Vor acht Jahren kamen während eines Terroranschlags auf eine Passagiermaschine über hundert Menschen ums Leben. Der Fall gilt eigentlich als abgeschlossen, als der damals in die Mission involvierte Agent Henry Pelham (Chris Pine) plötzlich von seinem Vorgesetzten Vick Wallinger (Laurence Fishburne) darüber informiert wird, dass die Attentäter wohl eine Connection zu einem der Agenten hatten. Deswegen soll Pelham sowohl seinem ehemaligen Kollegen Bill Compton (Jonathan Pryce) als auch Celia Harrison (Thandiwe Newton) auf den Zahn fühlen - mit letzterer arbeitete Pelham damals nicht nur zusammen, sondern hatte auch eine romantische Beziehung zu ihr. Bei einem gemeinsamen Abendessen soll Pelham Harrison zu den damaligen Vorfällen befragen und die letzten Geheimnisse aufdecken...
Dieses Abendessen, in welchem sich die beiden Hauptfiguren wiederfinden, ist letztendlich der Dreh- und Angelpunkt des Spionage-Thrillers, der vor wenigen Tagen exklusiv auf dem Streamingdienst Amazon Prime veröffentlicht wurde. Immer wieder kehren wir zu den beiden zurück, während die Ereignisse aus dem Jahr 2012 als Rückblenden eingestreut werden - dabei sehen wir auch einige Szenen mehrmals, sodass sich das wahre Geheimnis um das grausame Attentat sowie die Beteiligung einer gewissen Person nach und nach zusammenfügen. Das klingt im Kern nach einem spannenden Thriller, der das Publikum mit überraschenden Wendungen bei Laune halten kann. Leider mag das "Der Anruf" (der Original-Titel "All The Old Knives" ist wie gehabt sinniger und stimmiger) aber nicht wirklich gelingen, da er sowohl durch seine gemächliche Inszenierung als auch durch sein durchsichtiges Storytelling nie richtig in Schwung kommen mag. Gerade die zentralen Szenen in einem schicken Restaurant stechen durch ihre aalglatte Optik negativ hervor und können dem ansonsten düsteren und fordernden Film keine eigene Note abverlangen.
Doch auch die Rückblenden sind erstaunlich bieder inszeniert - es fehlt an einem gekonnten Spannungsaufbau, dem nötigen Tempo, cleveren Verästelungen und auch an einer gewissen Dramatik. Obwohl die Ausgangslage rund um einen verheerenden Terroranschlag eine Steilvorlage für in die Magengrube treffende Hochspannung und brutale Dramatik gewesen wäre, inszeniert Regisseur Janus Matz Pedersen diese bezeichnend kühl. Weder in den flachen Dialogen noch in den bemüht wirkenden Puzzleteilen kommt dabei wirkliche Finesse oder Spannung auf und man spürt förmlich, dass "Der Anruf" auf einen einzigen, großen Kniff im Finale hinläuft. Bis dieser irgendwann kommt, ist aber auch noch eine beträchtliche Zeit von achtzig Minuten zu füllen und diese bestehen dann zumeist aus mauem Leerlauf sowie dem üblichen Auswerfen von falschen Fährten, die sehr schnell als solche zu erkennen sind. Das liegt daran, dass das man relativ schnell erahnen kann, wer denn nun hinter dem Verrat steckt... einzig das "Wieso" sorgt hier für eine ziemlich gelungene Überraschung, welche die finalen Minuten dramaturgisch gewichtiger machen.
Da die Figuren an und für sich aber eher blass und funktional bleiben, mag man mit ihnen selbst im dramatischen Showdown nicht wirklich mitfiebern. Da werden sogar hochdatierte Könner in farblosen Nebenrollen verbraucht, was durchaus schade ist. Wo Jonathan Pryce in seiner kleinen Rolle noch manch einen Akzent setzen kann, hat "Matrix"-Star Laurence Fishburne im Grunde gar nichts zu tun und muss daher auch nur eine grimmige Miene in die Kamera halten, um seinen Gehaltsscheck zu erhalten. Im direkten Vergleich bekommen Chris Pine und Tandiwe Newton in den zentraleren Rollen durchaus mehr Gelegenheiten, um zu glänzen und besonders "Star Trek"-Star Pine vermag diese dann auch in einer energetischen Performance zu verwandeln. Das Drehbuch wirft den beiden aber vermehrt Steine in den Weg, sodass beiden Figuren am Ende eine arg bemühte Beziehungs-Kiste um die Ohren gehauen wird, die bewegend sein soll, aber viel zu gewollt wirkt, um wirkliche Gefühle zu wecken. Letztendlich steckt in "Der Anruf" quasi eine Blaupause für einen mindestens guten Thriller, die hier aber zu nicht mehr genutzt wird als dem ABC des Genres, ohne echte Innovationen, mit spürbaren Tempo-Problemen und allerlei verpassten Chancen.
Fazit: Ein müder und bemüht wirkender Thriller, der seine überraschende Schluss-Auflösung zwar solide verwandelt, den Weg dahin aber nur sehr mühselig nehmen kann. Trotz eines gut aufgelegten Chris Pine und einer auf dem Papier spannenden Ausgangslage kann "Der Anruf" kaum mehr als halbgare Genre-Ware bieten.
Note: 4+
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