Die Gewalt in Medien ist noch immer ein großes Thema und interessiert insbesondere den Jugendschutz. Viele Filme schaffen es wegen enormer und drastischer Gewaltdarstellungen nur geschnitten nach Deutschland, was die Frage nach der Zensur aufwirft - sollten erwachsene Menschen nicht selbst entscheiden, was sie sich zumuten dürfen und in welcher Form? Solange es nicht illegal ist, sollte diese Frage mit "Ja" beantwortet werden sollen, aber das ist nur meine Meinung. An anderen Plätzen stehen Werke wie "Brimstone" wegen ihrer wiederholten Gewaltdarstellung in der Kritik und natürlich muss man auch darüber nachdenken, inwiefern diese innerhalb der Handlung Sinn ergeben oder ob sie bloß reinen Selbstzweck darstellen. Genau das ist in diesem niederländischen Western-Thriller nicht einfach zu beantworten.
BRIMSTONE
Die stumme Hebamme Liz (Dakota Fanning) lebt zur Zeit des Wilden Westens in Amerika, ist mit dem Witwer Eli (William Houston) verheiratet und hat kümmert sich um dessen Sohn Matthew (Jack Hollington) und die gemeinsame Tochter Sam (Ivy George). Eines Tages wird sie von einem dunklen Schatten ihrer Vergangenheit eingeholt, als ein Reverend (Guy Pearce) in die Stadt kommt und die Bewohner mit seinen hetzerischen Reden die Bewohner für sich einnimmt und es offensichtlich auf Liz abgesehen hat. Eli möchte ihr mit ihren Bedenken keinen Glauben schenken, doch Liz ist panisch vor Angst... wie sich herausstellen soll, zurecht.
Der niederländische Regisseur Martin Koolhoven zeigt schon früh, dass er sich mit seinem Werk gerne dem Mainstream verweigern möchte: Er beginnt seine Geschichte quasi in der Mitte, erzählt sie nicht chronologisch, arbeitet mit langen Rückblenden und einzelnen Kapiteln, ganz wie in einem Tarantino-Film. Er schürt ein großes Geheimnis um diese Erzählweise, lässt den Zuschauer recht langsam und mit fortschreitender Laufzeit ein Puzzle zusammensetzen, um zu erfahren, was es mit diesem Reverend und der Beziehung zu der stummen Liz auf sich hat. Es ist interessant, nach und nach zu entdecken, in welcher Verbindung beide zueinander stehen und sich durch ein gewalttätiges und morbides Martyrium leiten zu lassen.
So wirklich geht Koolhovens Idee hier aber nicht auf, da er sein Werk doch etwas zu großspurig inszeniert - für solch eine vertrackte Erzählweise, die aus sich ein großes Mysterium macht und mit den Gedanken und Empfindungen des Zuschauers spielt, ist die Auflösung des Ganzen viel zu dünn. Letztendlich hätte es dem Film vielleicht kaum geschadet, hätte man ihn chronologisch erzählt - so wäre manch eine Wendung nicht zu früh zu erwarten gewesen und die Handlung des Films hätte sich ebenso sinnig erzählt. Sie hätte dann nur nicht mehr den Eindruck einer beinahe epischen Erzählung gemacht, was sie aber auch ohnehin nicht ist, das wird im späteren Verlauf immer klarer. Sobald sich der Wald aus Fragen und Erwartungen später immer weiter lichtet, desto klarer wird das Spiel, welches Koolhoven hier spielt und umso schwieriger wird es dann auch, "Brimstone" passend zu bewerten.
Koolhovens Inszenierung ist hart und brutal, es wird viel gestorben, mal sehr schnell, oftmals auch sehr langsam und das in enorm drastischen Bildern. In der ersten Hälfte haben diese Momente ihren intensiven Reiz, sobald sich jedoch die Dünne der Geschichte offenbart, scheinen diese Szenen nur noch dem reinen Selbstzweck zu dienen. Man suhlt sich in blutigen Bildern und ergötzt sich in einem grausamen Finale... etwas, was der Handlung in diesem Moment schon gar nicht mehr zuträglich ist. Es wird nur alles immer schlimmer und schlimmer, lässt den Zuschauer leiden und das ohne viel Sinn, steckt doch nicht viel Handlung hinter dem Martyrium - es soll uns eben nur der Eindruck eines tieferen Ganzen gemacht werden. Der Plot hapert hier also später, sobald der Zuschauer sich besser orientieren kann, ganz gewaltig und Koolhoven muss sich dann schon die Kritik gefallen lassen, dass er die rüde Gewalt hier als Deckung nutzt, um seine Geschichte etwas intensiver zu gestalten. Viel Hoffnung und Glück gibt es hier nicht und deswegen könnte "Brimstone", der in Deutschland verrückterweise mit einer FSK ab 16 Jahren ausgestattet wurde (wenn eine Serie wie "The Walking Dead" keine Jugendfreigabe bekommt, müsste das hier ebenso bewertet werden) für manch einen Zuschauer zu einer psychischen Tortur werden.
Verneigen muss man sich jedoch vor "Lockout"-Star Guy Pearce - es macht Spaß, diesen Widerling zu hassen und eine Figur wie diese auf solch grausame Art so ekelhaft und widerwärtig anzulegen, das erfordert große Schauspielkunst und verflixt viel Mut. Ihm gegenüber steht der ehemalige Kinderstar Dakota Fanning, die nach "Twilight" nicht mehr viel gerissen hat, hier aber eine bravouröse Leistung aufs Parkett legt. Da hat der Rest der Darsteller insgesamt nicht mehr viel zu melden, was auch für die beiden "Game of Thrones"-Stars Kit Harington und Carice van Houten gilt - beide bekommen nur leidlich kleine Rollen zugestanden.
Fazit: Zu Beginn entwirft Martin Koolhoven ein interessantes und düsteres Puzzle, je weiter sich dieses jedoch zusammenfügt, desto dünner scheint die Handlung. Die enormen Gewaltakte zimmern sich später immer mehr zum Selbstzweck zusammen, was etwas zwiespältig wirkt und manch einen Zuschauer überfordern könnte.
Note: 3
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