Jede hervorragende Idee ist irgendwann nicht mehr neu. Vor drei Jahren galt es noch als ungemein kreativ, als ein kleiner und recht unterhaltsamer Horrorfilm seine komplette Handlung auf einem Laptop erzählte, die Story durch Chats, Webcamaufnahmen und Googlesuchen vorantrieb. Heute ist das immer noch cool, aber in Zeiten von gelungenen Thrillern wie "Searching" eben auch nicht mehr so richtig neu und der leere Kinosaal, in dem ich mir vergangenen Donnerstag die Fortsetzung des Horrorhits "Unknown User" angesehen habe, pflichtet dem irgendwie bei. Und das ist schade, hat man hier doch einen sehr spannenden Reißer abgeliefert, der in qualitativer Hinsicht sogar seinen Vorgänger spielend leicht überflügelt.
UNKNOWN USER: DARK WEB
Matias O'Brien (Colin Woodell) dachte sich rein gar nichts Böses, als er einen Laptop mitnahm, der in seinem Cybercafe schon seit Wochen in den Fundsachen lag... bis er während einer heiteren Skypesession mit Freunden eine lahmende Technik des ansonsten recht flotten Geräts beklagen muss. Als er die überfüllte Festplatte checkt, entdeckt er einen Haufen durchaus seltsamer Videos und wird kurz darauf auf Facebook von einem gewissen Norah C. angeschrieben, der aussagt, der Besitzer des Laptops zu sein und diesen sofort wiederhaben zu wollen. Als Matias und seine Freunde sich weigern, werden sie urplötzlich Gefangene in einem tödlichen Spiel, welches sie in die grausamen Tiefen des Darknet führt...
"Unknown User" war cool. Sicherlich haperte es an der ein oder anderen Stelle, aber insgesamt war es ein Horrorfilm, der mich gerade durch seine schnörkellose Inszenierung packte. Nun gibt es einen zweiten Teil, wenn man denn so will... denn eigentlich hat dieser mit der Handlung des ersten Films rein gar nichts mehr zu tun, bewegt sich nicht in dämonischen oder übernatürlichen Sphären und nimmt auch keine Figur aus dem Original auf. Stattdessen haben wir ein frisches Ensemble aus jungen, recht unbekannten Gesichtern und eine ebenso neue Geschichte, die auf anderen Eigenarten fußt - einzig und allein die inszenatorischen Stilmittel sind die gleichen.
So spielt sich auch "Dark Web" bis auf eine einzige, winzige Szene ausschließlich auf dem Laptop des Protagonisten ab und erzählt die wendungsreiche Geschichte auf clevere Art und Weise über Gruppen-Videochats, Facebooknachrichten und Wikipediaeinträge. Dabei geht der Film noch recht langsam los und wirkt in seiner Vorstellung der einzelnen Charaktere, die sich gut über eine halbe Stunde hinzieht, etwas bemüht: Während Matias O'Brien immerhin einen überdurchschnittlich tiefen Hauptcharakter für das Genre abgibt, werden seine Freunde wesentlich schmaler dargestellt und landen recht bald in der Klischee-Schublade... insbesondere gilt das für den recht nervigen AJ, der sich als Sprücheklopfer herausstellt.
Aber das ist dann doch nicht so schlimm, denn hat man sich mit der Inszenierung angefreundet und bringt von vornherein ein wenig Verständnis für das heutige Computerzeitalter mit, wird von all den verschiedenen Fenstern und Chatprogrammen nicht überfordert, dann findet man schnell rein... und wird schließlich auch nicht mehr losgelassen. Die Macher rund um Regisseur Stephen Susco ziehen die Spannungsschraube langsam, schließlich immer schneller und ungemein intensiv an und schaffen es, aus der Handlung immer wieder interessante Kniffe herauszukitzeln. Die Wendungen sind selten vorherzusehen, ebenso wenig ist das nächste Opfer sicher zu erahnen und Susco macht einen mehr als guten Job darin, seine Geschichte warmzuhalten und durch immer neue Hindernisse für die sympathischen Protagonisten die Spannungskurve durchweg oben zu erhalten.
Viel mehr noch erhöht er diese sogar minütlich, lässt die Uhr immer schneller ticken und schafft eine mehr als wohlige Horror-Atmosphäre... innerhalb eines Raums, den wir alle kennen und der uns allen auch schon einmal Angst gemacht. Denn das Internet kann auch ein ziemlich feindseliger, gar gruseliger Ort sein und dieses Metier nutzt Susco auf durchaus eindrucksvolle Weise, wenn er eine Skype-Session hackt und uns das Gefühl gibt, nie mehr unbeobachtet zu sein. Leider zerschießt sich "Dark Web" im weiteren Verlauf zugunsten seiner Horrorschocker auch ein wenig die dramaturgische Tiefe, geht über einige heftige Szenen etwas zu rasch hinweg. Doch das sind Kinkerlitzchen in einer ansonsten sehr starken Inszenierung, die sich mutig immer höherschraubt, dabei sogar sehr konsequent vorgeht und innerhalb seiner Handlung zwar überzeichnet, aber in seiner inneren Logik dennoch stringent bleibt.
Fazit: Überraschend intensiver Horrorfilm, der seine clevere Inszenierung für einige spannende Szenen nutzt und seine Geschichte mit starken Wendungen und gut getimten Schocks serviert. Angesichts der Hochspannung blickt man gern über manch ein Charakter-Plothole und den etwas schwerfälligen Beginn hinweg.
Note: 2-
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