Direkt zum Hauptbereich

Erschütternder True-Crime-Hit: Serienkritik zu Netflix' "Dahmer - Monster: Die Geschichte von Jeffrey Dahmer"

Im Jahr 1991 wird der damals einunddreißig Jahre alte Jeffrey Dahmer (Evan Peters) in seiner Wohnung festgenommen, nachdem zwei Polizisten diese durchsucht haben und dabei Mordutensilien sowie Fotos von zerstückelten Leichen auffanden. Kurz darauf gesteht Dahmer sechzehn Morde an zumeist schwarzen, homosexuellen Männern. Die schockierte Bevölkerung versucht zu verstehen, wieso Dahmers Morde zuvor nicht näher untersucht wurden, obwohl etliche Hinweise auf dessen Taten von seiner Nachbarin Glenda Cleveland (Niecy Nash) eingingen. Die Rekapitulation von Dahmers Leben zeigt dabei nicht nur, wie gnadenlos der Mörder vorging, sondern wie sehr der gesamte gesellschaftliche Apperat rund um die Politik und die Polizei versagte, wenn es um den Fall eines der erschütterndsten Serienmörders der amerikanischen Geschichte ging...

Dass Netflix Serien kann, das wissen wir schon lange und dass sie sich auch im True-Crime-Fach sehr wohl fühlen, hat der Streaminggigant bereits mehrfach bewiesen. Dass die zehnteilige Mini-Serie über das Leben des Serienkillers Jeffrey Dahmer, der über mehr als eine Dekade lang mehrere Männer brutal ermordete, missbrauchte und sie teilweise sogar verzehrte, ein echter Hit werden würde, stand also außer Frage. Und Netflix beweist mit Abstrichen zum wiederholten Male, dass sie in diesem Fach wirklich gut aufgestellt sind. Im direkten Vergleich sind die ersten Folgen, in denen wir mehrfach Zeuge von Dahmers grausamen Taten werden und zudem auch noch dezidiert erzählt bekommen sollen, wie er zu solch einem Monster werden konnte, noch die schwächeren. Die Spannungsspitzen sind zwar intensiv, meinen es aber manchmal doch etwas zu gut und die Hintergründe aus der Kindheit Dahmers erzählen uns im Grunde nichts Neues - Veranlagung, eine komplizierte Beziehung zu seinen Eltern, gesellschaftliche Einflüsse, Medien. Das alles ist durch die Bank weg stark inszeniert, doch bis zur Staffelhälfte dreht sich "Dahmer" in dem Drang, seine Titelfigur unbedingt druckfest durcherklären zu müssen, bisweilen auch ein wenig im Kreis.
Dabei ist anzumerken, dass es der Serie trotz so viel aufgewendeter Zeit nicht gelingt, Jeffrey Dahmer irgendwie greifbar zu machen. Das ist angesichts seiner Taten vielleicht auch mehr als gut so, doch da Dahmer selbst über weite Strecken der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist, fällt es schwer, einen richtigen, emotionalen Anker zu finden. Diesen liefert die Serie erst spät nach, wenn auch andere Blickwinkel erlaubt werden. Dabei werden teilweise ganze Episoden den Menschen gewidmet, die Beobachtungen zu Dahmers Taten erbringen konnten oder die ihm gar zum Opfer fielen. In den Folgen und Szenen, in denen sich "Dahmer" nicht nur auf die punktgenaue Erklärung eines kranken Geistes konzentriert, sondern darüber hinaus eine Geschichte des grausamen Scheiterns ganzer Apparate erzählt, sehen wir brillante Serienunterhaltung. Man erzählt uns etwas über tiefverwurzelten Rassismus, über Korruption und das Leid von tatenlosen Eltern, über Schuld und Unschuld und darüber, wie Gerechtigkeit erbracht werden könnte. Dass Jeffrey Dahmer schon sehr früh aus dem Verkehr hätte gezogen werden können, hätte man gewissen Leuten nur zugehört, sind deutlich erschütterndere und traurigere Erkenntnisse als eine sehr langwierige Blickrichtung in die Kindheit Dahmers, die letztendlich auch nur wenige Fragen beantworten kann.
Über Evan Peters' Darstellung wurde seit der Erscheinung der Serie viel geschrieben und es ist absolut fraglos, dass seine Performance über jeden Zweifel erhaben ist. Sicherlich ist es auch Peters' Verdienst, dass er dem Publikum so fernbleibt - sein Spiel ist schaurig, wahnsinnig intensiv und zu jeder Sekunde glaubwürdig, was diesen Killer nur noch angsteinflößender werden lässt. Deutlich weniger wurde jedoch über zwei Personen gesprochen, die letztendlich nicht zwingend die treibende Kraft der Serie darstellen (diese bleibt selbstverständlich Dahmer), aber dafür deren emotionales Zentrum und den Zuschauer*innen somit eine Identifikation bieten. Zum einen ist das "Nightmare Alley"-Star Richard Jenkins, der als Dahmers' Vater so viele emotionale Paletten abliefert, dass man von dieser Kunst schlichtweg fasziniert sein muss. Und zum anderen muss dabei Niecy Nash genannt werden: Die Geschichte der fassungslosen Nachbarin, welche die Behörden immer wieder auf Dahmers mögliche Taten aufmerksam machen wollte, die jedoch niemals ernstgenommen wurde, ist der emotionale Knackpunkt der Geschichte... und der Punkt, an welchem "Dahmer" gesellschaftlich ungemein aktuell und brisant wird. Nash agiert dabei so dermaßen gut, dass sie am Ende fast noch mehr in Erinnerung bleibt als Peters' furchterregende, eiskalte Performance.

Fazit: Spannendes Serienkiller-Portrait, welches bisweilen etwas zu lang in den austarierten Suspense-Momenten und eher zahnlosen Hintergrundberichten des Mörders lamentiert. Später werden neue Blickwinkel eröffnet und "Dahmer" wird als starke Miniserie auch gesellschaftlich relevant, klagt an und erschüttert auf ganz neuem Maße.

Note: 2-



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid