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Irresistible - Unwiderstehlich

Sicherlich hätte der Politberater Gary Zimmer (Steve Carell), der zuletzt nach dem Wahlkampf für Hillary Clinton gegen ihren Konkurrenten Donald Trump eine herbe Schlappe hinnehmen musste, niemals damit gerechnet, einmal vom schnellebigen Washington in das verschlafene Städtchen Deerlaken zu gehen. Über ein Internetvideo wird er dort jedoch auf den Veteranen Jack Hastings (Chris Cooper) aufmerksam, der eine energetische Rede vor dem Stadtrat hält. Zimmer ist überzeugt, dass er Hastings als Bürgerzimmer des kleinen Städtchens aufbauen und diesen Swing State somit zu einem Zentrum der Demokraten machen kann, um sich zukünftig besser für die Wahlen aufzustellen. In Deerlaken angekommen merkt Zimmer jedoch schon früh, dass er mit seinen ganz eigenen Vorstellungen gegen die Mauern der Einwohner anspielt...

Ehrlich gesagt habe ich sowohl nach dem Trailer als auch nach den ersten Informationen eine ziemlich bissige Polit-Satire erwartet. Tatsächlich schlägt "Irresistible" dann zwar auch in jede erdenklich mögliche Richtung aus und teilt eine ganze Menge Seitenhiebe aus - sowohl gegen Republikaner als auch gegen Demokraten. Diese Anspielungen auf unsere heutige, schwierige Welt und den vier Jahren, in denen Donald Trump als Präsident der Vereinigten Staaten für grausame Unruhe sorgte, wirken jedoch nicht nur ziemlich überzogen, sondern passen auch tonal kaum zum Rest des Films, der sich nie wirklich entscheiden kann, was er denn nun eigentlich sein will. Über weite Strecken funktioniert das Werk nämlich als recht herkömmliche und zahme "Fish out of Water"-Geschichte, in welcher sich der von Hotelzimmern und perfektem Internetempfang verwöhnte Gary Zimmer plötzlich an das wesentlich langsamere und ruhigere Leben in einem Dorf gewöhnen muss. Dort stößt er mit seinen ständigen Flüchen und seiner rastlosen Energie schnell an seine Grenzen, was hin und wieder für manch einen angenehmen Lacher sorgt, aber in der Tat eher zahm bleibt. 
Die Charaktere scheinen dabei weitestgehend aus der Klischeekiste zu stammen und die Macher schienen sich uneinig darüber zu sein, ob diese als überzeichnete Comedy-Schablonen oder doch als herzliche, menschliche Figuren auftreten wollen. So beißen sich die schrille Republikaner-Wahlhelferin Faith, gespielt von "Plötzlich Familie"-Star Rose Byrne, und die wesentlich gesitteteren Recken rund um Chris Cooper, Mackenzie Davis und Co. um die Wette, während der großartige Steve Carell sogar einen echten Spagat zwischen diesen beiden Comedy-Genres vollbringen muss: Auf der einen Seite ein zwar manipulativer, aber auch mit echtem Herz agierender Polit-Stratege, der ein echtes Ziel hat und sowohl die Menschen als auch deren Geschichten in Deenlaken zu schätzen lernt. Auf der anderen Seite die übliche Comedy-Nummer Carrels, in welcher er in undankbarem Slapstick agieren muss, Grimassen zieht und sogar für ein paar ganz infantile Gags herhalten muss. Als Zuschauer ist man dabei immer wieder verwirrt, wie rasch der Ton von "Irresistible" umschlägt und dabei keinen überzeugenden Bogen schlägt - von einer manchmal ziemlich cleveren Politsatire, die mit den ziemlich miesen Methoden der Berater und Politiker aufräumt und diesen den Spiegel hochhält; über ein herzliches Drama mit ein paar sehr drolligen Figuren; und schließlich hin zu einer unlustigen Haha-Komödie.
Sicher, auf jeder dieser Seiten holt der Film hin und wieder seine Punkte und ein letzter, großer Twist gegen Ende hat mich tatsächlich mehrheitlich überrascht und gibt "Irresistible" eine recht klare Note. Zuvor mäandert der Film aber unentschlossen und ziemlich wirr zwischen verschiedenen Genres hin und her und verwässert dabei seine eigentlich interessanten, gar nicht mal so einseitigen Aussagen. Trotz solider Darstellerleistungen bleibt also abschließend zu sagen, dass die Macher zwar an und für sich gute Ideen hatten und dass das, was sie erzählen wollen, an und für sich richtig und wichtig ist - das gilt auch für die abschließende Message, die einem kitschigen Wohlfühl-Ende mit der richtigen Balance ausweicht. Was daraus jedoch am Ende wurde ist ein ziemlich merkwürdiger Hickhack, bei dem offensichtlich mehrere Köche den Brei verdorben haben, sodass sich der Film am Ende, in seinem Bemühen, es allen recht zu machen, zwischen die Stühle setzt. Das fühlt sich dann doch reichlich unbefriedigend an und wirkt auch aufgrund der behäbigen Inszenierung eher einschläfernd als wirklich erhellend. Schade, denn irgendwo in diesem Drehbuch und in der Grundidee der Geschichte steckte eigentlich ein wirklich schöner Film.

Fazit: "Irresistible" möchte über eine scharfe Politsatire, ein gefühlvolles Drama und eine überzeichnete Gaga-Komödie möglichst viele Genres abgrasen und wirkt dabei tonal wie ein völliges Durcheinander. Die Message ist an und für sich richtig, wird jedoch durch allerlei Klischees und merkwürdige Drehbuch-Entscheidungen arg verwässert.

Note: 4+



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