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Possessor

Auftragskiller können mittlerweile auch deutlich hinterlistiger arbeiten: Tasya Vos (Andrea Riseborough) arbeitet für eine finstere Agentur, die ihre Killer mittels einer fortschrittlichen Hirnplantat-Technologie in die Körper anderer Menschen eindringen lässt, um diese dann als Mordwaffe zu missbrauchen. Bei ihrem neuesten Auftrag soll Tasya in den Körper des jungen Colin Tate (Christopher Abbott) eindringen - dieser soll anschließend sowohl seine Verlobte Ava Parse (Tuppence Middleton) als auch ihren Vater John (Sean Bean) ermorden. Letzterem gehört eine technologische Firma, in deren Besitz Tasyas Agentur nur zu gerne kommen würde, weswegen sie den Geschäftsmann dringend aus dem Weg räumen müssen. Während ihrer Zeit in Colins Körper scheint Tasya jedoch nach und nach die Bindung zur Wirklichkeit zu verlieren...

David Cronenberg gehört zu den angesehensten Regisseuren des Horrorfilms - er brachte mit dem sogenannten Body-Horror eine der schmutzigsten und wichtigsten Subgenres des Horrors auf den Weg und erschuf darin solch wichtige Klassiker wie "Die Fliege" oder "A History of Violence". Sein Sohn Brandon hingegen schien bisher nicht so richtig aus dem überdimensionalen Schatten seines Vaters herausgetreten zu sein, doch könnten sich diese Zeiten nun ändern. Mit seinem knallharten Werk "Possessor", welches im vergangenen Sommer auch bei uns in Deutschland einen Kinostart erhielt, scheint Cronenberg Junior so laut und wild zu rufen, dass auch mit ihm als Zögling eines der wichtigsten Regisseure der Filmgeschichte absolut zu rechnen sei, dass sich dies schon wie ein Statement liest. Und ja, sicherlich muss er sich nach diesem Film nicht mehr hinter seinem Vater verstecken und bietet dem Publikum in diversen Einzelszenen nervenzehrendes Bodyhorror-Futter der übleren Sorte. Was er in Sachen Blut und drastischen Tötungsszenen abliefert, ist jedoch nur eine Seite der Medaille, denn auf den Pfaden des gelungenen Storytellings hat er so seine Probleme.
Cronenberg hat eine Menge zu erzählen oder er hat zumindest eine Menge Themen, die er mal verschleiert und mal ganz offensichtlich an sein Publikum dringen will. Da wäre eine der größten Ängste unserer heutigen Gesellschaft: Die totale Überwachung und wie leicht wir diese akzeptieren, gar verdrängen. Sex und Gewalt in einer Symbionte, ein unangenehmer Ausblick in eine Sci-Fi-Zukunft, das eigene Selbst, das Verdrängen des eigenen Selbst, der Kampf um die Identität... all das verpackt Cronenberg zwar in überzeugende, surreale Bilder, wobei er wirre Schnittfolgen und ein krasses Sounddesign unterstützend einsetzt. Doch so richtig weiß er offenbar nicht, was er mit diesem Sammelsurium aus Ideen anfangen soll, weswegen viele von ihnen innerhalb einer alsbald recht unfokussierten Geschichte sträflich ungenutzt bleiben. Nach einem recht vielversprechenden Beginn und einem atmosphärischen ersten Drittel hängt der Plot im Mittelteil gehörig durch und läuft schließlich zu einem überzeichneten Finale, welches all diese Fäden verbinden soll, aber ganz offensichtlich nur auf den nächsten billigen Schocker aus ist. Da stellt sich nicht die Frage, ob das so alles wirklich sinnhaftig ist, sondern nur, was das Publikum noch an drastischen Bildern zu verkraften bereit ist.
Und drastisch sind sie fraglos: Cronenberg hält in Nahaufnahmen voll drauf, wenn er mit der Hilfe praktischer Effekte den leidenden Opfern den Kiefer zertrümmert oder auch mal einen Augapfel aus der Höhle fischt. Das weiß zwar zu beeindrucken, doch verbinden sich diese ultrabrutalen Einzelszenen (die auch deswegen so wirksam sind, weil sie spärlich über die Laufzeit verteilt werden) nicht sinnig mit der über ihnen stehenden Geschichte. Immer wieder findet Cronenberg, auch in der surrealen sexuellen Komponente des Films, eindrucksvolle Aufnahmen, doch am Ende bleiben sie eher kleine Ideen alsdass sie eine größere Aussage treffen würden. Absolut lobenswert ist dafür die Performance von "Nocturnal Animals"-Star Andrea Riseborough, die als Frau zwischen den psychischen Fronten einige absolut meisterhafte Szenen hat - besonders die Momente, wenn sie versucht, in ihrem richtigen Leben Fuß zu fassen und ihre eigene Identität festzuhalten, sind von großer emotionaler Kraft. Auch Christopher Abbott liefert eine wahnsinnig reife Leistung und wenn die beiden Protagonisten im Körper eines Einzelnen quasi um die Vorherrschaft kämpfen, ist dies gleichermaßen verwirrend wie absolut packend gespielt. Letztendlich können sie sich in ihren faszinierend-schaurigen Darstellungen aber auch nur gegen die verkopfte Story mühen, die eine ganze Menge verspricht, aber nur wenig davon wirklich einzuhalten vermag.

Fazit: Regisseur Cronenberg entfesselt eine schneidende Atmosphäre in drastischen Bildern, hat darüber hinaus aber niemals seinen wirren Plot im Griff. Es gibt allerlei Ideen und Deutungsrichtungen, doch nur wenig wird davon wirklich verfolgt und auserzählt, weswegen "Possessor" letztendlich eher unsicher und nicht durchdacht wirkt.

Note: 4+



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