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Source Code

Man stelle sich vor, man habe nur noch wenige Minuten zu leben... und man wisse genau, dass dem so ist. Was würde man tun? Vor Panik durchdrehen? Tief durchatmen und einfach abwarten, bis alles zu Ende ist? Noch ein letztes Gespräch mit dem Menschen führen, der einem am meisten bedeutet? Diese Frage, allumfassend und in ihrer Größe schier gigantisch, muss sich auch Captain Colter Stevens stellen, denn der erlebt seinen eigenen Tod nicht nur einmal. Als ebenso abgedrehte wie hochspannende und aktuelle "Und täglich grüßt das Murmeltier"-Variante kommt "Source Code" daher... und liefert bis kurz vor Schluss packende Genreunterhaltung, die später all ihre Bausteine nicht mehr passend verknüpfen kann.

SOURCE CODE


Eben war er noch im Gefecht Afghanistans, plötzlich befindet sich Captain Colter Stevens (Jake Gyllenhaal) in einem dahinrasenden Zug... der acht Minuten später von einer gigantischen Explosion zerrissen wird, wobei auch Stevens selbst umkommt. Das verwirrende Spektakel lichtet sich darauf: Er ist ein Produkt des "Source Code", eine Militärtechnik, die es dem Probanden erlaubt, in eine virtuelle, ungemein real wirkende Nachstellung eines Ortes einzutauchen. Unter den Anweisungen einer gewissen Colleen Goodwin (Vera Farmiga) soll Stevens die letzten acht Minuten im Leben des Passagiers Sean Fentress, dessen Platz er im Zug schier einnimmt, immer wieder erleben... und zwar solange, bis er die Bombe, die den zug zerfetzt, und den Attentäter ausfindig gemacht hat, um somit weitere Anschläge zu verhindern.

Den Abspann ausgenommen hat "Source Code" die knackige Länge von gerade einmal neunzig Minuten... und das ist auch gut so, denn so kann der Film von "Moon"-Regisseur Duncan Jones, der bis zum Jahr 2016, wo er mit "Warcraft" einen ordentlichen, finanziellen Flop ablieferte, quasi von Anfang an Vollgas geben. Wir erfahren im Grunde keine Vorkenntnisse, sondern werden gleich in den ersten "Ausflug" von Colter Stevens hineingeworfen - wer sich keinerlei Trailer oder knappe Inhaltsangaben des Films zu Gemüte geführt hat, wird daher ebenso verwirrt und gespannt wie der Protagonist dort sitzen. Etliche Fragezeichen reihen sich auf, die der Film anschließend immer wieder auflöst - das spannendste an dieser erwachsenen und wendungsreichen Variante einer Zeitschleife ist daher, herauszufinden, wieso all dies geschieht und wer denn nun die Drahtzieher hinter dem titelgebenden "Source Code"-Projekt und die Täter der verheerenden Zugexplosion sind. 
Um es kurz zu machen: So richtig zufriedenstellend kann der Film nicht alle Fragen auflösen und bleibt gerade bezüglich des Militärprojekts und seiner ausschweifenden Fähigkeiten im Bezug auf das Nacherleben gewisser letzter Minuten eines Menschen eher schwammig. Jones überschreitet die Grenze des Übermenschlichen leider etwas zu arg und auch wenn er sich bemüht, am Ende eindeutige Antworten zu liefern, so wird der Schlussakt die Zuschauer sicherlich spalten. Es ist also nicht ganz rund, das sich "Source Code" aber eben kaum mit diversen Nebenplots aufhält, kommt dabei dem Tempo durchaus zu Gute. Ellenlange Erklärbärszenen, wie sie verwandte Genre-Vertreter gerne verwenden, um ihren ach so komplexen Plot aufzulösen, fallen hier weg, stattdessen springt das Werk gleich voll in die Fahrt. Das ist hochspannend und sorgt dank des hohen Tempos auch dafür, dass man sich über manch einen Logikschlenker gar nicht mokieren kann... man bemerkt sie nämlich erst, wenn der Puls während des Rollen des Abspanns abfällt und man beginnt, über den Plot näher nachzudenken. 
Zuvor ist man aber durchaus gebannt angesichts des sich immer mehr verändernden Rahmens, in welchem sich Colter hier bewegt - er sammelt Erfahrung und leistet akribische Detektivarbeit unter Zeitdruck und wie sich dabei ein nicht immer sinniges, aber durchaus clever ausgeklügeltes Puzzle dabei nach und nach und immer wieder unterbrochen von einer tödlichen Explosion zusammensetzt, das ist schon ziemlich unterhaltsames Kino. Getragen wird dieses erwartungsgemäß auch von seinem energiegeladenen Hauptdarsteller: "Enemy"-Star Jake Gyllenhaal wechselt scheinbar so leichtfüßig zwischen motiviertem Helden, vollkommen überforderten Gefangenen und schier den Verstand verlierenden Detektiv, dass es eine wahre Freude ist, ihm dabei zuzusehen. Ganz große Momente sind auch diverse Enthüllungen um seine Figur, wo Gyllenhaal ebenso nuanciert wie glaubwürdig und mit enormer Kraft beweisen darf, warum er nach wie vor einer der besten Schauspieler unserer Zeit ist. Seine Leistung überstrahlt dann auch erwartungsgemäß die Darstellungen des restlichen Casts, denn wo "Eagle Eye"-Star Michelle Monaghan immerhin noch natürlichen Charme aufwarten lässt, haben Vera Farmiga und Jeffrey Wright insgesamt einfach zu wenig zu tun, um sich nachhaltig ins Gedächtnis spielen zu können.

Fazit: Spannender und wendungsreicher Thriller, der eine interessante und packende Ausgangssituation mit hohem Tempo und einem grandiosen Hauptdarsteller verknüpft. Clever und originell, wobei aber später einige Plotholes sichtbar werden und das Ende die Gemüter spalten wird.

Note: 3+




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