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Crossing Over

Kein Mensch ist von Geburt an böse. So wie auch ein Hund, ganz gleich welcher Rasse, erst durch äußere Umstände, zum Beispiel durch falsche Erziehung seines Herrchens oder Frauchens tatsächlich gefährlich oder gar tödlich werden kann, ist auch kein einziger Mensch sofort ein Psychopath, wenn er auf die Welt kommt. Das gilt für Adolf Hitler ebenso wie für die Terroristen, die für die Terrorakte des Elften Septmeber verantwortlich zeichnen. Das erklärt ihre Taten nicht, räumt auch keinerlei Verständnis ein und soll es auch gar nicht - es bleiben grausame Massenmorde. Das Drama "Crossing Over" scheint sich mit solchen Themen beschäftigen, sie sogar beißend angehen zu wollen, verläuft sich durch seine etlichen Plots aber und bleibt viel zu arg an der Oberfläche...

CROSSING OVER


Max Broger (Harrison Ford) arbeitet im Außendienst der Einwanderungsbehörde und ist bei Razzien stets ganz vorne mit dabei. Anders als seine Kollegen bringt er jedoch auch Herz und Verständnis für die Nöte der Menschen mit, die er verhaftet, was ihn in einen speziellen Fall wirft. In Los Angeles haben jedoch noch ganz andere Probleme mit der Immigration: So zum Beispiel die junge Schauspielerin Claire Shephard (Alice Eve), die bei der versuchten Beschaffung einer Greencard, um in Amerika für eine große Serie drehen zu können, die Bekanntschaft mit dem zwielichtigen Beamten Cole Frankel (Ray Liotta). Oder auch der jüdische Sänger Gavin Kossef (Jim Sturgess), der in seinen Geldsorgen sogar die Anstellung an einer Schule illegal aufnehmen muss...

Und das sind nur drei der Plots, denen sich Regisseur Wayne Kramer in seinen 108 Minuten widmet - tatsächlich sieht sich "Crossing Over" wie ein Ensemblestück, wobei voneinander abgegrenzte Handlungsstränge streckenweise kurz zusammenlaufen, weil sich verschiedene Protagonisten kennen. Das wirkt teilweise arg bemüht - dass sich Schauspielerin Claire und Musiker Gavin kennen, spielt für die Geschichte zum Beispiel einfach gar keine Rolle. Hier wird versucht, ein größeres Netz um die Plots herum zu erzwingen, was im Gegensatz zu "L.A. Crash" beispielsweise kaum funktioniert. Immerhin hätte es aber noch die Chance gegeben, dass diese einzelnen Handlungsstränge, die sich allesamt auf unterschiedliche Weise und aus verschiedenen Perspektiven mit dem Thema Immigration und Einbürgerung beschäftigen, für sich genommen packend sind. Dem ist jedoch auch weitestgehend nicht so, da sich Kramer aufgrund der vielen Figuren kaum auf die Tiefe verlassen kann. 
Er reißt ungemein viele Themengebiete an, um irgendwie alles noch in seine Laufzeit reinzubekommen: Da geht es um Religion, innere Werte, das Verständnis bezüglich finsterer Taten und der Menschen, die dahinter stehen. Es geht um Moral und Unmoral in der Arbeit, um Familie, um Kriminalität, falsche Entscheidungen, Erpressung... das ist ziemlich viel und teilweise auch harter Tobak auf mehreren Ebenen. Genug Material für eine Staffel einer Serie sogar und Wayne Kramer muss das auf 108 Minuten verarbeiten. Dass dabei einiges auf der Strecke bleibt und die meisten Plots überhaupt keine Chance haben, ihre Intensität passend auszuspielen, liegt auf der Hand. Gerade die Geschichte rund um den Sänger Gavin Kossef, gespielt von "Zwei an einem Tag"-Star Jim Sturgess, bleibt im direkten Vergleich furchtbar blass und hätte vielleicht sogar ersatzlos gestrichen werden können, um den anderen Plots etwas mehr Raum zur Entfaltung zu bieten. 
Es gibt aber auch die Momente, wo die Macher tatsächlich etwas beim Zuschauer auslösen. Bezeichnend ist dabei eine Szene, als eine junge, muslimische Schülerin während eines Referats aussagt, dass man die Menschen, welche die Anschläge auf die Zwillingstürme durchführten und dadurch tausende Leben forderten, nicht zu rasch verurteilen sollte - man sollte sich vorher fragen, warum sie das taten. Hier agiert das Skript nicht nur kritisch, sondern leitet auch eine interessante und durchaus mehrdeutige Diskussion ein... um dann gleich wieder zur nächsten Thematik zu schwenken und diesen Plot später wesentlich grobschlächtiger aufzunehmen. 
Man überzeichnet manches hier sehr stark - leiser erzählt hätten diese bemerkenswerten Ansätze sicher auch noch mehr Intensität erzielt. So bleibt "Crossing Over" aber ziemlich oft nur an der Oberfläche, weil er sich zu vielen Kindern an zu vielen Orten gleichzeitig widmen muss oder eben will - dass man dabei scheitert, ist dann auch kein Wunder mehr. Gerne würde ich jedoch einen weiteren Film dieser Art sehen, vielleicht sogar als Miniserie. Dass die Thematik nämlich, wenn man sie entweder cleverer oder gar nicht untereinander verknüpft und sie mit mehr Tiefe ausstattet, durchaus ihren Reiz hat, ist nicht von der Hand zu weisen und macht einige Szenen sehenswert.

Fazit: Leider macht man zu viele Fässer auf, muss an jeder Ecke noch Themen und Figuren mitnehmen. Insgesamt agiert man daher viel zu oberflächlich, reißt wichtige Kriterien nur an und vertieft sie nicht - herausstechende Momente sind viel zu schnell vorbei, um sich dem nächsten Kind auf der Liste zu widmen.

Note: 4+




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