Direkt zum Hauptbereich

Apocalypto

Nur zwei Jahre nach seinem bahnbrechenden Erfolg "Die Passion Christi" zog Regisseur Mel Gibson erneut so manch eine Wuttirade auf sich. Regten sich im Jahr 2004 noch gläubige Christen über die Verunstaltung und zur reinen Brutalität verkommenen Geschichte Jesu auf, so waren es nun die Nachkommen der Maya, die Gibson falsche Tatsachen vorworfen. Für "Apocalypto" soll er diese als durchweg brutale und mordende, dumme Völker hingestellt haben... natürlich, um erneut Bildgewalt und klingelnde Kassen bieten zu können. Zumindest letzteres scheint er aber nicht angepeilt zu haben, verweigert sich Gibson doch auch hier den Konventionen und liefert einen Film ab, der nachwirkt, aber auch viele Mainstream-Zuschauer verprellen wird.

APOCALYPTO


"Pranke des Jaguars" (Rudy Youngblood) ist ein angesehener und beachteter Jäger seines Stammes. Als dieser eines Tages überfallen wird, muss er seine Familie in ein Loch hinab- und sich selbst gefangennehmen lassen, um diese zu schützen. Gemeinsam mit seinen Mitstreitern, Frauen und Männern, wird Pranke des Jaguars von feindlichen, religiös fanatischen Kriegern verschleppt, über einen beschwerlichen und tödlichen Weg durch reißende Flüsse und gnadenlose Täler. Einzig die Hoffnung, bald fliehen und zu seiner Familie zurückkehren zu können, hält ihn dabei aufrecht und lässt ihn die Grausamkeiten, die ihm bevorstehen sollen, überstehen...

Nun gut, bleiben wir mal ehrlich: Mel Gibson hat seine Ziele wirklich ein wenig zu hochgesteckt. Hier wollte er tatsächlich den Untergang eines gigantischen Volkes thematisieren, das Thema aufknacken und filtern, Wissen weitergeben... aber gut, nein, soweit kommt es bei "Apocalypto" nun wirklich nicht. Denn dafür ist der Fokus seiner im Kern doch sehr überschaubaren Handlung bei Weitem nicht breit genug gefächert und er widmet sich einem durchaus packenden Einzelschicksal - mit dem großen Ganzen, welches schlussendlich zur Auslöschung der Maya-Völker, wie sie hier dargestellt werden, führte, hat das aber wenig zu tun. 
Gibson versucht, dieses Minus an Plot und Background durch Texttafeln und weise Reden zu kaschieren, aber das hilft wenig, denn im Kern geht es um das Überleben eines einzelnen Mannes. Eine sehr einfache, aber wirkungsvolle Geschichte, die entschlackt auch an vielen anderen Orten und Zeiten spielen könnte: Er wird entführt und von seiner Familie getrennt und versucht für die nächsten zwei Stunden, zu eben dieser zurückzugelangen. Da ist es dann eigentlich gar egal, dass es sich hier um die Maya handelt, denn dieser simple Plot funktioniert immer und wenn man ihn richtig anpackt (was Gibson definitiv tut), dann wird er einen auch fesseln. 
Dass er sich dabei um eine ungemeine Authentizität bemüht, den gesamten Film sogar in seiner Originalsprache gedreht hat, womit Zuschauer komplett auf Untertitel angewiesen sind, muss man ihm hoch anrechnen, denn das hilft der Atmosphäre seines Werks ungemein. Dass "Apocalypto" kein gigantischer Erfolg wurde, es bis heute aber zu einem immer wieder besprochenen Geheimtipp brachte, ist dabei umso schöner. Denn eigentlich ist der Film, trotz seiner simplen Geschichte, ungemein sperrig: Er läuft 138 Minuten, die man im Mittelteil auch spürt und er verharmlost seine enorm harsche Brutalität nicht. Auch wenn Gibson um die schlimmsten Morde herumschneidet, so bergen seine knackscharfen Bilder eine Intensität, die sich kaum höher einstufen lässt. Generell ist seine Inszenierung angenehm dynamisch, sehr düster und blutig und dürfte für Zartbesaitete eine wahre Herausforderung darstellen. Manch einer wird Gibson diese zügellose Brutalität vorwerfen, sie als reine Provokation und auch als Missachtung der wahren Maya-Kultur erachten. 
Sieht man davon ab, sehen wir ein enorm realistisches Setting - selten war der Gebrauch von Keulen und Speeren so körperlich schmerzhaft und dennoch ohne überzeichnende Hollywood-Manirismen zu sehen. Dass er sich dem Klischee dann gerade während des langen, hochspannenden Showdowns etwas anbiedert, wenn sich der Held der Geschichte doch noch gegen eine tickende Uhr bewähren muss, sei ihm verziehen - die verschiedenen Actionpanoramen und die erhabenen Bilder, die schlichtweg von majestärischer Schönheit sind, ohne visuellen Overkill zu generieren, täuschen über solcherlei Schwächen mühelos hinweg. Letztendlich ist "Apocalypto" also mitnichten ein Film für jedermann, Gibson hat ihn jedoch eingänglich genug erschaffen und besonders atmosphärisch so gewaltig inszeniert, dass man sich dem gewissen Sog, den seine zumeist dialogarmen Bilder liefern, nur schwer entziehen kann.

Fazit: Mel Gibson bemüht sich auf beeindruckende Art und Weise um Authentizität, inszeniert brutal, schnörkellos und mit unglaublichen Bildern. Das ist im Plot zu simpel, aufgrund der erschütternden Actionszenen und den dynamischen Wanderungen und Jagden durch Wälder, Flüsse und Täler sicherlich eine bleibende Filmerfahrung.

Note: 2-





Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid