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Das Mädchen im Park

Vor sechzehn Jahren verschwand Julia Sandburg's (Sigourney Weaver) dreijährige Tochter Maggie (Daisy Tahan) während eines Ausflugs auf den Spielplatz spurlos. In den folgenden Jahren ging Julias Ehe mit ihrem Mann Doug (David Rasche) in die Brüche und auch von ihrem Sohn Chris (Alessandro Nivola) entfremdete sie sich beinahe vollständig. Als Julia nun aus beruflichen Gründen zurück in ihre alte Heimat zieht, lastet der Schatten der Vergangenheit schwer auf ihr und sie bringt auch Chaos in Chris' Gefühlsleben, der kurz davor ist, seine schwangere Freundin Celeste (Keri Russell) zu heiraten. Julia scheint erneut an ihrem Schicksalsschlag zu zerbrechen, bis sie in einem Cafe scheinbar zufällig eine junge Frau (Kate Bosworth) kennenlernt. Zu dieser fühlt sie rasch eine erstaunliche Verbindung... und glaubt auch, eine optische Ähnlichkeit zu ihrer verschwundenen Tochter zu erkennen.

Anders als der bei Kritikern harsch gefloppte "Die Vergessenen", welcher das Mysterium rund um ein verschwundenes Kind in einen ziemlich wirren Mystery-Thriller verwandelte, gibt "Das Mädchen im Park" nichts um einen möglichen Krimi-Plot. Der Film versteht sich als waschechtes Charakterdrama, wobei vor allem die traumatisierte Mutter Julia im Mittelpunkt steht. Da sie nie über das Verschwinden ihrer Tochter hinweggekommen ist (auch, da sie aufgrund des niemals gelösten Kriminalfalls rund um Maggie keine Chance zu einem echten Abschluss hatte), ist ihr Leben scheinbar ein Trümmerhaufen. Mit treffsicheren, nur manchmal etwas zu kalkulierten Details macht Regisseur David Auburn das Dilemma auch abseits von Dialogen greifbar. So hat Julia ihren künstlerischen Job aufgeben müssen, erstickt nun beinahe in Büroarbeit... und immer wieder kommen ihr verschiedene Momente verdächtig nah, verliert sie den Abstand zu anderen Menschen, um dann doch gleich wieder zu verschwinden.
Das Psychogramm der Mutter, die noch immer um ihr verlorenes Kind trauert und zeitgleich daran glaubt, dass dieses noch irgendwo dort draußen ist, ist hier sehr fein ausgearbeitet worden. Einige Szenen sind unangenehm anzusehen - so zum Beispiel, wenn Julia auf dem Spielplatz fremde Kinder anspricht, während die anwesenden Mütter sie erst misstrauisch beäugen, um schließlich sogar verängstigt die Polizei zu rufen. Neben Julias Konflikt mit ihrem Sohn Chris, der mit dem Verschwinden seiner Schwester abschließen wollte, durch das erneute Auftauchen seiner Mutter aber wieder mit dem Fall konfrontiert wird, ist es die langsam aufkeimende Beziehung zwischen Julia und der jungen Louise, die dem Film seinen Schwung gibt. Von heiterer Geselligkeit bis hin zu wahrlich schmerzhaften, oftmals nur sehr feinen Szenen gereicht diese Beziehung und Auburn findet kraftvolle Momente, die niemals zu harsch austariert werden, um die psychische Gratwanderung zu untermalen. Dass sich Julia alsbald auffällig in die Mutterrolle schleicht, während sie sich um die anfangs noch völlig Fremde kümmert, wird schnell klar, doch mit welch sinnigen Szenen, auch in unschönen Bereichen, Auburn dies aufzeigt, ist ebenso mutig wie manchmal etwas sperrig.
Und dann gibt es das Mysterium obendrauf, welches hier ebenfalls nicht zu arg ausgespielt wird. Dass Louise prinzipiell die verschwundene Tochter sein könnte, drängt sich auf und jeder neue Hinweis, oftmals nur dank dezenter Dialoge und Kameraschwenks, erhärtet den Verdacht. Trotzdem steht gerade dieser Konflikt weniger im Mittelpunkt der Erzählung, auch wenn er immer wieder sanft thematisiert und gegen Ende sehr passend zu einem Schluss gebracht wird. Viel mehr interessiert sich Regisseur Auburn für Julias psychisches Innenleben und wie sie versucht, den Verlust ihrer Tochter mit dem Eintreten einer jungen Frau zu kompensieren, welche förmlich als Ersatz herhalten muss. Das ist ein spannender Konflikt, der auch über den gesamten Film trägt. Vielleicht ist "Das Mädchen im Park" in seiner zweiten Hälfte, die ab und zu etwas schwammig anmutet, etwas zu lethargisch und auch die Nebenfiguren kommen dabei nicht so richtig gut weg. Wahnsinnig elektrisierend dafür das gemeinsame Spiel von Sigourney Weaver und "Still Alice"-Star Kate Bosworth, die in ihren Rollen wahrhaft gänzen, ohne dabei dramaturgisch zu überzeichnen.

Fazit: "Das Mädchen im Park" ist ein spannendes Drama, welches sich besonders auf ein clever gezeichnetes Psychogramm rund um eine traumatisierte Mutter konzentriert. Weaver und Bosworth glänzen in den Hauptrollen.

Note: 3+





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