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Der Funke mag nicht ganz überspringen: Filmkritik zu "Corpse Bride - Hochzeit mit einer Leiche"

England im 19. Jahrhundert: Eigentlich soll der schüchterne Victor mit der ihm noch völlig unbekannten Victoria verheiratet werden - dadurch sollen beide Familien finanziell besser aufgestellt werden. Bei ihrem ersten Treffen, nur einen Tag vor der Hochzeit, erkennt Victor, dass Victoria tatsächlich die passende Braut für ihn sein könnte, vermasselt allerdings die Vermählungsprobe. Als er während einem Waldspaziergang die wichtigen Worte des Eheversprechens übt und dabei mit dem Verlobungsring hantiert, steckt er diesen etwas an den Finger, was er für einen Ast hält. Tatsächlich handelt es sich dabei jedoch um den skelettierten Finger der verstorbenen Emily... und diese nimmt dieses Eheversprechen so ernst, dass sie Victor sogleich ins Totenreich entführt, um dort mit ihm den Rest ihres Nachlebens zu verbringen.

"Corpse Bride" wurde nicht nur mit der weiterentwickelten Stop-Motion-Technik erschaffen, die Tim Burton bereits für den ebenfalls von ihm produzierten "The Nightmare Before Christmas" benutzte. Passend für das Jahr 2005 half man auch mit einer ordentlichen Portion CGI nach... und das Endergebnis kann sich auch siebzehn Jahre nach seiner Uraufführung mehr als sehen lassen. "Corpse Bride" sieht in seiner detailverliebten Umgebungsschau und bei den ausdrucksstarken Figuren immer noch absolut fantastisch aus, spielt mit knalligen Farben und vollkommen farbentsättigten Szenen (wobei ironischerweise die Szenen im Totenreich mit viel buntem Schnickschnack glänzen, während "unsere" Welt vollkommen grantig und leblos dargestellt wird) und ist somit ein echter Augenschmaus. Hinzu kommt ein wunderbarer Soundtrack von Musikmeister Danny Elfman - dieser kreierte auch die schmissigen Songs, die disney-like im Verlauf der Handlung angestimmt werden und sorgte somit für ein paar echte Ohrwürmer.
Und obwohl Burton nicht alleine verantwortlich für diesen Film war (er teilte sich den Regieposten mit seinem Kompagnon Mike Johnson), ist seine Handschrift selbstverständlich durchgehend zu spüren. Dies resultiert in einer skurillen und teilweise sehr grotesken Ausgangssituation, welcher es aufgrund seiner Charaktere aber nicht an Herz mangelt. Trotz allerlei makaberer Scherze und einigen sehr gruseligen Szenen (weswegen "Corpse Bride" auch nicht in die Hände jüngerer Kinder geraten sollte) ist die Geschichte durchaus spannend und streckenweise sogar regelrecht romantisch. Clever gerät auch der Kniff, mit dem Thema der Zwangsheirat ordentlich aufzuräumen, auch wenn ein solcher Film zur heutigen Produktionszeit sicherlich noch ein wenig deutlicher Position bezogen hätte. Trotz all dieser skurillen Momente und einem herrlichen Finale, in welchem Horror-Meister Burton alle Register zieht und noch mal ordentlich aufs Gaspedal tritt, verliert der Film niemals seinen Charme und nimmt allen voran seine drei Hauptfiguren ernst.
Und trotzdem wollte der Funke bei mir, ähnlich wie bei "The Nightmare Before Christmas" aus dem Jahr 1993, nicht so recht überspringen. So charmant und originell die Geschichte auch nicht, letztendlich war sie doch ein wenig zu vorhersehbar, um durchweg zu packen - und sein hohes Tempo erreicht der Film augenscheinlich auch nur deswegen, weil nach rund siebzig Minuten auch schon wieder der Abspann rollt. Zudem hatte ich ein großes Problem, mich wirklich mit der Hauptfigur des Victor anzufreunden, der doch etwas arg passiv in all die skurillen Situationen hineingeschoben wird und zudem im letzten Drittel einige Entscheidungen trifft, die wenig vorbereitet wurden und dementsprechend ein wenig merkwürdig und willkürlich anmuten. In der Originalversion erklingen dafür prominente Sprecher wie Burtons ewige Wegbegleiter Johnny Depp und Helena Bonham Carter, Emily Watson, "Charlie und die Schokoladenfabrik"-Star Christopher Lee und Michael Gough. Einige von ihnen scheinen mit den Charakteren durchaus zu verschmelzen, doch auch die deutsche Synchronisation, die mit den Stammsprecher*innen der Stars aufwartet, kann sich mehr als hören lassen.

Fazit: "Corpse Bride" ist exakt das, was man sich von einem Stop-Motion-Film unter der Regie von Tim Burton erwartet. Skurill, grotesk, makaber, dafür aber auch mit viel Herz und ehrlichem Charme. Trotz der etwas diffusen Hauptfigur, der im Kern vorhersehbaren Geschichte und der rasant-kurzen Laufzeit ein kurzweiliges Vergnügen mit dem gewissen Burton-Touch.

Note: 3+



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