Der große Meisterdetektiv Hercule Poirot (Kenneth Branagh) erhält während seines Urlaubs in Ägypten einen sonderbaren Auftrag. Das frisch vermählte Paar Linnet (Gal Gadot) und Simon Doyle (Armie Hammer) bitten Poirot um seine Mithilfe, da beide während ihren Flitterwochen ununterbrochen von Simons ehemaliger Verlobter Jacqueline de Bellefort (Emma Mackey) verfolgt werden. Linnet fürchtet gar um ihr Leben, doch Poirot kann aufgrunddessen, dass keine offizielle Straftat vorliegt, wenig tun. Gemeinsam mit seinem früheren Gefährten Bouc (Tom Bateman) reist Poirot anschließend auf einem kleinen Dampfer, welchen das Paar für den Abschluss ihrer Flitterwochen gemietet hat, über den Nil und bleibt achtsam für potenzielle Vorfälle. Als ein ungebetener Gast auf dem Schiff erscheint, überschlagen sich die Ereignisse...
Es kann einem fast leidtun für diesen Film, der im Grunde kaum eine Chance hatte, wirklich zu glänzen. Der direkte Vorgänger "Mord im Orient-Express" entwickelte sich im Jahr 2017 zu einem beachtlichen Überraschungserfolg, in dessen Schatten "Tod auf dem Nil" schon alleine deswegen stand, da sich die Starbesetzung auf dem Papier längst nicht so beeindruckend liest wie noch vor vier Jahren. Denn obwohl sich auch hier so erfolgreiche und begnadete Könner wie Gal Gadot, Annette Bening oder "Sex Education"-Star Emma Mackey die Klinke in die Hand geben, sind die Stars des direkten Vorgängers, unter ihnen Johnny Depp, Judi Dench, Willem Dafoe und Daisy Ridley, zumindest bezüglich ihrer Bekanntheit noch mal ein ganz anderes Kaliber. Das muss nicht für oder gegen die Qualität sprechen, doch ein sicherer Erfolg war die Fortsetzung damit nicht... und der Produktion wurde auch im weiteren Verlauf nicht in die Karten gespielt. Die Corona-Pandemie machte dem Werk mehr als einmal einen Strich durch die Rechnung, das Marketing hatte plötzlich damit zu kämpfen, dass zwei der Hauptdarsteller*innen (zum einen Letitia Wright, besonders aber Armie Hammer) in der Presse mit Skandalen befeuert wurden. Am Ende kam es, wie es irgendwie zu befürchten war: Trotz allerlei Mühen versandete "Tod auf dem Nil" unter der Blockbuster-Konkurrenz und wurde nicht einmal zwei Monate nach dem Kinostart zum Streamingdienst Disney Plus abgeschoben.
Was nun vordergründig auffällt, ist wie viel Zeit sich der Film lässt, um überhaupt in die Gänge zu kommen. Der titelgebende Todesfall geschieht erst ziemlich pünktlich zur Halbzeit und somit nach über einer Stunde Laufzeit und bis dahin dürfte sich manch ein Zuschauer ein wenig gelangweilt haben. Denn obwohl "Tod auf dem Nil" ja auch ordentlich Zeit braucht, um das üppige Ensemble einzuführen, das neue Setting vorzustellen und auf eher maue Weise noch ein wenig Background zu der Hauptfigur zu geben (es wird enträtselt, wie der Detektiv zu seinem mächtigen Schnauzer kam - wollte das vorab irgendjemand wissen?), verläuft die erste Stunde nicht wirklich aufregend. Rückblickend ist es zwar mehr als verständlich, dass so viel Zeit auf die zwischenmenschlichen Belange einiger Charaktere draufgegangen ist, da erst dadurch das spannende Finale seine ganze Power entfalten kann, aber trotzdem fühlt sich der Film in der ersten Hälfte sehr gestreckt an. Immer wieder ergötzt man sich in langsamen Panoramen der ägyptischen Wüste, was optisch durchaus gefallen könnte, würde der Film aufgrund seines massiven Einsatzes von CGI-Effekten nicht fast durchgehend künstlich aussehen und sich so auch anfühlen. Die Computertechnik kann die echten Aufnahmen von Wahrzeichen und Naturgewalten jedenfalls niemals ersetzen.
Auch die Charaktere sind deutlich weniger interessant als noch im direkten Vorgänger. Wo dort ein einziger Mordfall reichte, um den ganzen Film auf Trab zu halten, braucht es hier schon deutlich mehr Vorfälle und Sideplots, um die Handlung einigermaßen spannend zu gestalten... und trotz viel Vorlauf können die meisten Charaktere sich nicht richtig in die Erinnerung des Zuschauers spielen. An den Leistungen der meisten gibt es zwar nichts auszusetzen, aber so richtig nach vorne spielen kann oder will sich auch niemand. Mit der Ausnahme von "Dunkirk"-Star Kenneth Branagh natürlich, der in seinem Film mal wieder mit sehr viel Charme und Ausdruck glänzt, auch wenn die sehr bemüht zurechtgestrickte Geschichte um ein persönliches Drama seiner Figur doch etwas zu schwermütig ausfällt - "Tod auf dem Nil" wirkt dadurch zwar mutiger, aber auch deutlich weniger leichtfüßig und unterhaltsam als sein Vorgänger. Nach der ersten Stunde kommt der Film dann zwar recht solide in Fahrt und wartet mit einigen überraschenden Wendungen, manch feinem Dialog und einem starken Showdown auf, aber das ist in der Summe einfach zu wenig. Kühl kalkuliert, nicht wirklich hübsch und ohne echten Mehrwert dümpelt das Werk lange dahin, um letztendlich irgendwo zwischen sympathischem, altmodischen Charme und Mainstream-Knallerei zu versanden. Trotz des Misserfolgs ist ein weiterer Fall für den Detektiv Poirot übrigens schon in Planung - man will nur hoffen, dass dieser dann etwas stringenter und packender daherkommt.
Fazit: Im Vergleich zum Vorgänger wirkt "Tod auf dem Nil" nicht nur schwerfälliger, sondern auch deutlich kühler. Die künstlichen Bilder können die Längen in der ersten Hälfte und die nicht mehr so glanzvolle Starbesetzung nicht kaschieren, auch wenn der Film nach rund einer Stunde deutlicher an Tempo aufnimmt.
Note: 4+
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