Netflix hat bezüglich seiner Original-Stoffe schon mehrfach Mut bewiesen und viele Filmemacher gehen mit ihren extravaganten Filmen, die für die großen Studios noch immer zu heikel erscheinen, gerne den Weg über das Streaming-Portal - die sind da nämlich, da sie nicht zwingend große Säle füllen müssen und deswegen gerne auch abseits des Mainstreams agieren, wesentlich offener. Mit katastrophalen Filmen wie "Mute" oder "The Discovery" setzte Netflix zwar auch schon öfters aufs falsche Pferd, gerade im Serienbereich stellten sie sich aber ungemein gut auf. Nun haben sie hier aber auch eine erste Pleite zu verzeichnen, denn entgegen den hohen Erwartungen entpuppte sich die zehnteilige Miniserie "Maniac" als Enttäuschung...
MANIAC
Eine Pharmazeutik-Firma lockt in einer seltsamen Zukunft mehrere Probanden mit einem erfolgsversprechenden, bislang jedoch ungetesteten Mittel: Die Pille soll, laut deren Erfinder James K. Mantleray (Justin Theroux) sämtliche Geisteskrankheiten unwiderruflich heilen. Für die drogenkranke Annie (Emma Stone) ist der mehrtägige Versuch die Gelegenheit, ihrer kaputten Familie zu entfliehen - Owen Milgrim (Jonah Hill) erhofft sich hingegen tatsächlich eine Heilung seiner Schizophrenie. In den Laboren der Firma herrschen strenge Regeln, die von Annie missachtet werden, was Owen nachhaltig verwirrt... und als sie medikamentiert die erste Reise in die parallelen Welten ihrer Wahrnehmung antreten, scheint sich herauszustellen, dass die beiden mehr verbindet, als sie sich anfangs eingestehen wollten.
Es gibt mehrere Probleme, die "Maniac" anhaften und die man definitiv auch hätte lösen können, die Hauptbesetzung ist jedoch keines davon: Netflix hat sich mit der für "La La Land" oscarprämierten Emma Stone und dem in beinahe jedem Genre glänzenden, für "The Wolf of Wall Street" oscarnominierten Jonah Hill zwei absolute Top-Stars eingekauft, die auch schwächere Werke durch ihre Präsenz auffrischen können. Stone chargiert in manch einem skurillen Moment etwas zu sehr, vor allem, wenn sich die Geschichte in andere Realitäten aufmacht, in den emotional stilleren Szenen ist sie aber so unfassbar gut, dass Gänsehaut vorprogrammiert ist. Und Hill beweist hier zum wiederholten Male, dass er lange nicht mehr ausschließlich der Pausenclown ist und überzeugt mit herausragender Tiefe, ohne zu überzeichnen. Die beiden, die zuletzt für die Highschool-Komödie "Superbad" zusammenarbeiteten, was für beide das benötigte Hollywood-Sprungbrett darstellte, harmonieren prächtig miteinander.
Zwiespältig ist die Besetzung hingegen bei den Nebendarstellern: Justin Theroux und "Forrest Gump"-Mama Sally Field chargieren streckenweise extrem und eine nähere Bindung zu diesen doch ziemlich abgedrehten Figuren findet nur auf Behauptungsebenen statt, weswegen uns diese Gestalten doch eher fernbleiben. Das gilt auch für die Handlung an sich, die sich doch etwas verquer und skurill entfaltet. Immerhin werden den Figuren zwei von zehn Folgen gegönnt, um sich vorzustellen, trotzdem bleiben diese nach den ersten achtzig Minuten immer noch etwas fern. Annie und Owen werden, obwohl wir ihre Geschichten kennenlernen, etwas oberflächlich gezeichnet, ihre Probleme werden nicht greifbar gemacht, da sich Regisseur Cary Fukanaga (der ehemals eigentlich den Regieposten des Horror-Meisterwerks "Es" bekleiden sollte, bevor er dem Projekt wegen kreativer Differenzen den Rücken kehrte) wesentlich mehr für die Bilder als für die Geschichte dahinter interessiert.
Das führt dazu, dass wir einem ausgezeichneten Regiestil beiwohnen, der markante, ungleich fantastische Bilder kreiert: Kreative Welten, ungemein viele Details, Verbeugungen vor etlichen Genres... aber die Geschichte bleibt auf der Strecke. Über zehn Folgen hinweg, die in ihrer Laufzeit unterschiedlich lang ausfallen, gerät der Plot mit fortschreitender Zeit immer unfokussierter, wendet viel Zeit auf die verschiedenen Geistesabenteuer auf, die mit viel Energie inszeniert werden und den kreativen Prozessen des Regisseurs freie Bahn lassen, dabei handlungstechnisch aber wenig zu erzählen haben. Bei all der filmischen Magie und den Verbeugungen vor Kinoklassikern wie Stanley Kubricks "Space Odyssey" bleibt das Herz früh auf der Strecke und erst gegen Ende traut sich Fukanaga, seine Charaktere auch wirklich fühlen zu lassen... da ist es aber leider bereits zu spät, um den Zuschauer noch wirklich zu packen.
Was er zuvor sah, war eine wenig fokussierte und ziemlich wirre, dafür aber optisch beachtenswerte Reise, verrückt und animalisch. Es fehlt der Hut, den man darüberstülpen musste, um alles passend zu verbinden, denn so bleiben zum Schluss etliche lose Enden und rückblickend ziemlich viel Füllmaterial. Als dreistündiger Spielfilm oder auch als Serie mit weniger Folgen hätte "Maniac" besser funktioniert, so dürfte er aber auch abseits des Mainstreams nicht so viele Fans finden, wie anfangs erhofft.
Fazit: Ein mutiges Experiment, hervorragend und kreativ inszeniert, mit zwei grandios aufgelegten Stars in den Hauptrollen. Die Handlung gerät jedoch unfokussiert und aufgeblasen, verliert sich in wirren Geistesreisen, Genre-Hopping und Verbeugungen, wobei das Herz auf der Strecke bleibt und der Plot seine Dringlichkeit einbüßt.
Note: 4+
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