Direkt zum Hauptbereich

The Witch

Geht der Mainstream-Zuschauer für einen Horrorfilm ins Kino, will er gegruselt werden... dafür braucht er einige nette Jumpscares, vielleicht einen herumpolternden Geist, mal einen hohen Bodycount und ein heftiges Sounddesign. Dass es jedoch auch andere Wege gibt, das Publikum zu schocken, bewies das Horrorkino schon öfters, stieß abseits der begeisterten Kritiker aber auch auf taube Ohren. Wenn der Horrorfilm etwas abseits des Mainstreams wagt, watscht der Normalzuschauer dies gerne ab - so geschehen zuletzt bei dem starken "mother!" und auch bei "Hereditary", den ich zumindest interessant wenn auch nicht extrem gut fand. Auch "The Witch" wurde während seiner Kinolaufzeit von Horrorfans zerrissen, während Kritiker angesichts der mutigen Wege, die der Film geht, vor Freude jauchzten - hier liegt die Wahrheit, zumindest meine eigene Ansicht davon, jedoch tatsächlich in der Mitte.

THE WITCH


Um das Jahr 1630 wird die Familie des Vaters William (Ralph Ineson) aus der puritanischen Gemeinde verstoßen. Gemeinsam mit seiner Frau Katherine (Kate Dickie), den Töchtern Thomasin (Anya Taylor-Joy) und Mercy (Ellie Grainger) und den drei Söhnen Caleb (Harvey Scrimshaw), Jonas (Lucas Dawson) sowie dem Neugeborenen Samuel (Axtun Henry & Athan Conrad Dube) zieht William auf eine kleine, einsam am Wald gelegene Farm. Dort geht Samuel verloren und die Familie glaubt in Trauer, ein Wolf hätte das Kind geholt. Schon bald verschreckt die älteste Tochter Thomasin ihre Geschwister mit einer Geschichte über eine Hexe im Wald... ihre Flunkerei soll schon bald gewaltige Folgen haben.

Man kann schon verstehen, wieso "The Witch" den Otto-Normal-Zuschauer, der mit nicht weniger starken, dafür aber deutlich leichter zu goutierenden Horrorwerken wie "Scream" und "The Conjuring" groß geworden ist, mit "The Witch" nichts anfangen kann. Es ist kein normaler Horrorfilm, den wir hier zu sehen bekommen - über weite Strecken fehlt gar der Horror. Stattdessen bemüht sich Regisseur Robert Eggers, ein durchaus glaubhaftes und akkurates Bild der damaligen Zeit aufzubauen und dabei religiösen Fanatismus, Neurosen, Zwänge und den Glauben an das Okkulte und Hexen ins Bild zu rücken. Das ist dann zumeist realistischer als man glauben mag und besitzt insbesondere im Sinne des extremen Familiendramas, welches langsam anschwellt um dann umso ungeheuerlicher zu explodieren, viel Intensität. 
Eggers ist sich dabei auch der Ausdrucksstärke seiner großartigen Bilder bewusst - er spielt mit Licht und Schatten, mit spärlicher Ausleuchtung, bleichen Farben und schaurigen Großaufnahmen, wobei er besonders während der letzten fünf Minuten einige Bilder erschafft, die so grausam komponiert direkt aus der Hölle stammen könnten. Hier trifft Eggers den Zuschauer, sofern er sich denn auf das Werk einlassen möchte, bis ins Mark und braucht dafür keine Jumpscares oder überbordenden Splatter: Er braucht großartige Bilder, einen grandios-verstörenden Soundtrack und genau den richtigen Reiz zu einer unangenehmen, düsteren Atmosphäre. 
Noch dazu trifft er gerade beim amerikanischen Publikum einen empfindlichen Nerv, waren Themen rund um die Hexenverfolgung doch bei ihren Vorfahren ein wichtiges Indiz - eines, für dass man sich heute schämen muss. Tatsächlich vereint Eggers in einem simpel erscheinenden Horrorfilm gleich mehrere Genres, was nicht immer ganz galant wirkt, dabei aber trotz des sehr gemächlichen Tempos seine Wirkung nicht verfehlt. Sicher, der Film hat seine Längen und braucht gerade in der ersten Hälfte doch recht lange, bis er seine volle Wirkung entfalten kann. Und auch später muss ich zugeben, dass es mir schwerfiel, einen richtigen Zugang zu der doch sehr speziell anmutenden Geschichte zu finden, die sich den Konventionen des Genres verweigert und dabei einen Film im Kopf des Zuschauers auslöst - einen, der dabei womöglich schockierender ist als alles, was auf dem Bildschirm zu sehen ist. 
Ich kann daher nicht sagen, dass mir "The Witch" gefallen hat, denn dafür waren die Eindrücke bisweilen doch etwas träge, auch wenn ich Eggers' Ansatz interessant finde. Im Kern bleibt es jedoch, trotz all der akkuraten Authentizität wahrer Akten und Briefe, eine Hexengeschichte, die auch zu selten gruselt und in Sachen Plot nun auch keine Bäume ausreißt. Somit ist der bildliche Stil, neben den herausragend agierenden Schauspielern (unter anderem "Split"-Star Anya Taylor-Joy und "Harry Potter"-Fiesling Ralph Ineson), der Star... was vielleicht doch nicht genug ist für einen der meist beachteten Horrorfilme der letzten Jahre. Wenig ist es aber, das muss man klar anfügen, sicherlich auch nicht.

Fazit: Manch eines der hervorragend komponierten Bilder, im Zusammenspiel mit dem markerschütternden Soundtrack, könnte direkt aus der Hölle stammen. Ansonsten verweigert sich Robert Eggers den Genrekonventionen und liefert ein interessantes Experiment ab, zu welchem ich nicht immer einen Zugang gefunden habe.

Note: 3




Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid