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West Side Story (2021)

1958 an der Upper West Side: Zwischen den "Jets", einer Gruppe junger, krimineller Amerikaner, und den "Sharks", einer Gruppe von jungen Puertoricanern, herrscht ein Zwist, der stets kurz davor ist, in Gewalt auszubrechen. Riff (Mike Faist), der Amführer der "Jets", möchte die Sharks deswegen zu einem echten Kampf herausfordern, um die Fronten ein für alle Mal zu bestimmen. Über dieses Duell liegt alsbald jedoch ein Schatten, als sich der ehemalige Jet Tony (Ansel Elgort) während einer Tanzveranstaltung in die achtzehnjährige Puertoricanerin Maria (Rachel Zegler) verliebt. Ihre Liebe scheint keine Zukunft zu haben, da sie den gefährlichen Streit zwischen beiden Lagern nur weiter anstachelt. Trotzdem wollen sie ihre Gefühle nicht verbergen... und riskieren damit Blutvergießen.

Es wird nicht wenige geben, die sich fragen, wieso Meister-Regisseur Steven Spielberg unbedingt an einer Neuverfilmung des Kult-Musicals "West Side Story" interessiert war und einen wirklich triftigen Grund hat er auf der reinen Handlungsebene letztendlich auch nicht vorzuweisen. Spielberg ändert wenig ab, verzichtet sogar darauf, das zeitlose Thema in unsere heutige Zeit zu versetzen und bleibt somit, so wie schon beim Original, in den 50ern haften. Darüber hinaus fügt er auch der Geschichte keine wirklich nennenswerten Neuerungen bei. Ob "West Side Story" nun also ein Remake ist, welches die Welt gebraucht hätte, darüber darf heiß diskutiert werden. Und dass der Film darüber hinaus einige deutliche Schwächen aufweist, macht diese Diskussionen umso feuriger: Das Werk beginnt schleppend und hat auch im weiteren Verlauf immer wieder mal Schwierigkeiten damit, tonal in die richtige Spur zu gelangen. Ansel Elgort bleibt in der Hauptrolle leider ziemlich blass (was sehr schade ist, da wir wissen, was der junge Mann sonst eigentlich kann) und einige dramatische Höhepunkte bleiben etwas hinter dem zurück, was man hier emotional noch hätte rausholen können.
Trotzdem überwiegt ein mehrheitlich positives Gefühl, welches sich bei mir während einer ganz bestimmten Szene einstellte. Hat Spielberg die ersten Musical-Nummern und das etwas formelhafte Vorstellen der wichtigsten Handlungsträger in den ersten dreißig Minuten noch nicht wirklich im Griff, ändert sich dies mit der ersten großen Massenszene während einer schulischen Tanzveranstaltung. Plötzlich spüren wir wieder diese wunderbare Spielberg-Magie, die der Regisseur auf seine alten Tage immer noch scheinbar mit einem Achselzucken heraufbeschwören kann. Und die zentralen Musical-Nummern, in denen die kultigen und auch heute noch schlichtweg atemberaubenden Songs frisch dargeboten werden, gehören sicherlich zum Besten, was das Genre filmisch hervorgebracht hat. Perfekt choreographierte Tanzszenen mit einem herrlich aufgelegten Ensemble, viel Humor, einer hervorragenden Kameraarbeit von Janusz Kaminski sowie einem meisterhaften Tempo sorgen für allerlei Highlights und Gänsehaut-Momente. Auch wenn Spielberg in diesen Momenten weitestgehend altmodisch agiert und sich nicht für eine sinnvolle Modernisierung des Stoffes interessiert, so sind diese im besten Sinne klassischen Szenen absolut unterhaltsam und auf rein filmischer Ebene ein Paradebeispiel dafür, wie man solcherlei schwungvoll umsetzt.
Die Handlungsebene ist derweil bekannt: Die "Romeo & Julia"-Adaption in Amerika ist eine zeitlose Geschichte, die auch hier nicht an Spannung oder Dramatik einbüßt und noch genauso gut ist wie damals. Überraschungen sollte man indes natürlich keine erwarten und sich stattdessen lieber an dem prunkvollen Setdesign, den grandiosen Kostümen, der fantastischen Musik sowie den wundervollen Leistungen der Darsteller*innen sattsehen. Dabei funktioniert besonders die gesamte Besatzung aus teils nur kleinen Nebenrollen, die mit viel Humor glänzen und die sich gegenseitig sowohl physisch als auch in den butterweichen Dialogzeilen die Bälle zuspielen. Gut sind sie daher alle, doch zwei ragen heraus: Ariana DeBose legt als Anita eine solch unmenschliche Kraft dar, dass sie die Leinwand schier auffrisst - zur Belohung gabs eine Oscarnominierung als beste Nebendarstellerin (der Film ist übrigens für ganze sieben Trophäen nominiert). Noch besser agiert Newcomerin Rachel Zegler als Maria, die in der weiblichen Hauptrolle genau die richtige Mischung aus eloquentem Charme, Neugier, Gewitztheit und Gefühl darbietet... und ihre Gesangsstimme ist schlichtweg herzzerreißend. Ebenfalls zu erwähnen ist die Besetzung von Schauspiel-Legende Rita Moreno. Diese übernahm im filmischen Original noch die Hauptrolle der Maria und agiert hier, um den Kreis angemessen zu schließen, in einer fantastischen Nebenrolle als Tonys Ziehmutter Valentina. Und in ihren wenigen Szenen agiert sie dabei so leichtfüßig, so wunderbar herzlich, dass sie aus der talentierten Besetzung noch einmal herauszustechen vermag.

Fazit: Trotz einiger Längen, eines schwerfälligen Einstiegs und etwas wenig Mut zu Neuem ist Steven Spielbergs Remake des Broadway-Klassikers ein im besten Sinne klassisches Filmerlebnis, aus welchem besonders die grandiosen Musical-Einlagen und eine fantastische Hauptdarstellerin herausragen.

Note: 2-



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