Der fünfzehnjährige Kinderschauspieler Gary Valentine (Cooper Hoffman) lernt an seiner Schule die zehn Jahre ältere Alana Kane (Alana Haim) kennen, die dort für einen Tag als Fotografin arbeitet und verliebt sich förmlich sofort in sie. Alanas erste Abweisungen aufgrund des großen Altersunterschiedes möchte Gary nicht hinnehmen und überredet sie zu einem Treffen, woraus in den folgenden Monaten eine Romanze mit allerlei Aufs und Abs folgt. Alana begleitet Gary auf einen Gig nach Los Angeles und arbeitet schließlich auch mit ihm zusammen in seiner eigenen Werbeagentur. Während sie gemeinsam versuchen, ein spezielles Geschäft mit modern gewordenen Wasserbetten aufzubauen, wird ihre gegenseitige Liebe jedoch immer wieder auf die Probe gestellt - von Nebenbuhlern, dem Showbusiness oder auch mal der eigenen Pubertät...
Der neue Film von Regie-Mastermind Paul Thomas Anderson, der in diesem Frühjahr für drei Oscars nominiert wurde, erzählt in vordergründiger Hinsicht eine förmlich herzerwärmende Liebesgeschichte. Besonders in der ersten Hälfte weiß "Licorice Pizza" dank schneidiger Dialoge, sehr viel Charme, einer wahnsinnig gekonnten Inszenierung und dem aufgeweckten, lebensnahen Spiel der beiden noch weitestgehend unbekannten Hauptdarsteller*innen durchweg zu überzeugen. Wir werden durch allerlei praktische Details in die Zeit der 70er Jahre entführt, wobei Anderson seine Geschichte aber genauso gut auch heute hätte erzählen können, denn diese war damals ebenso zeitlos wie sie es heute ist. Durch die Verlagerung der Geschichte ins Los Angeles der 70er bekommen wir so aber ein paar sehr feine Aufnahmen der Stadt der Engel sowie eine gewisse, stimmige Atmosphäre, wobei im Hintergrund auch diverse politische und historische Momente der amerikanischen Geschichte einfließen und die Charaktere und die Handlung beeinflussen. Das geschieht weitestgehend unaufdringlich und mit einem gekonnten Händchen für den Szenenaufbau, was den Film über weite Strecken zu einer sehr flotten Angelegenheit macht.
Aber eben nur über weite Strecken, denn auch hier verfällt Anderson wieder seinem seit jeher bekannten Muster, dass er seine Geschichten ziemlich ausladend erzählen möchte. Was bei solch breiten Erzählungen über mehrere sich gegenseitig tangierende Charaktere wie "Magnolia" noch herausragend funktioniert, offenbart hier jedoch merkliche Schwächen. Gerade in der zweiten Hälfte unternimmt "Licorice Pizza" etliche Abzweigungen, von denen die meisten in dieser Form nicht nötig gewesen wären, da sie den Film unnötig zu strecken scheinen. Noch ein weiterer Streit, wieder eine Versöhnung und ein neuer Arbeitsplatz - weder wird die herzliche Message des Films dabei deutlicher gemacht noch gewinnt er dabei in irgendeiner Form an mehr Substanz. Zwar bekommen wir dank dieser ständigen Abzweigungen und für die Haupthandlung vernachlässigbarer Einzelmomente den wohl lustigsten Auftritt von Bradley Cooper seit langer Zeit zu sehen, der tatsächlich ein wahres Highlight eines ohnehin schon ziemlich guten Films darstellt. Doch darüber hinaus entwickelt sich "Licorice Pizza" in seinen bisweilen arg zerfaserten Handlungssträngen auch zu einer etwas zähen Angelegenheit, worüber die hervorragend aufgelegten Stars nicht immer hinwegtäuschen können.
Was jedoch in jeder Minute dieses überlangen Films absolut mitzureißen weiß, ist die butterweiche, förmlich sogartige Inszenierung des Regisseurs. Die grobkörnigen Bilder, hier noch auf gutem, altem Film gedreht, fangen die 70er-Atmosphäre hervorragend ein, Schnitt und Kamera sind von meisterhafter Qualität und die Aneinanderreihung verschiedener Szenen gelingt makellos, da Anderson stets weiß, wie er den Momenten und den Übergängen den letzten feinen Schliff verpassen muss. Verneigen muss man sich auch vor der Musikauswahl, die hier in vielen Szenen das letzte Tüpfelchen darstellt und diese Momente wahnsinnig gekonnt untermalt. Da verzeiht man dem Werk sogar noch einige herbe Längen in der zweiten Hälfte, da man sogar in diesen Momenten durch Musik, Bild und den gewissen Charme bei Laune gehalten wird. Trotzdem hätte ich von Anderson diesmal ein wenig mehr erwartet, denn auch wenn ich längst nicht mit allen seiner Filme etwas anfangen kann (so zum Beispiel mit "Inherent Vice", den ich absolut furchtbar fand), so wäre hier mit ein wenig mehr Gebrauch der Schere doch noch mehr drin gewesen. Denn so verpasst "Licorice Pizza" es, eine kurzweilige und herzliche Liebesgeschichte zu sein und scheitert zeitgleich daran, mit mehr Material noch mehr sein zu wollen.
Fazit: Die erste Hälfte von "Licorice Pizza" erzählt eine unverschämt charmante, wahnsinnig herzliche Liebesgeschichte, in der zweiten Hälfte verliert der Film jedoch seinen Fokus. Obwohl die grandiose Inszenierung und das tolle Haupt-Paar niemals ihren Reiz verlieren, zerfasert die im Kern simple Erzählung später zu sehr in puren Selbstzweck.
Note: 3+
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