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The Florida Project

In den letzten zweieinhalb Wochen des Jahres (verflixt, es ist schon fast 2019, wie rasch die Zeit doch verfliegt) werde ich mich vermehrt aktuelleren Filmen widmen. Genauer: Filme, die ich größtenteils im vergangenen Jahr im Kino verpasst oder auch bewusst ignoriert und nun zum Jahresende nachgeholt habe. Dies geschieht zur Vorbereitung meines Jahresrückblicks, den ich voraussichtlich wieder am 01. Januar 2019 veröffentlichen werde. Dazu kommen, neben vielen Filmen, die ihre deutschen Kinostarts vermehrt in der ersten Jahreshälfte hatten, natürlich auch noch aktuelle Kinohits wie "Mortal Engines" oder "Aquaman" und auch der ein oder andere ältere Film. Beginnen tue ich die Reihe mit dem oscarnominierten "The Florida Project", der im vergangenen März anlief, eine wichtige Perle der Awardsseason war... und ein Film, den es sich wahrlich anzusehen lohnt.

THE FLORIDA PROJECT


Die siebenjährige Moonee (Brooklynn Prince) lebt mit ihrer Mutter Halley (Bria Vinaite) in einem heruntergekommenen Motel, ganz in der Nähe von Disneyland. Da Halley keinen richtigen Job hat, fällt es ihr schwer, für die Miete aufzukommen, weswegen der Betreiber Bobby (Willem Dafoe) regelmäßig an ihre Tür klopft. Auch das Verhalten Moonees fällt ihm auf und er glaubt, dass Halley mit ihrer Rolle als Mutter überfordert ist und nicht richtig für ihre Tochter sorgen kann. Moonee selbst vertreibt sich die Sommerferien mit Freunden, erlebt jedoch auch die entnervenden und manchmal arg komplizierten Sorgen ihrer Mutter und der anderen Motel-Gäste...

In erster Linie erzählt "The Florida Project" die Geschichte zwischen Mutter und Tochter - und beide sind wahrhaftig keine Engel. Die gewisse Verantwortungslosigkeit Halleys überträgt sich auf das Verhalten Moonee's, was sich in ihrer Sprache und dem ständigen Brechen von Regeln ausdrückt. Dabei schließt sich ein familiärer Kreis, den zu betrachten manchmal herrlich witzig und charmant, oft aber auch schockierend ehrlich ist. Regisseur Sean Baker überreizt den Konflikt dabei nicht nach dem typischen Hollywood-Schema, sondern gibt etlichen kleinen Szenen die Luft zum Atmen... und das auch, wenn sie für den Fortgang der Handlung eigentlich nicht wichtig sind. Generell folgt Baker keinem roten Faden, sondern "nur" einer Familie, die immer wieder Rückschläge einstecken muss und dennoch versucht, ihren Alltag zu bewältigen. 
Dabei weicht er Klischees in Windeseile und scheinbar kinderleicht aus - gerade die Rolle der Halley wäre ein Fressen für das Klischee der jungen "White-Trash"-Frau gewesen und die bis dato unbekannte Bria Vinaite lebt sich in diesem Spiel auch ungemein kraftvoll aus... die Liebe zu ihrer Tochter ist dennoch immer spürbar, die kleinen, ruhigen Momente zwischen Halley und Moonee sind schlichtweg Gold wert. Natürlich ist es dann auch die kleine Brooklynn Prince, die den Film beherrscht. "The Florida Project" ist zumeist aus Sicht der durchgehend glaubhaften Kinderdarsteller gedreht, wobei Sean Baker gar das meiste Lob verdient. Offenbar aufgeweckte Kids vor der Kamera so darzustellen, dass man nicht an kleine Schauspieler, sondern echte Kinder denkt, die eben ihr Leben leben, Streiche spielen und Eis essen, das ist schon eine Hürde für sich. 
Baker gelingt es, das Leben in dem Motel als genau das abzuzeichnen - er überzieht nicht (auch wenn es zwischendrin ein paar Hänger gibt), sondern bildet es einfach so ab. Manchmal gar, als wäre in einem der Zimmer eben zufällig eine Kamera gewesen. Die Konflikte werden nicht aufgebauscht, sie finden einfach statt. Und oftmals hat Baker glatt den Mut, einfach einige Szenen hintereinander zu schneiden, die nichts zur Handlung aussagen. Moonee steht mit ihrer Freundin an einem See. Bobby verscheucht Vögel vom Veranda-Eingang. Halley raucht eine Zigarette auf dem Balkon. Und dann geht es irgendwie weiter. Was unspektakulär und fad klingt, ist dabei nur ersteres und das auf eine gute, gar einnehmende Weise. 
"The Florida Project" muss sich nicht groß machen, da er keine große Geschichte erzählt. Aber eben eine gefühlvolle, so nah dran am echten Leben, dass man sie glatt einfach glauben will. Voll von berührenden Momenten, glatter Poesie und kräftigen Farben, die in markantem Kontrast zu den düsteren Scherereien stehen, die die Charaktere durchmachen müssen. Willem Dafoe fungiert als einzig bekannter Name des Casts (wenn man die kleine Rolle von "Three Billboards"-Star Caleb Landry Jones kurz außer Acht lässt) als ein Bindeglied und wurde für den Oscar nominiert. Ich hätte lieber eine der beiden Damen auf der Liste der Nominierten gesehen, doch auch Dafoes Rolle ist als überforderter und dennoch weitestgehend charmant-optimistischer Manager ebenfalls ein Highlight für sich.

Fazit: Eine Abbildung des wahren Lebens, unaufgeregt, bewegend, klein und groß. Mit Themen, die wir alle kennen, ohne ins Klischee abzudriften und dabei ebenso grandios wie durchgehend glaubhaft und echt gespielt. Mit einer wunderbaren Regie von Sean Baker und einigen echten Highlights - so ruhig und plötzlich kontrastreich und chaotisch wie das Leben.

Note: 2




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