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Willkommen bei den Sch'tis

Sie konnten sich doch wohl nicht alle irren, oder? "Willkommen bei den Sch'tis" ist bis heute der erfolgreichste Kinofilm in Frankreich, Kritiker waren begeistert und durch eine enorm gute Mundpropaganda wurde er auch in Deutschland zu einem wahnsinnigen Überraschungserfolg. Es muss also doch irgendwie etwas dran sein, richtig? Tja, anscheinend können sie sich schon irren, denn ich habe den französischen Mega-Hit nun zum ersten Mal gesehen und kann kaum nachvollziehen, was all die Menschenmassen an dieser weitestgehend harmlosen und vorhersehbaren Komödie finden wollen...

WILLKOMMEN BEI DEN SCH'TIS


Weil er sich als Behinderter ausgegeben hat, um so an einen höheren Posten innerhalb seiner Firma zu gelangen, dieser Betrug aber rasch aufgeflogen ist, wird der Fillialleiter einer Postbank, Philippe Abrams (Kad Merad), in den Norden strafversetzt. Genauer gesagt, nach Bergue, wo es bitterkalt sein soll... und dort soll er gleich ganze zwei Jahre ausharren. Für Abrams bricht eine Welt zusammen und auch der erste Eindruck im tiefsten Norden Frankreichs ist ungemütlich: Seltsame Menschen, Ausgrenzung, schwachsinnige Riten und ein langweiliger Job. Doch mit der Zeit lernt Abrams die Menschen um sich herum, gerade wegen ihrer Verfehlungen, aber auch wegen ihres großes Herzens, kenn und mögen und möchte am liebsten gar nicht mehr in seine Heimat zurückkehren...

Zu Beginn war ich noch mehr als bereit, die französische Kultkomödie, als welche dieser Film ja überall berufen wird, zu lieben und meine hohen Erwartungen schienen erfüllt zu werden. Wie sich Protagonist Philippe Abrams als Behinderter unter den Augen eines strengen Kollegen ausgeben will, das hat eine enorme Humor-Qualität, zielt auch slapstick-mäßig genau in die richtige Richtung und hat mir zum Höhepunkt einen gigantischen Lacher entlockt. Ich wollte mich bereits zurücklehnen und eine fantastische Komödie genießen, dachte ich doch, wenn das jetzt so weitergeht, kann es nur gut bleiben. 
Aber falsch gedacht, denn in den folgenden anderthalb Stunden nimmt der Film das Tempo auf eklatante Art und Weise raus und folgt plötzlich nur noch bewährten Mustern. Ein paar kleinere Grinser sind während Abrams' Eingewöhnungszeit im letztlich gar nicht so kalten Bergue, wo die Einwohner mit einem seltsamem, kaum zu verstehenden Akzent sprechen, noch drin, danach wird es aber ausgesprochen dröge. Statt sich auf einen satten Kultur-Clash zu verlassen, was ja sogar in schlechteren Filmen noch funktionieren kann, lassen die Autoren Abrams schon sehr früh zurückrudern und das große Konfliktpotenzial verschwindet. Er liebt diese Menschen um sich rum schon ziemlich schnell und danach muss er sich eben nur noch den einzelnen Wehwehchen seiner Kollegen und Freunde kümmern... und diese erschreckend lahm geraten. 
Den Humor zieht man indes nur noch aus den sprachlichen Problemen - eine Idee, die sich sehr schnell totläuft, weswegen man schließlich bemüht versucht, die schrulligen Charaktere ins rechte Licht zu rücken. Das läuft dann eben in bekannten Bahnen und ist aufgrund seiner Vorhersehbarkeit verflixt unlustig: Abrams versucht seinen alkoholkranken Antoine vom Trinken während der Arbeitszeit abzuhalten, verfällt dann allerdings selbst dem Schnaps - das ist im Film ebenso unlustig und unoriginell, wie es sich hier liest. Auch der Rest funktioniert nach Lehrbuch: Eine kitschige Liebesgeschichte, eine große Verwirrung und ein Konkurrenzkampf - all das findet sich in "Willkommen bei den Sch'tis", ohne aber einen eigenen Charme zu entwickeln. 
Dementsprechend fühlen sich diese hundert Minuten letztlich doch arg lang an, ein roter Faden ist zwar auszumachen, wird aber kaum mehr verfolgt, da der große Konflikt im Grunde bereits nach der Hälfte der Zeit ausgestanden ist. Man verlässt sich dann auf ein recht einseitiges Verwirrspiel zwischen Mann und Frau, weil einer eben lügt (und das auch aus kaum nachvollziehbaren Gründen), was aber nicht einen Lacher bringt. Es ist viel zu verkopft, es ergibt wenig Sinn und ist dementsprechend auch weder herzlich noch wirklich lustig. Selbst die obligatorischen Outtakes, die im Abspann mitlaufen, verleiten zu nicht mehr als einem kleinen Schmunzeln, dabei sind gerade diese in mittelmäßigen Komödien meistens noch das stille Highlight. Wirklich viel hängen bleibt, außer einer großen Enttäuschung im ganzen Sinn, also nicht. "Willkommen bei den Sch'tis" ist sehr solide gespielt, hat ansonsten aber nicht viel zu bieten - harmlos, ohne Ecken und Kanten. Es gibt wesentlich bessere Filme aus Frankreich... auch bessere Komödien.

Fazit: Nach einem starken Beginn sackt die Kultkomödie aus Frankreich erstaunlich hart ab. Die Handlung ist vorhersehbar, die Gags wirken bemüht, die Charaktere sind reine Abziehbilder. Ohne Schwung und Originalität schleppt man sich hier durch witzlose 100 Minuten.

Note: 4-




Kommentare

  1. Willkommen bei den Sch'tis fand ich schon ziemlich gut. OK, er hat seine Hänger. Aber die habe ich ihm verziehen. So richtig, richtig schlecht ist der zweite Teil: Die Sch'tis in Paris, der Anfang des Jahres ins Kino kam. Ich habe ihn auf meinem Blog verrissen und mir dabei den Frust aus dem Leib geschrieben.
    LG
    Sabienes

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