Direkt zum Hauptbereich

Eine Orgie und sieben andere Episoden: Serienkritik zur dritten Staffel von "The Boys"

Seit der Neutralisierung der rechtsextremen Superheldin Stormfront (Aya Cash) ist rund ein Jahr vergangen und die Welt hat sich seitdem friedlicher weitergedreht. Die Wege der Gefährten rund um William Butcher (Karl Urban) haben sich teilweise getrennt - der knallharte Killer arbeitet jetzt gar unter dem Kommando von Hughie (Jack Quaid), der sich der Politikerin Victoria Neuman (Claudia Doumit) angeschlossen hat. Diese birgt jedoch ein finsteres Geheimnis, welches Hughie alsbald in große Gefahr bringen könnte. Und auch Starlight (Erin Moriarty) muss sich weiter fürchten, obwohl sie beruflich innerhalb der "Seven" immer weiter aufsteigen kann. Dies geschieht jedoch ganz gegen den Willen von Homelander (Anthony Starr), der nach Stormfronts Schicksal immer labiler zu werden droht, sich jedoch noch nicht von den Fesseln befreien kann, die Vaught-Vorsitzender Stan Edgar (Giancarlo Esposito) ihm immer enger anlegt...

Wer sich wundert, dass die kurze Story-Zusammenfassung im Grunde fast nur aus einer Rekapitulierung des Status Quo besteht, an welchem wir uns zum Ende der zweiten Season befanden, dürfte letztendlich ein wenig enttäuscht darüber sein, dass das auch fast schon alles ist, woraus die ersten Folgen der langerwarteten dritten Staffel von "The Boys" besteht. Denn das, was man mit der zweiten Season zumindest schon ganz leise befürchten konnte, tritt nun vollends ein - die Geschichte dieser Show bewegt sich mit zahlreichen Wiederholungen und dem immergleichen Wiederkäuen der Probleme von altbekannten Figuren im Schneckentempo fort und scheint nicht mehr genug Mut aufbringen zu wollen, hier noch einmal wesentliche Änderungen am Konzept durchzuführen. Man spürt, dass nicht nur ein Großteil der kultigen Figuren mittlerweile auserzählt ist (was dazu führt, dass sie in die immergleichen Konflikte geführt werden)... sondern auch die Grundidee an sich, sofern sich an dieser nicht irgendwann noch etwas ändert. Dementsprechend liefert uns die dritte Staffel absolut nichts Neues, sondern nur noch mehr vom Bekannten und da der Überraschungsfaktor mittlerweile einfach fehlt, ist das trotz der Dauereskapaden durch all diese schrillen Figuren stellenweise sogar ziemlich lahm.
Dass man die meisten der Figuren mittlerweile ins Herz geschlossen hat, hilft nur zeitweise - dramatische Geschichten rund um Marvins Familie oder die noch immer ungemein rührend erzählte Lovestory von Kimiko und Frenchie funktionieren noch immer, bewegen sich aber ebenfalls nicht so richtig fort. Noch schwieriger sind es unter den zentralen Superhelden-Figuren aus, von denen sich insbesondere der durchgeknallte "Homelander" nun gar nicht mehr entwickeln darf und im Grunde nur noch von einem psychopathischen Zusammenbruch zum nächsten hechtet. Aufgrund einer wahrlich angsteinflößenden Performance des genialen Anthony Starr ist das zwar weiterhin sehr unterhaltsam, trotzdem ist es schade, dass den Machern nichts Neues zu der Person eingefallen ist. Und gleiches lässt sich dann auch fast durchgehend über Charaktere wie The Deep, Hughie und sogar Butcher sagen, die trotz ihrer persönlichen Dramen einfach durchweg auserzählt wirken. Das Drehbuch muss sich dann schon gewaltig strecken, um sie alle irgendwie noch organisch in der Story zu halten und kann dabei nicht verhehlen, dass eine Frischzellenkur dringend angebracht wäre, um "The Boys" weiterhin überraschend und neuartig zu halten.
Um weiterhin den Wahnsinn zu bieten, den sich Fans von einer Serie wie dieser versprechen, müssen die Autor*innen noch tiefer in die Tasche greifen. Dementsprechend gibt es absolut verrückte, ekelerregende und groteske Szenen zu sehen, die noch einmal deutlich brutaler und auch unkorrekter ausfallen als zuvor. Wie bereits in der zweiten Staffel können diese Szenen aber nur selten einem Selbstzweck entgehen: Eine bereits in der Promo-Phase gigantisch angekündigte Riesen-Orgie ist hier zwar für allerlei Schocks und eklige Gags gut, hat mit der eigentlichen Geschichte aber nun mal so gar nichts zu tun. Die Lücke zwischen absurdem und kreativem Wahnwitz und der Weitererzählung des Plots klafft mittlerweile noch größer, weswegen "The Boys" unter dem enorm großen Figurenensemble, welches immer drastischer anwächst, und all den einzelnen Plots nachhaltig zerfasert. Die Grundidee bleibt genial und die fiesen Seitenhiebe gegen das Fernsehen, Social Medias, Stars und besonders die Politik sind nach wie vor ein echter Gewinn. Das Gleichgewicht stimmt dennoch nicht mehr, was langsam aber sicher ein wenig düster stimmt... denn es scheint nicht, dass diese Serie noch zu ihren alten Glanzzeiten zurückfinden könnte.

Fazit: Die Geschichte bewegt sich im Schneckentempo und das oberflächliche Spektakel schockt mit allerlei grotesken Ideen, da es immer weniger im Dienste des Plots steht. Die Figuren faszinieren noch immer, dürfen sich aber kaum mehr weiterentwickeln, da zu wenig echte Wagnisse eingegangen werden. 

Note: 3



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid