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Minari - Wo wir Wurzeln schlagen

In den 1980er-Jahren zieht Jacob Yi (Steven Yeun) gemeinsam mit seiner Frau Monica (Han Ye-ri) und den gemeinsamen Kindern Anne (Noel Kate Cho) und David (Alan S. Kim) von der Westküste Kaliforniens in den Süden der USA. Dort möchte Jacob gutes Land beackern und für sich und seine Familie ein aussichtsreiches Leben aufbauen. Monica ist schon früh enttäuscht von dem kleinen Wohnraum, doch Jacob möchte die Hoffnung nicht aufgeben und pocht auf die guten Voraussetzungen für den Ackerbau. Schon früh wird die Familie jedoch vor organisatorische Probleme gestellt, die ihnen aufzeigen, dass der große amerikanische Traum eines erfüllten, eigenen Lebens nicht so einfach zu erreichen ist wie sich das viele vorstellen...

In seinem vierten Langspielfilm, der nun auch zum ersten Mal international große Aufmerksamkeit erfuhr und für insgesamt sechs Oscars nominiert wurde, beweist Regisseur Lee Isaac Chung ein gutes Auge für seine Figuren. Dabei hat er seine Charaktere aufgrund kleiner Details und nuancierter Darstellerleistungen nicht nur passend im Griff, sondern erzählt auch die Beziehungen unter den Figuren authentisch und lebensnah, ohne dabei dröge zu wirken. Ein besonderes Highlight stellt dabei die Beziehung zwischen dem kleinen David und der später zur Familie ziehenden Großmutter Soon-ja dar - wie die beiden sich nach und nach annähern und David seine Vorurteile erst bestimmt und später ausräumt, das hat ganz große, schriftstellerische Qualität. Mindestens ebenso bewegend, wenn auch aus ganz anderen Gründen, ist die Zeichnung der Ehe zwischen Jacob und Monica, die Hochs und Tiefs durchläuft und trotzdem zu Herzen geht.
Chung erzählt seine Geschichte ruhig und mit viel Liebe zum Detail. Seine Inszenierung trägt in wunderschönen, beinahe malerischen Bildern des ländlichen Südens über die gesamte Laufzeit hinweg und entschädigt dabei für manch eine kleine Länge im Mittelteil. Atmosphärisch dicht fängt er das Jagen nach dem berüchtigten "American Dream" in sommerlichen Aufnahmen ein, erzählt von großen Problemen, aber auch von kleinen Erfolgen. Besonders beeindruckend ist dabei, wie er die düsteren, auch mal brutalen Seiten dieses Lebens neben die kleinen, sensiblen Szenen stellt. So arbeiten Jacob und Monica in einer Fabrik, die Küken nach ihrem Geschlecht sortiert - achzelzuckend nehmen sie dabei hin, dass die unnützen, männlichen Tiere anschließend ausgesiebt und in einem Ofen verbrannt werden. Zugleich möchte Jacob aber auch etwas erschaffen, behandelt seinen Garten mit viel Liebe, sorgt für seine Familie. Diese Doppelbödigkeit der Figuren sorgt nicht nur für spannendes Konfliktpotenzial, sondern auch für viel Stoff zum Nachdenken.
Herausragend agiert dabei auch die Besetzung. Wer Steven Yeun bislang nur aus seiner Rolle als Fan-Favorit Glenn Rhee in der Horrorserie "The Walking Dead" kennt, der dürfte durchaus erstaunt sein, wie nuanciert und sensibel dieser hier agiert - als Lohn gab es dafür sogar eine Oscarnominierung, auch wenn sich Yeun letztendlich dem grandiosen Anthony Hopkins für seine Hauptrolle in dem Drama "The Father" geschlagen geben musste. Gewonnen hat die begehrte Trophäe in der Fraktion der Nebendarstellerinnen aber schließlich Yoon Yeo-jeong, die in ihrer Rolle als ebenso strenge wie gutmütige Großmutter einige absolut brillante Szenen hat, die von leisem Humor und herzlicher Weisheit glänzen. Ein ganz besonderes Lob verdient sich auch Newcomer Alan S. Kim, der als kleiner David nicht nur gefühlt die meiste Leinwandzeit hat, sondern diese auch trotz seines jungen Alters mit enormer Ausstrahlung zu tragen weiß. Einzig die etwas schrille Performance von "American Honey"-Star Will Patton als beinahe wahnwitzig-gläubiger Arbeiter erschloss sich mir nicht richtig - Patton bleibt in dieser Rolle ein manchmal etwas nerviges Mysterium, welches keinen Mehrwert gegenüber den gesetzteren Performances seiner Co-Stars liefert.

Fazit: "Minari" ist ein sensibel und ruhig erzähltes Familiendrama, welches düstere und hoffnungsvolle Seiten des Lebens nebeneinanderstellt und mit viel Herz, Weisheit und tollen Darstellern sowie einer wunderschönen Inszenierung aufwartet. Trotz kleinerer Längen ein gefühlvoller Film, unaufgeregt erzählt und wunderschön bebildert.

Note: 2-



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