings. Und die wohl schwierigste Herausforderung meistern die Macher hier dann auch bereits nur so semi-gut: Einen solchen Überfall über dreizehn Folgen spannend zu halten. 
Da ist schon einiges an Füllwerk vonnöten, um manch eine Episode soweit zu strecken, dass die Polizisten eben doch wieder keinen Grund haben, in die Bank einzudringen. Das wird für einige sehr interessante Charaktermomente genutzt, wobei Beziehungen, Vertrauen und auch Feindschaften sowie Betrug und Selbstbetrug eine Rolle spielen - oftmals etwas vorhersehbar, aber angenehm tief. Wesentlich härter drückt der Schuh in der Hinsicht darauf, wie die Macher vorgehen, um wirklich auf dreizehn Folgen zu kommen: Charaktertiefe ist wichtig und nötig und dementsprechend erwünscht, weswegen das Tempo eben nicht immer gleichsam hochbleiben soll. Aber in gefühlt jeder Folge steht entweder die Polizei oder das Verbrechergrüppchen oder die ebenfalls charakterisierten Geiseln innerhalb der Druckerei vor einem kleinen Durchbruch, es sieht immer so aus, als könne die eine Fraktion der anderen ein Schnippchen schlagen... und dann klappt es (natürlich) in den meisten Fällen doch nicht. 
Das liegt daran, dass viele der Figuren, die angesichts ihres Jobs, ihrer Erfahrung oder ihrer natürlichen Stellung innerhalb der Charaktere als ungemein clever und vorausschauend dargestellt werden, schon früh einfach schrecklich blöde agieren. Sie machen dummdreiste Anfängerfehler, die Logik der inneren Geschichte wird ungemein ausgedehnt und würde nur eine Figur manchmal doch einmal sein Oberstübchen einschalten, wäre die ganze Show wohl nach fünf Folgen gelaufen. Das ist dann leider nicht sonderlich schlau erzählt, die Wendungen sind zu vorhersehbar, das Storytelling in seiner Gesamtheit nicht mutig genug... und gerade in der zweiten Hälfte häufen sich einige echte Ärgernisse, wenn einzelne Figuren wegen kleinen emotionalen Hängern die ganze Operation gefährden, nur um eben noch ein wenig zu strecken. 
Festhalten muss man sich dabei an den Charakteren, die nach einer gewissen Eingewöhnungszeit echtes Potenzial entwickeln und dabei auch Seele und Tiefe besitzen. Nur einige Nebenfiguren, insbesondere unter den Geiseln, entwickeln echtes Nervpotenzial, was weniger den hier durch die Bank weg überzeugenden Darstellern, sondern viel mehr dem fahrigen Skript zuzuschreiben ist, welches die Figuren eben immer so setzt, wie es die Story gerade braucht. Gegen Ende zieht das Tempo an und liefert einige echte Highlights, die letzte Folge enttäuscht als Finale dann aber doch noch einmal.

Fazit: Spannende Ausgangssituation, interessante Figuren, immer wieder ein paar stark gestreute Charaktermomente. Die Spannung soll jedoch nur aus dem oftmals ungemein plumpen Handeln der Charaktere resultieren, weswegen das Endprodukt nicht sonderlich clever und einseitig gestreckt wirkt. Solide, aber keinesfalls herausragende Serienunterhaltung.

Note: 3




Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid