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Die fabelhafte Welt der Amelie

Man kann niemals alle Filme sehen, trotzdem versuche ich natürlich immerzu, auch Klassiker, die auf etlichen Must-See-Listen verzeichnet sind, nachzuholen. Von der Seite vieler weiblicher Freunde von mir schallte mir zum Beispiel schon mehrfach staunendes Unverständnis entgegen, weil ich mich bislang noch nie mit "Die fabelhafte Welt der Amelie" auseinandergesetzt hatte, der unter Fankreisen zu den schönsten französischen Filmen aller Zeiten zählt. Es war also Zeit, auch dieses Werk endlich nachzuholen - leider konnte der Film meine hohen Erwartungen aber nicht erfüllen.

DIE FABELHAFTE WELT DER AMELIE


Die junge Amelie (Audrey Tautou) lebt in Paris und arbeitet als Kellnerin im Cafe des 2 Moulins. Sie zeichnet sich generell dadurch aus, dass sie Geschmack an den kleinen Dingen im Leben hat, auf Details achtet, die sonst niemand sieht. Trotzdem weiß sie nicht so ganz, wohin sie will und hat auch mit anderen Menschen weniger Kontakt... was sie nun allerdings ändern möchte. Als sie überraschenderweise hinter der Wand ihres Badezimmers eine Kiste mit alten Gegenständen und Fotos des Vorbewohners findet, beschließt sie, diesen ausfindig zu machen und ihm seine Sachen zurückzugeben. Auf der Suche lernt sie neue Freunde kennen, erlebt kleine Abenteuer und verliebt sich sogar.

Ebenso wie seine Hauptfigur hat auch "Alien"-Regisseur Jean-Pierre Jeunet einen Blick für Details und diese lässt er auf eine beeindruckende Weise in seinen Kultfilm einfließen. Seine besten Momente hat "Amelie" immer, wenn Jeunet mehrere Situationen hintereinander, die augenscheinlich in keinem Zusammenhang stehen, erzählt und schließlich auf einen Fokus kommt... genauso erzählt er auch den Moment von Amelies Geburt und hatte mich sogleich am Wickel. Auch im späteren Verlauf der zweistündigen Laufzeit greift Jeunet in schnellen Schnitten, ungewöhnlichen Kamerawinkeln und schrillen Farben immer wieder auf diese Stilmittel zurück, was dem Film nicht nur Witz und Tempo, sondern auch eine ganz besondere Art verleiht - es ist leicht zu verstehen, wieso so viele Menschen sich in dieses Werk verliebt haben. 
Allerdings, und das muss ich hier nun anfügen, so schnell auch ich mich verschossen hatte, so rasch entliebte ich mich auch wieder, denn mit der Zeit verlor mich der Film auf recht konstante Weise. So sehr mir die Hauptfigur ans Herz wuchs und ich Einzelmomente liebte, so wenig interessierte mich die Handlung, die dem Film zugrunde liegt und die sich im späteren Verlauf in zähen Irrungen und Wirrungen verliert. Hier überhöht "Amelie" seinen Kunstfaktor, will immer wieder besonders, charmant und außergewöhnlich sein (was er definitiv auch ist), vergisst dabei aber das große Ganze. Die Ideen sind stimmig, das gesamte Puzzle kann diese einzelnen Bestandteile aber niemals stimmig verbinden, weswegen die Stilmittel eher nebeneinander herlaufen - meine Begeisterung schwand so recht schnell. 
Und obwohl Jeunet in jeder Szene ein Füllhorn an Ideen liefert, hat er letztendlich eben doch nicht so viel zu erzählen. Bezeichnend ist dafür eine Szene gegen Ende, als ein letztendliches Aufeinandertreffen zweier prägnanter Personen auf doch recht billige Art und Weise immer und immer wieder hinausgezögert wird - hier fühlt sich "Amelie" mit seinem zwei Stunden sehr lang an und weiß diese üppige Laufzeit auch nicht mehr ansprechend zu füllen. Sicher, kleinere Highlights gibt es immer wieder und an Jeunets außergewöhnlichen Regiestil kann man sich ebenfalls kaum sattsehen. 
Auch schauspielerisch ist "Amelie", wobei auch hier kunstvoll überhöht, wirklich verzückend geraten - Audrey Tautou ist brillant, auch die Nebendarsteller können ihren Figuren durchgehend Präsenz verleihen. Trotzdem sprach der Film, vielleicht weil er sich in seinen Subplots, die sich lange im Kreis drehen und zu keinem passenden Schluss kommen, mein Herz nicht an. Er ist ein ziemlich unterhaltsames, aber dennoch recht zähes und etwas zielloses Experiment, herrlich französisch, dabei aber auch zu überspitzt. Jeunets Vision steht außer Frage, dennoch hätte ich mir ein etwas konstanteres Bild gewünscht... so hat mich "Amelie" leider im Stich gelassen und über Herzschmerz, Charme und Liebe zum Detail fühlen lassen, ohne alles stimmig zu verweben.

Fazit: Erneut ein Kultfilm, der mein Herz nicht erobern konnte. Ich liebte Jeunets Regiestil und seine wunderbaren Ideen, der Film und seine Handlung als Ganzes sind jedoch zu überhöht, ziellos und zäh. Die einzelnen Puzzleteile sind so wunderbar, dass es schade ist, dass sie am Ende kein stimmiges Bild ergeben.

Note: 4+






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