Tom Hanks dreht zwar auch heute noch unermüdlich Filme, richtige Kassenschlager sind aber irgendwie nicht dabei. Auf Enttäuschungen wie "The Circle" oder das miese "Illuminati"-Sequel "Inferno" folgen zwar auch immer wieder Highlights wie "Die Verlegerin" oder "Sully", aber ein echter Publikumsmagnet ist Hanks auch nicht mehr. Seine absolute Hochzeit hatte er unbestritten in den 90er Jahren, als er zwei Jahre in Folge den Oscar als bester Hauptdarsteller gewann (1994 für "Philadelphia" und 1995 für "Forrest Gump", beide Male hochverdient) und darüber hinaus in einer ganzen Reihe von heutigen Klassikern und Meisterwerken mitspielte, darunter "Der Soldat James Ryan" oder "The Green Mile". Auch die romantische Komödie "Schlaflos in Seattle" lässt sich in diesen Klassiker-Status einbetten und wird von Genre-Fans bis heute verehrt... und auch das völlig zurecht.
SCHLAFLOS IN SEATTLE
Vor anderthalb Jahren hat der Architekt Samuel Baldwin (Tom Hanks) seine geliebte Frau verloren und zieht seitdem alleine seinen Sohn Jonah (Ross Malinger) groß. Von der Traurigkeit seines Vaters ebenfalls getroffen schleust Jonah diesen in eine Radio-Talkshow ein... und ab diesem Zeitpunkt erntet Sam, der sentimental und ehrlich von der Liebe zu seiner Frau erzählt, Berühmtheit, erhält Fanpost und etliche Anfragen für Dates. Auch die verlobte Zeitungsredakteurin Annie Reed (Meg Ryan) ist von diesem unbekannten Mann schier verzaubert und muss der Versuchung widerstehen, ihm einen Brief zu schreiben und um ein Treffen zu bitten... angesichts der stagnierenden Beziehung zu dem recht langweiligen Walter (Bill Pullman), der ihr zukünftiger Ehemann sein soll, scheint es jedoch, als könne sie nicht mehr lange die Finger stillhalten.
Natürlich, die Ausgangssituation, um die sich diese romantische Komödie strickt, ist schon äußerst unglaubwürdig und in manchen Momenten auch arg vorhersehbar und naiv... immerhin ist sie dabei aber sowohl in der Grundidee als auch der nachfolgenden Umsetzung angenehm originell. Alleine der Ansatz einer RomCom, in der sich die eigentlich "füreinander Bestimmten" Liebenden so gut wie nie persönlich begegnen, zwar wissen, dass der jeweils andere existiert, aber trotzdem ihr eigenes Leben führen, ist ziemlich mutig und hätte auch in die Hose gehen können. Dank eines absolut treffsicheren Drehbuchs (welches 1994 sogar für den Oscar nominiert wurde) gibt es aber genug Schwung, um sich niemals zu langweilen - im Gegenteil, der Film ist höchstens eine Minute zu lang und legt dabei ein erstaunlich hohes Tempo vor, ohne sich zu hetzen.
Am meisten Spaß macht "Schlaflos in Seattle" dabei in den geschliffenen Dialogen, die von einem erstaunlichen Wortwitz garniert sind, der mehr als nur einen Lacher garantiert. In den Gesprächen zwischen Vater und Sohn erreicht man sowohl eine dramatische Tiefe, die vollkommen ungekünstelt wirkt, als auch eine sehr kluge Beziehung auf Augenhöhe - wenn die beiden sich bezüglich der wichtigen Fragen des Lebens und wie es denn nun für Papa Sam aussieht, ob er jemals noch eine Frau finden wird, unterhalten, dann ist das nicht nur ungemein witzig, sondern manchmal sogar etwas weise. Gerade die Rolle des Kindes wäre in anderen Filmen wohl absolut klischeehaft, oberklug und nervig geraten, dank des überzeugenden Spiels von dem damaligen Jungstar Ross Halinger (der in seiner Karriere heute leider keinen Blumentopf mehr zu gewinnen vermag) und einiger kluger Entscheidungen der Autoren ist Jonah aber eines dieser Kinder, die man einfach liebhaben muss und der sein Herz vollkommen am rechten Fleck trägt.
Neben einer gewitzten Meg Ryan ist aber Tom Hanks das Highlight des Films, der in sämtlichen Dialogphasen grenzt, temporeich und mit viel Mut dabei ist und "Schlaflos in Seattle" durch seinen ungekünstelten Witz und seinen natürlichen Charme klar beherrscht. Er ist dann auch mehr als fähig, die Dramaelemente zu transportieren, ohne diese mit Kitsch zu beladen, denn dafür agiert er einfach zu normal... Hanks kommt einem, wie zu seinen besten Zeiten, niemals wie ein Schauspieler vor, sondern eher wie der Typ von nebenan, was ihm zusätzliche Sympathien sichert.
Gegen Ende verlieren die Charaktere in einem doch recht typischen Finale ein wenig an Reiz - hier wird doch wieder die Kitschbombe ausgepackt, die zwar auch zuvor schon in einigen schmalzigen Momenten präsent war, ansonsten aber recht gut verschleiert wurde. Dank eines herausragenden Soundtracks und einiger Nebenfiguren, die letztendlich dann eben doch nicht so einseitig daherkommen wie zuvor gedacht, weiß auch die letzte halbe Stunde noch zu gefallen, man hätte sie aber vielleicht ein wenig charmanter und gewitzter erzählen können. Der Mut der vorherigen anderthalb Stunden geht hier tatsächlich ein wenig verloren und es wird etwas mainstreamiger - angesichts des Genres verständlich, angesichts eines ansonsten aber so cleveren Drehbuchs doch eine kleine Enttäuschung.
Fazit: Ungemein charmante RomCom, die durch hervorragend gewitzte Dialoge, clevere Ideen und einem grandiosen Tom Hanks lebt. Gegen Ende verliert man diese originelle Aneinanderreihung von Einfällen zugunsten eines etwas einseitigen Finales aus den Augen, davor ist es aber ein großer, romantischer Spaß.
Note: 2-
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