Michael Herbig ist vor allem als Komiker bekannt... als Komiker, der das deutsche Kino mit einigen der erfolgreichsten Hits überhaupt segnete. "Der Schuh des Manitu" ist bis heute Kult und auch "(T)Raumschiff Surprise" war wirklich sehr witzig... mit der Zeit überschritt Bully seinen Comedy-Zenit jedoch, was sein furchtbarer "Bullyparade"-Film letztes Jahr eindrucksvoll unter Beweis stellte. Dass er ein ausgezeichneter Regisseur ist, sofern er sich den richtigen Stoffen widmete, stand aber seit jeher außer Frage und deswegen ging ein interessiertes Raunen durch Kino-Deutschland, als man erfuhr, dass der Komiker sich endlich einem ernsten Stoff widmen würde: Einer Geschichte aus der DDR, starbesetzt und wuchtig...
BALLON
Seit zwei Jahren arbeitet Familienvater Peter Strelzyk (Friedrich Mücke) gemeinsam mit seinem guten Freund Günter Wetzel (David Kross) hinter den Mauern der DDR an einem Ballon - damit wollen sie endlich die Grenze passieren und in die Freiheit fliegen. Das Manöver schlägt jedoch fehl und plötzlich ist den beiden Familien die Stasi auf der Spur, da sie verschiedene Objekte am und um den Tatort herum liegengelassen haben. Für die beiden Familien gibt es nun nur noch zwei Möglichkeiten: Ausharren und hoffen, dass die Stasi die Spuren nicht verknüpft... oder so schnell wie möglich einen zweiten Versuch wagen, bevor ihnen auf die Schliche gekommen wird.
Sechs Jahre lang hat Michael Herbig den Film, dessen Thematik und wahre Geschichte ihn selbst mehr als nur angesprochen hat, vorbereitet... und dass er all sein Herzblut in das Projekt steckte, das merkt man "Ballon" zu jeder Minute an. Es ist sicher kein perfekter Film, aber zumindest einer der besten deutschen Beiträge des bisherigen Jahres (gut, da war die Konkurrenz nun aber auch nicht enorm groß).
Oftmals bedient sich Herbig etwas zu sehr bei den altgedienten Klischees des Spannungsaufbaus, so zum Beispiel, indem er zwei Szenen nebeneinanderher laufen lässt, um somit die Dringlichkeit zu erhöhen. Solcherlei abgenutzte Stilmittel hat er eigentlich nicht nötig, da die Geschichte allein bereits spannend genug ist und perfekt als Mittel zum Zweck dient, um Dramatik und Geschwindigkeit mit fortschreitender Spieldauer zu erhöhen. Zudem hat er einige wirklich stark geschriebene, wenn auch manchmal etwas zu oberflächlich behandelte Charaktere zur Verfügung und gleich eine ganze Reihe mehr als interessanter Grundkonflikte: An vorderster Front die Flucht vor der Stasi und die Reise in die Freiheit, doch auch auf den Nebenschauplätzen tut sich über die verhängnisvolle Beziehung von Peters ältestem Sohn zu seiner Nachbarin, deren Vater der Stasi angehört, oder auch Günters eigenen Problemen, der es vielleicht gar nie aus der DDR hinausschaffen wird, so einiges.
Während den zwei Stunden treten zwar trotzdem einige Längen auf, die vor allem damit zu tun haben, dass die Protagonisten nach dem verunglückten ersten Flug doch eine Weile lang brauchen, um sich zu sammeln. Sie probieren verschiedene Taktiken aus, um sich Hilfe zu holen und doch noch fliehen zu können... als Kenner des Trailers oder der Geschichte weiß man aber, dass sie früher oder später doch einen zweiten Ballonversuch unternehmen würden und so ist der ungewisse Hilferuf zum Ende der ersten Hälfte eben auch nur für die Protagonisten eine wirkliche Ungewissheit. Hier zieht Herbig etwas zu viel Material aus Szenen, die ruhig etwas gestrafft hätten werden können... doch das sind Schönheitsfehler in einer ansonsten sehr prägnanten und wirkungsvollen Inszenierung, die ihren Spannungsbogen gegen Ende so enorm erhöht, dass man sich gar die Nägel abkauen möchte.
Sicherlich muss Herbig an manch einer Stelle etwas überdramatisieren, er überhöht seine Szenerie aber nie zugunsten der Dramatik, bleibt menschlich und historisch weitestgehend korrekt. Die menschliche Ebene wird auch aufgrund der durchgehend starken Besetzung passend bedient: David Kross hat sich nach seinen internationalen Erfolgen "Der Vorleser" und "Gefährten" von vor einigen Jahren mittlerweile zu einem gestandenen Schauspieler gemausert und Friedrich Mücke steht ihm ohnehin in nichts nach. Am stärksten agieren aber noch zwei andere: Zum einen Karoline Schuch, die als Peters Frau Doris eine ungemein intensive Emotionalität darbietet... und "Wanted"-Star Thomas Kretschmann als eiskalter Gegenspieler, der den Zuschauer und auch die Protagonisten wahrlich das Fürchten lehrt, dabei aber auch nie als einseitiger Antagonist herüberkommt.
Fazit: Spannendes, deutsches Drama nach wahrer Begebenheit, grandios gespielt und intensiv inszeniert. Einige gewollt wirkende Spannungsspitzen und manch einen auswalzenden Subplot hätte es nicht gebraucht, insgesamt ist das aber sowohl auf dramatischer als auch auf spannungsreicher Ebene ein starker deutscher Beitrag in diesem Kinojahr.
Note: 2-
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