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15:17 to Paris

Clint Eastwood ist ohne Zweifel ein großartiger Regisseur, der in seiner Karriere jedoch auch schon für viel Brennstoff sorgte. Die wohl emotionalsten und intensivsten Diskussionen wurden zu seinem mehrfach oscarnominierten Kriegsfilm "American Sniper" geführt - ein sehr guter Film, doch auch ich musste einlenken, dass Eastwood seine Heldenverehrung überzeichnete... und damit auch falschlag. Dass er sich im Jahr 2018 einer erneuten, wahren Heldengeschichte annahm, wenn auch in völlig anderen Blickwinkeln, ließ vielleicht Böses erahnen und einige Unkenrufe sind auch hier wieder berechtigt. Trotzdem liefert Mr. Eastwood wieder ab und hat einen packenden, wenngleich überraschend ruhigen Thriller erschaffen...

15:17 TO PARIS


Alek (Alek Skarlatos), Anthony (Anthony Sadler) und Spencer (Spencer Stone) sind seit ihrer Schulzeit eng befreundet. Damals waren sie Außenseiter, später trennten sich die Wege der Kumpels. Spencer und Alek gingen zum Militär und mussten sich dort mit Missständen und auch ihren eigenen Wertvorstellungen auseinandersetzen. Früher oder später soll sie das Schicksal wieder zusammenführen, auf einen Trip durch Europa und schließlich in einen Zug von Amsterdam nach Paris... zu einer Stunde, in denen aus drei Freunden und Soldaten wahre Helden wurden.

Es gibt einige beeindruckende Dinge über diesen Film zu sagen. Zum einen die Tatsache, dass Regisseur Eastwood auf eine Schauspielersuche für die drei Hauptrollen von Anfang an verzichtete und stattdessen bei den drei Helden persönlich anklopfte... diese spielen im Film nun sich selbst und wenn man das nicht weiß, merkt man es auch nicht, da alle drei durch die Bank weg sehr überzeugende Darstellungen liefern. Ein Punkttreffer, wie man so schön sagt, doch hier endet die Liste von Dingen, die Eastwood diesmal anders macht und wobei er unkonventionelle Wege beschreitet, nicht. 
Denn obwohl der Titel genau die Zugfahrt zum Thema macht, um die sich die Heldengeschichte dreht (es ist die Abfahrtszeit des schicksalshaften Zuges in Amsterdam), geht es darum nur zu kleinen Teilen. Wer die Geschichte kennt, der weiß, was im Zug vorgefallen ist und Eastwood streut auch immer wieder Blicke in die Zukumft ein: Eine geladene Waffe, ein gefallener Schuss, der rasende Zug... Ausblicke, die die Handlung unterbrechen und die angesichts eines doch eher störenden Foreshadowing so auch definitiv nicht nötig gewesen wären. Wer in diesem Film sitzt, der wird ungefähr wissen, worum es geht und was passiert, weswegen Eastwood uns diese Prämisse, diese unterschwellige Bedrohung nicht dauerhaft vor den Latz hätte knallen müssen. Diese unterbricht nämlich einen ansonsten bemerkenswert unaufgeregten Fluss, in denen wir die drei jungen Männer nicht als Helden, sondern als normale Menschen kennenlernen. 
Weit über eine Stunde hinweg (und der Film läuft inklusive Abspann nur 94 Minuten) zeichnet er ein Bild von drei Jungs bzw. später Männern, die Ziele im Leben haben, denen Steine in den Weg geworfen werden und die einfach leben. Vieles davon ist nicht relevant für die späteren Taten, die sie vollbracht haben, aber Eastwood zeigt sie trotzdem: Selfies machen, Städtetouren, das Kennenlernen deutscher Gepflogenheiten, die Militärausbildung, die schwierigen Verhältnisse in einer christlichen Jungen-Schule. Rund wirkt das nicht, aber wir erhalten ein intensives und freilich ungeschöntes, konzentriertes Bild, welches dazu führt, dass die Helden nicht glorifiziert, sondern simpel vermenschlicht werden... ein guter Eindruck, der passt, für viele jedoch ein Beispiel der ruhigen Langeweile sein dürfte, da Eastwood im Grunde keinen Spannungsbogen aufbaut. 
Mir hat dieser unkonventionelle Touch durchaus gefallen, Eastwood geht diesen Weg aber nicht bis zum Schluss. Denn dann glorifiziert er doch die ungemein beachtenswerten, mutigen und aufopfernden Taten von vier Menschen, die schnell, ruhig und tapfer gehandelt haben. Das erzählt nicht mehr leise, sondern lässt den Score dramatisch posaunen und stellt die Männer auf ein Podest. Das haben sie verdient, keine Frage, aber es steht im seltsamen Kontrast zu dem Weg, der vorher beschritten worden ist: Nämlich aufzuzeigen, dass es Menschen sind. Eastwood zeigt sie später als beinahe unmenschliche Superhelden, lässt Dankesreden fallen... und das wirkt dann doch etwas zu pathetisch, zu fern. Der wahren Geschichte tut das keinen Abbruch - sie ist eine, die uns alle belehrt und von der wir uns alle ermutigen lassen sollten. Es gibt doch noch Gutes auf dieser Welt.

Fazit: Clint Eastwood entzieht sich in dieser wahren Geschichte allen Konventionen, geht auf eine beachtenswert menschliche Ebene hinab: Ruhig, unaufgeregt, nicht rund, aber dennoch auf seine Art und Weise packend. Später kann er dem Helden-Glorifizismus nicht mehr widerstehen, was einen harten, unpassenden Kontrast darstellt.

Note: 3+




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