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Moulin Rouge (2001)

Im Jahr 1899 trifft der mittellose Schriftsteller Christian (Ewan McGregor) in Paris zufällig eine amateurhafte, aber herzliche Gruppe aus Künstlern, die gerne ein eigenes Stück auf die Beine stellen wollen. Christian wird als Autor des Werks angeheuert, welches bestenfalls im "Moulin Rogue", einer prunkvollen Location im Herzen Frankreichs, vorgestellt werden soll. Da Christian als Autor jedoch leidlich unbekannt und Harold Zidler (Jim Broadbent), der Betreiber des Moulin Rogue, schwer zu überzeugen ist, bedienen sich die Künstler eines Tricks: Verkleidet als englischer, reicher Schriftsteller soll Christian dem Star der Location, der wunderschönen Satine (Nicole Kidman), vorgestellt werden. Dumm nur, dass mit dem "Duke" (Richard Roxburgh) bereits ein echter, reicher Mann ein Auge auf die Schönheit geworfen hat...

Während den ersten fünfzehn Minuten dieses Films habe ich mit glasigen Augen den Bildschirm angestarrt und mich mehrfach gefragt, was zur Hölle ich mir hier gerade ansehe. Ich fragte mich, wo die zahllosen, jauchzenden Kritiken herkamen, woher all die Oscarnominierungen und woher der kultige Ruf dieses Werks. Was ich wirklich sah, war nur ein Rausch von künstlichen Farben, verbunden in einem vollkommen überzogenen Schnitt, der im Grunde nichts mehr von den aufwendigen Choreographien, denen "Australia"-Regisseur Baz Luhrmann hier gewaltig fröhnt, erkennen ließ. Alles war drüber, alles war albern, nichts davon wirkte echt und ich brauchte sehr lange, um irgendwie in die Geschichte hineinzukommen, etwas für die Charaktere zu empfinden. Zumindest die Musical-Nummern werden im weiteren Verlauf des Films, wenn sich die unsaubere und gar absolut hektische Inszenierung irgendwann fängt und diese Stücke atmen lässt, deutlich besser. Wie Luhrmann hier Pop- und Rockklassiker der Musikgeschichte sowohl umdichtet als auch neu interpretiert, sodass sie in große Balladen und schlichtweg bildsprengende Massenszenen verwandelt werden, das hat ein tolles Fingerspitzengefühl und liefert dabei Bilder und Ton in Perfektion.
Die Geschichte, die diese großen, prunkvollen Settings umgarnt, hat mich jedoch nicht überzeugt. Weder bekam ich ein Gefühl für die kitschige Liebesgeschichte zwischen Christian und Satine noch haben mich die schrulligen Nebenfiguren in ihren überzeichneten Dialogen wirklich in den Bann ziehen können. Am Ende ist "Moulin Rogue" in einem Wechsel zwischen völlig überdrehter Klamotten-Comedy und tragischer, düsterer Liebesgeschichte eben doch nur ein einseitig erzähltes Märchen. Das wäre gerade bei diesem Genre und dieser Art Film, die ja irgendwie zeitlos sind, nicht so schlimm, wenn denn trotzdem eine Art wahres Herz aus der Geschichte sprechen würde. So wie die Bauten, die wilden Kamerafahrten und die Greenscreen-Effekte wirken aber auch die Charaktere unecht und sie verhalten sich auch so, sprechen exakt so. Als ein Theaterstück auf einer Bühne, mit melodramatischen Einschüben, würde das Ganze vielleicht funktionieren, doch da sich "Moulin Rogue" in seiner Kinofassung bezeichnend ernstnimmt, passen solcherlei überkandidelte Albereien und die bedeutungsschwangeren, überkitschten Dialoge nicht wirklich rein.
Es ist also ein reichlich merkwürdiger Film, den wir hier sehen, der aber ganz offensichtlich genau aus der DNA besteht, die Baz Luhrmann haben wollte. Und es sei dem Regisseur natürlich gegönnt, dass er hier sein ganz eigenes Werk erschaffen durfte, ohne ständige Einmischungen des Studios, sperrig, ganz neuartig und speziell. Dementsprechend spürt man Herz und Leidenschaft in jeder Einstellung und auch die Darsteller geben sich ordentlich Mühe. Für mich hat jedoch nicht die oscarnominierte Nicole Kidman die erinnerungswürdige Performance des Films dargebracht, sondern der brillante Jim Broadbent: Wie sich der spätere "Harry Potter"-Star in schrulliger Komik und grandiosen Gesangsdarbietungen anbietet, das ist schlichtweg umwerfend komisch und als einziger findet er dabei auch noch die kleinen, emotionalen Töne seiner Figur. Über zwei Stunden hinweg ist das aber deutlich zu wenig für einen Film, der am liebsten gleich alles auf einmal wäre: Alberne Groteske, episches Musical, großes Liebesdrama, Komödie und Thriller. Das ist alles drin, ergibt aber zu keinem Zeitpunkt eine sinnige Symbionte. So wird "Moulin Rouge" zu einer eigenwilligen, skurillen Nummernrevue, die ihre Künstlichkeit nie abstreifen kann, was mal Sieg und mal Verlust ist. Es gibt Szenen von grandioser Kreativität, aber auch eine Menge Leerlauf und banale Plotvehikel.

Fazit: "Moulin Rogue" ist kreativ, energiegeladen und vollkommen abgedreht - das aber nicht immer zum Guten. Skurille, gut gelaunte Musicalnummern und ein herausragender Soundtrack beißen sich mit der leeren Liebesgeschichte und der Künstlichkeit, der Überinszenierung, die gar Kopfschmerzen verursachen kann. Nicht ohne Herz, aber dennoch einer der überschätztesten Filme der letzten dreißig Jahre.

Note: 4+



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