Durch einen Job im Finanzsektor hat es Rory O'Hara (Jude Law) zu solidem Wohlstand gebracht und nun zieht die Aussicht auf einen neuen Job bei seinem alten Partner Arthur Davis (Michael Culkin) ihn nach London. Seine Frau Allison (Carrie Coon) ist erst nicht erfreut über den Umzug, da es bereits den vierten innerhalb von zehn Jahren darstellt. Rory, der ihr viel Geld verspricht und zudem ein riesiges Gemäuer für sie und die beiden Kinder Samantha (Oona Roche) und Benjamin (Charlie Shotwell) erworben hat, kann seine Frau jedoch zu dem Leben in Europa überreden. Schon früh stellt sich jedoch heraus, dass Rory sich entweder verkalkuliert hat oder seiner Frau Honigs ums Maul geschmiert hat, denn der erhoffte Geldsegen bleibt aus. Als die Finanzen nicht mal mehr zum Leben reichen, eskaliert der Konflikt zwischen Rory und Allison...
Regisseur Sean Darkin inszeniert sein düsteres Familiendrama atmosphärisch dicht. Zu Beginn lässt das alte Gemäuer, in welchem die Familie O'Hara unterkommt, Erinnerungen an solch kultige Thriller wie "The Shining" wachwerden und beinahe erwartet man innerhalb des Hauses einen waschechten Schocker, da sich auch die Figur des Rory O'Hara deutlich in eine Richtung zu entwickeln droht, in welcher er immer zorniger und ausfallender agiert. Solcherlei Horrorelemente bleiben jedoch glücklicherweise aus, stattdessen konzentriert sich Darkin auf den wahren, realen Horror des Lebens... leider fährt er dabei nicht sonderlich gut. Obwohl er "The Nest" in stimmungsvolle, zumeist dunkel tarierte Bilder packt, kann das Drehbuch nicht darüber hinwegtäuschen, dass insbesondere die beiden Hauptfiguren viel zu schwach gezeichnet sind, um dauerhaft zu packen.
So wird beispielsweise Rory O'Hara viel zu einseitig als Labertasche geschrieben, die zwar durchaus an seinen eigenen Erfolg glaubt, weil sie meint, diesen verdient zu haben, dabei aber auch sehenden Auges die eigene Familie in ein großes Risiko führt. Da dies der einzige Character-Arc ist, auf dem die Figur herumreiten darf und sich dabei immer weiter ins Verderben redet, fällt die Rolle alsbald recht dünn aus. Immer wieder ein weiterer Versuch, doch noch an das große Geld zu kommen, noch mehr Lügen, noch mehr leere Versprechen. Intensive Szenen wie die, als Rory von seiner Frau Geld verlangt, um bis zum nächsten Gehalt über die Runden zu kommen und diese anschließend ihren Mann des Zimmers verweist, damit er nicht sieht, wo sie die letzten Geldscheine versteckt hat, bleiben dabei Mangelware. "The Nest" dreht sich, trotz spannender Inszenierung im Kreis und kann den an sich interessanten Konflikt nie wirklich glaubhaft transportieren, da es ihm zum einen an Höhepunkten und zum anderen an denkwürdigen Charakteren mangelt.
Wo Rory den etwas einseitigen Mann darstellt, der seine Familie aufgrund eigener Fehler und zu hohem Denken von sich selbst in eine Misere treibt, bleibt seine Ehefrau Allison ein ziemliches Mysterium, obwohl sie eigentlich die Sympathieträgerin sein sollte, mit welcher das Publikum mitfiebert. In dieser Form bleibt allerdings redlich unklar, wieso sie dieses Martyrium solange mitmacht: Aus Liebe zu ihrem Mann? Unwahrscheinlich, denn wirkliche Liebe scheint bei den beiden nie wirklich durch. Aus Rücksicht auf ihre Kinder? Ebenfalls nicht, denn die fühlen sich in der neuen Heimat nicht richtig wohl. Aus der Hoffnung heraus, dass Rory doch noch etwas an Land zieht? Dagegen spricht eine Szene, in welcher Allison ihrem Mann mit voller Kraft zwischen die Füße fährt, als er dabei ist, einen Kunden anzuwerben. So verstehen wir am Ende zwar, was Allison an der Situation schlaucht, können aufgrund ihrer undurchsichtigen Charakterzeichnung aber keine Bindung zu ihr aufbauen. Und so funktioniert dann auch "The Nest" als Film: Die Idee ist simpel und treffsicher, aber das Drumherum will nicht wirklich zünden, bleibt zu ungenau. Jude Law und Carrie Coon spielen indes hervorragend, können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es dem Werk an Zündstoff und Glaubwürdigkeit fehlt.
Fazit: "The Nest" bietet außer zwei hervorragenden Schauspielleistungen sowie einigen atmosphärischen Bildern wenig. Das Drehbuch kann den simplen Konflikt nur ungenau umfassen, die Charaktere wirken undurchsichtig und wenig zieltreibend. Das sorgt letztendlich weniger für Intensität, sondern viel mehr für sich im Kreis drehende, hübsch aussehende Langeweile.
Note: 4
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