Viele Kriege werden nicht nur mit Waffengewalt, sondern mit Worten gewonnen, entschieden und geführt... und manchmal ist es schwer zu sagen, für was es nun mehr Mut und Durchsetzungsvermögen braucht. Irgendwie war es da passend, in kürzester Zeit gleich zwei Filme zu einem historischen Ereignis aus dem Zweiten Weltkrieg in die Kinos zu bringen, die dann gleich beide die Kritiker jauchzen ließen und bei den Oscars mitmischten... und dennoch vollkommen unterschiedliche Ansätze verfolgten. Während Christopher Nolans "Dunkirk" die Schlacht um Dünkirchen aus der Sicht der eingekesselten Soldaten erzählte, geht "Die dunkelste Stunde" einen anderen Weg: Hier geht es um die Männer in den finsteren Büroräumen, die Taktiken aushandeln und Mut beweisen müssen, um sich dem immer mehr Macht gewinnenden Hitler nicht zu unterwerfen.
DIE DUNKELSTE STUNDE
Großbrittanien befindet sich im Jahr 1940 im Krieg mit Deutschland. Premierminister Neville Chamberlain (Ronald Pickup) wird abgesetzt, nachdem das Volk das Vertrauen in seine mangelhaften Kriegsvorbereitungen verloren hat und das Kabinett sucht nun nach einem Nachfolger. Sie entscheiden sich schließlich für den launischen Winston Churchill (Gary Oldman), Erster Lord der Admiralität, der sich zuvor bereits harsch gegen Chamberlains Taktiken aussprach. Auch im Kabinett macht er sich mit seiner Einstellung, eventuellen Friedensgesprächen niemals zuzustimmen und wenn nötig auch tausende Soldaten zu opfern, nur wenige Freunde. Dennoch hält Churchill an seinen Plänen fest: Er will sich Hitler keinesfalls ergeben und bis zum bitteren Ende kämpfen!
Das klingt im Grunde nach Standard-Oscarmaterial, denn wie wir bereits seit Jahren wissen, hat die Academy eine Schwäche für historische Stoffe, die zumeist dialoglastig aufgebaut sind und irgendwie eine Heldengeschichte erzählen. Denkt man dies im Voraus über "Die dunkelste Stunde", liegt man dabei eigentlich auch gar nicht so verkehrt, denn Regisseur Joe Wright, der in den letzten Jahren mit "Abbitte" und "Stolz und Vorurteil" ja bereits mehrfach potenziellen Oscarstoff in die Kinos brachte, geht da schon ziemlich auf Nummer sicher. Da werden perfekt geschriebene Reden geschwungen, es gibt einen Hauptdarsteller, der sich schier die Seele aus dem Leib spielt und man porträtiert eine historische Begebenheit, die im Grunde niemanden kaltlässt - keine Frage, im Grunde ist es für den Film ein leichtes Spiel, die Zuschauer für sich zu gewinnen und Wright muss nur noch schauen, dass ihm das Ding nicht anbrennt.
Dementsprechend geht er dann auch keine Risiken ein und inszeniert das Kriegsdrama ein wenig nach Lehrbuch. Das heißt, der Film ist hervorragend gefilmt, hat einen fantastischen Soundtrack und ist schier bis ins kleinste Detail perfekt ausgearbeitet... leider etwas zu perfekt. Denn obwohl "Die dunkelste Stunde" gerade durch die privaten Einblicke in das von Zweifeln geplagte Leben des Winston Churchill auch einen herrlichen Humor aufweist, wirkt das alles etwas zu kalkuliert, als hätten sämtliche Beteiligten bereits vor Augen gehabt, dass sie sich mit diesem Werk perfekt bei den Oscars positionieren können. Das macht den Film generell nicht schlechter, ein etwas fader Beigeschmack bleibt aber trotzdem, da man darüber hinaus einfach nicht genug wagt. Vielleicht, weil man Churchill ein perfektes Bild schenken wollte, wobei Kritik an seinem Handeln niemals durchscheinen durfte - er ist der Held, da darf nichts dran rütteln, was auch irgendwie schön, gleichzeitig aber auch recht einseitig daherkommt.
Die Bedrohung ist zu spüren, wirkt aber nie richtig greifbar, als wolle man kein potenzielles Publikum zu arg verschrecken. Stattdessen sollen wir uns gut fühlen, immer wieder lachen und uns soll, in einer wirklich wunderbar gemachten Szene, das Herz aufgehen, wenn Churchill plötzlich mit mehreren Zivilisten gemeinsam in der Londoner U-Bahn herumfährt. Keine Frage, das ist alles herausragend gemacht, angesichts des historischen Hintergrunds fehlt es jedoch an Dringlichkeit, es wirkt zu leicht, wie herausgeputzt und dementsprechend auch zu selten wirklich packend.
Packend ist im Grunde nur die Performance, die der gestandene Gary Oldman hinter einer genialen Maske, wodurch man ihn kaum noch wiedererkennen kann, hier darbietet. Endlich bekam der ehemalige "Harry Potter"-Star für diesen Auftritt auch seinen ersten Oscar und den hat er sich auch redlich verdient, erweckt er Churcill dabei doch mit einer Leidenschaft zum Leben, von der sich viele Schauspieler auch mal eine Scheibe abschneiden könnten. Der Rest des Casts steckt da erwartungsgemäß zurück, Lily James weiß als seine ehrgeizige, junge Assistentin noch ein paar Akzente zu setzen, bekommt insgesamt jedoch auch zu wenig Raum.
Fazit: Man hätte mehr daraus machen können als reinen Oscar-Stoff, was Joe Wright hier abliefert, ist aber dennoch ziemlich gut. Gary Oldman glänzt in der Hauptrolle, der Humor trifft ebenso wie die starken Dialogzeilen... manchmal wäre etwas mehr Mut zum Risiko aber wünschenswert gewesen.
Note: 3+
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