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Widows - Tödliche Witwen

Generell begrüße ich es durchaus, wenn sich vor und hinter der Kamera Paare finden, von denen man nicht erwartet hätte, dass diese sich eines Tages für einen abendfüllenden Film zusammenfinden würden. Ob es sich nun um eine riskante Besetzung wie Robert Downey Jr. für das Zugpferd des mittlerweile größten Kino-Franchises aller Zeiten handelt oder um ein Regie- und Autorenduo, welches normalerweise in anderen Sphären unterwegs ist... ein solches Experiment ist immer irgendwie interessant. Und das gilt dann vorab auch für "Widows", wo sich der sonst für intensive Oscarware bekannte Regisseur Steve McQueen und die für ihre wendungsreichen Thriller-Skripte gelobte Gillian Flynn zusammengefunden haben... und das für einen Film, an den ich ganz besondere Erwartungen hegte.

WIDOWS


Als ihr Mann Harry (Liam Neeson) während eines riskanten Überfalls ums Leben kommt, bricht für Veronica Rawlin (Viola Davis) eine Welt zusammen. Doch mit der Trauer um ihren geliebten Ehemann ist es noch nicht genug, denn nun melden sich die Gangster zu Wort, denen Harry das Geld abknöpfte, welches bei dem Überfall in den Flammen eines explodierenden Vans verloren ging... sie wollen ihre Kohle zurück. Daraufhin schließt sich Veronica mit zwei anderen Frauen (Michelle Rodriguez, Elizabeth Debicki), deren Männer ebenfalls bei dem Coup getötet wurden, zusammen, um den nächsten Überfall, den Harry zuvor bereits plante, durchzuziehen und die Scharlatane ruhigzustellen. Dabei begeben sie sich auf wackliges Eis, da sich mit dem jungen Jack Mulligan (Colin Farrell), der als Bürgermeister kandidiert, auch die Politik in den Fängen der Verbrechen befindet...

Eigentlich konnte das doch nur gut werden, oder? Regisseur Steve McQueen, der vor einigen Jahren für sein mehrfach oscarprämiertes Drama "12 Years a Slave" mit Lobeshymnen überschüttet wurde, soll für die charakterliche Tiefe eines ganzen Ensembles sorgen... dieses Ensemble befindet sich mitten in einem ebenso wendungsreichen wie brutalen Thriller, der von McQueen und der "Gone Girl"-Autorin Gillian Flynn geschrieben wurde. Wessen Erwartungen hier dann nicht gleich in die Höhe schnellen, der hat wohl keinen dieser beiden Filme gesehen oder kann allgemein mit dem Genre nichts anfangen. Wobei selbst diese angesichts der Starbesetzung vor und hinter der Kamera schon nach dem elektrisierenden Trailer förmlich ausflippen müssten. Keine Frage, auf "Widows" habe ich mich spätestens nach den herausragenden Kritiken wie Bolle gefreut... und letztendlich doch eine kleine, aber feine Enttäuschung erlebt. 
Keine Frage, das gesamte Team macht dabei einen herausragenden Job: McQueens Inszenierung ist ebenso brachial wie in vielen Momenten herrlich unkonventionell - wenn er einen Dialog während einer Autofahrt nur über die Frontscheibe des Wagens filmt und dabei nicht einmal die sprechenden Charaktere zeigt, ist das ebenso seltsam wie gewissermaßen gewinnbringend. Auch darüber hinaus hält McQueen den Ball nicht flach, traut sich unkonventionelle Kamerafahrten zu, bleibt nah an seinen Protagonisten und nimmt sich für leise Einzelszenen viel Zeit. Manchmal auch etwas zu viel Zeit, denn gerade das erste Drittel, welches seine Charaktere (zehn handelnde an der Zahl) sehr genau vorstellt und ihnen allen ein persönliches Drama und somit auch einen Anschub mit auf den Weg gibt, hätte etwas mehr Tempo vertragen. Genaugenommen braucht der Film diese längere und bisweilen etwas langwierige Einführung, um seine Charaktere, von denen tatsächlich keiner als Abziehbild endet, mit dem Zuschauer zusammenzubringen - keine Frage, dank dieser vielen Informationen fiebern wir im weiteren Verlauf durchaus mit den Protagonisten mit. 
Und in diesem weiteren Verlauf zeigt uns das ungleiche Duo gleich mehrfach das Beste aus beiden Welten. Zum einen einige Szenen von solch grausamer, intensiver Spannung, dass wir uns schier die Nägel abkauen, wobei die Inszenierung niemals überzieht, stets glaubwürdig und gedeckelt bleibt. Und zum anderen tiefe Themen, die auch gerade heute noch enormen Bestand haben und die man in einem Genre wie diesem tatsächlich nur selten sieht. Auch die Besetzung läuft dabei erwartungsgemäß zu Höchstleistungen auf. Gut sind sie alle, doch zwei ragen nachhaltig heraus. Zum einen wäre da natürlich die zuletzt für "Fences" mit dem Nebendarsteller-Oscar ausgezeichnete Viola Davis, die in der Hauptrolle eine bemerkenswerte Mischung aus Verletzlichkeit und Kraft zustandebringt. Und dann ist da der für "Get Out" oscarnominierte Daniel Kaluuya, der einen der kaltblütigsten und angsteinflößendsten Filmbösewichte des Jahres darbietet, an den wir uns sicherlich noch lange erinnern. 
Und obwohl all diese Puzzlestücke für sich genommen so herausragend sind, die Begeisterung hält sich in Grenzen. Letzten Endes ist der Plot nämlich doch nicht so elektrisierend und clever, wie man es zuvor so arg gehofft hat. Einige Wendungen sind überraschend, beim näheren Nachdenken jedoch ziemlich blöde und der Spannungsbogen kann über die teils sehr langen 130 Minuten nicht aufrecht erhalten werden. Nachdem sich das Tempo gegen Ende enorm erhöht, endet der Film leider auch sehr plötzlich und hakt seine etlichen Storyfäden in Rekordzeit ab... das passt dann so gar nicht zum sehr genauen und ausführlichen Rest, wirkt beinahe so, als müsse "Widows" nun fix fertig werden.

Fazit: Grandios gespielt, hervorragend inszeniert, mit Momenten beachtlicher Tiefe und grausamer Spannung. Was ein meisterhafter Thriller hätte werden können, ist dank einiger lachhafter Wendungen und eines Plots, der sich mal zu viel Zeit lässt und plötzlich zu arg hetzt, letztendlich aber doch nur "gut".

Note: 3+






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