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Ich und Earl und das Mädchen

Eigentlich wollen wir doch alle Harmonie, oder? Streitereien und Konflikte gehören zum Leben dazu, doch wenn wir uns aussuchen könnten, ob wir nun im Frieden oder im ständigen Zänken leben wollen, wäre es wohl das Erstere... auch wenn wir dabei gewisse Einsparungen machen müssten. Das sieht auch Schüler Greg, der Protagonist aus dem wunderbaren Jugend-Drama "Ich und Earl und das Mädchen" so, der lieber niemandem auf den Schlips treten mag und es daher jedem irgendwie Recht macht, obwohl ihm das eigentlich alles egal ist. Rund um diese Figur und zwei mindestens ebenso faszinierende, titelgebende Charaktere entfaltet sich im Film eine ebenso herzliche wie unbändig kreative Coming-of-Age-Geschichte, die sicherlich niemanden kaltlassen wird.

ICH UND EARL UND DAS MÄDCHEN


Eigentlich versucht Greg (Thomas Mann) bloß, seinen Highschool-Alltag ohne Scherereien hinter sich zu bringen, mit seinem guten Freund und Arbeitskollegen Earl (RJ Cyler) abzuhängen und niemandem auf die Füße zu treten. Als Greg erfährt, dass seine Mitschülerin Rachel (Olivia Cooke) an Leukämie erkrankt ist, bewegt ihn das zwar, dennoch ist er der Meinung, auch damit nichts zu tun haben zu müssen - schließlich kennt er das Mädchen doch kaum. Doch Gregs Mutter (Connie Britton) ist da anderer Meinung und zwingt ihren Sohn zur Kontaktaufnahme. Weder Greg noch Rachel sind davon begeistert, doch mit der Zeit entwickelt sich aus dem zwangsläufigen Aufeinandertreffen des kranken Mädchens und des schüchternen Jungen eine besondere Freundschaft, die beide für den Rest ihres Lebens verändern soll...

Basieren tut der Film auf einem gleichnamigen Roman, den ich jedoch nicht gelesen habe - ich kann hier also nur das Werk von "American Horror Story"-Regisseur Alfonso Gomez-Rejon bewerten, der hier aber wirklich gute Arbeit geleistet hat. Angesichts der etlichen Einfälle, in welchen er insbesondere die kreative und sehr eigene Ansicht seines jungen Hauptprotagonisten bebildert, braucht man ein wenig, um in die im Kern sehr herzliche Geschichte einzutauchen: Manchmal sind es gar ein paar Ideen zu viel, um die sich Gomez-Rejon hier kümmert. So hätte es beispielsweise eine Episode, in welcher Greg und sein bester Freund Earl versehentlich unter Drogeneinfluss geraten, hier nicht gebraucht - sie ist weder besonders lustig noch sonderlich wichtig für den Fortschritt der Handlung. 
Ansonsten konzentriert man sich aber vollends auf drei Figuren, die nicht nur trotz, sondern oftmals sogar genau aufgrund ihrer persönlichen Makel ungemein menschlich und sympathisch wirken. Obwohl es im Kern um ein tiefschürfendes Drama geht, verbringt man gar nicht so viel Zeit in unabwendbarer Trauer: Viel mehr konzentriert sich Gomez-Rejon auf die bunten Seiten des Lebens, die sich alle drei Protagonisten hier noch gegenseitig beibringen und aufzeigen können. Dabei geht er nicht nach Schema F vor und schafft es, sene Charaktere als etwas Besonderes zu skizzieren. Selbst die manchmal etwas schwächer geschriebenen Nebenfiguren lassen sich glücklicherweise nicht in irgendeine seltsame Klischee-Schublade stecken, sogar die anfänglich etwas oberflächlich erscheinende Traumfrau entblättert einige unvorhergesehene Seiten. Es wird also schon früh deutlich, dass Gomez-Rejon seine Figuren sehr liebt und er möchte, dass die Zuschauer dies auch tun. 
Dass er dabei weitestgehend unaufdringlich vorgeht und mit einer Handvoll herrlicher Running Gags (Stichwort: Liebe zu Kissen) aufwartet, macht den Film nur noch sympathischer. Vor allem aber ist er auch eine Verbeugung vor den jungen, kreativen Freigeistern unserer Generation: Menschen, die viele Ideen haben, von denen viele nicht sonderlich gut sind, die sich aber dennoch mit ihrer eigenen Mitteilung darin verlieren und die allesamt etwas zu erzählen haben. Das ist ein sehr sympathischer Wink hin zu den Menschen, die mit ihren verborgenen Talenten nicht hausieren gehen wollen und in denen sich dennoch ungemein viel Kreativität verbirgt. 
Diese Message wird schließlich eingebettet in ein entwaffnend humorvolles, flottes und letztlich auch bewegendes (wenn gegen Ende auch etwas zu rührseliges) Korsett, welches an allen Ecken und Enden sitzt, passt und dennoch Luft besitzt. Das Herz sitzt dabei durchgehend am rechten Fleck, die Macher achten auf stimmige Details in der Highschool-Welt, lassen scheinbar unwichtigere Nebenfiguren in einem achtsam zusammengesetzten Puzzle zu Wort kommen, ohne sich dabei auf simplen Klischees auszuruhen. Das ist dann nicht in allen Details ganz großes Kino, aber durchgehend ungemein sympathisch, sehr gut gespielt (vor allem von einer schlichtweg brillanten, nuanciert aufspielenden Olivia Cooke, die Filmfans auch aus Steven Spielbergs Sci-Fi-Blockbuster "Ready Player One" kennen) und kreativ-aufgeladen inszeniert - es macht Spaß, geht ans Herz und unterhält. Genau so soll es sein, wie unser aller Leben.

Fazit: Herzliche Jugend-Geschichte, die kreativ nahezu ausladend und unaufdringlich drei sympathische und originalle Charaktere porträtiert und dabei gar nicht mal so dumme Messages aufbringt. Sehr lebensbejahend, zudem menschlich und echt - sehr gut!

Note: 2




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