Schon in jungen Jahren fällt Thomas Brasch (Albrecht Schuch) auf: Nach seinem Umzug in die DDR in den 50er Jahren möchte er sich, entgegen den Wünschen seines Vaters Horst (Jörg Schüttauf), als Schriftsteller einen Namen machen und rebelliert dabei schon früh gegen alle Grenzen, die ihm hinter der Mauer auferlegt werden. Seine Taten führen ihn letztendlich sogar ins Gefängnis, doch auch davon lässt sich Brasch nicht unterkriegen, schreibt in den folgenden Jahren über die Revolte, die unermüdliche Liebe und auch das Sterben. Als es ihm schließlich gelingt, allen Unkenrufen zum Trotz, die DDR mit seiner Frau Katarina (Jella Haase) zu verlassen, muss er jedoch erkennen, dass der Weg, für den er sich entschieden hat, auch auf der anderen Seite der Mauer ein wahrlich steiniger sein wird...
Dass Regisseur Andreas Kleinert keinerlei Intentionen dazu hat, sein Werk über das Leben des Autors Thomas Brasch auch nur in irgendeiner Form an den Mainstream anzubiedern, sieht man schon nach wenigen Minuten. Kleinert drehte den Film komplett in Schwarzweiß, was durchaus wirkungsvolle Bilder erschafft, in vielen Momenten aber auch wie eine etwas unnötige Kunstentscheidung wirkt - man sieht zumindest nicht, warum dieser Film in Farbe nicht genauso gut oder schlecht funktioniert hätte. Zudem sollen die unbedarften Zuschauer*innen durch die Episodenstruktur des Films gefordert werden - Kleinert springt wild durch die einzelnen Stationen in Kleinerts Leben, leistet sich Wiederholungen und Wiederkehrungen, kehrt erneut an Orte und Begebenheiten zurück, blickt weg und nach vorn. Das ist wahrlich kein leichter Stoff, der auch dementsprechend nicht versimpelt wird und zu dem es deswegen schwer fällt, einen Zugang zu finden.
Das liegt auch an der generellen Künstlichkeit eines Films, der eigentlich eine wahre und wichtige Geschichte erzählt. Immer wieder spürt man die eigentliche Schönheit des Werkes - die Bilder wirken wahnsinnig gut durchdacht, die Dialoge haben Sprühkraft, Kleinert erzählt von kleinen und großen Taten, von Ängsten und von einer historischen Epoche. Diese Szenen werden jedoch von einer arg künstlichen Inszenierung überschattet, die mehr Wert auf eine seltsame Kraft legt als auf eine spürbare Geschichte. So mag es brachial wirken, wie Brasch auf seine Schreibmaschine einhaut, um seine Worte zu Papier zu bringen - realistisch oder gar glaubwürdig mag es einem aber nicht erscheinen. Viel mehr bleiben uns die Figuren und der gesamte Film an sich merkwürdig fremd, als würden wir die Akteure auf einer Bühne beobachten. Das muss nichts Schlechtes sein und hat daher seine ganz eigene Form der Kraft, doch wirken die leisen, sensiblen Szenen neben denen des wahren Exzesses auch immer wieder sehr fremd.
Die ewigen Partyszenen in engen Wohnungen, ein weiterer Streit mit dem Vater, eine neue Liebesbeziehung, eine Nacht an der Schreibmaschine - "Lieber Thomas" wälzt sich in diesen Szenen, die durchaus Power haben, aber nicht wirklich zueinanderfinden. Was einen Film, der letztendlich eher anstrengt als erhellt, am Ende noch ein wenig zusammenhält, ist eine ganz starke Performance von Albrecht Schuch. Zwar neigt dieser hier erneut zu einem unangenehmen Overacting, was ich ihm bereits im überlangen "Berlin Alexanderplatz" ankreidete, und entfernt sich dabei von einer wesentlich sensibleren und nahbareren Herangehensweise wie im meisterhaften "Systemsprenger" - aber zu dieser Art Kunstwerk passt es irgendwie. Schuchs Darstellung ist ebenso exzessiv und sperrig wie der gesamte Film. Wir können ihn nicht greifen, nicht immer verstehen, er entflieht uns und ist immer weiter weg, bis er für ganz kurze Momente wieder näherkommt. Ebenso wie Brasch selbst hat auch "Lieber Thomas" nicht die Intention, als Film gemocht zu werden - vielleicht liegt es daran, dass ich zu keiner Minute einen richtigen Zugang zu diesem Werk gefunden habe, es mich gar überfordert und letztendlich kaltgelassen hat. Vielleicht war aber auch das wieder die Intention.
Fazit: Albrecht Schuchs Performance ist wild, ungezähmt und vollkommen fern - wie auch der ganze Film, der ein Kunstwerk sein will, seine Episodenstruktur überzieht und dabei mehr Fragen aufwirft als beantwortet. Sperrig ist dafür das perfekte Wort.
Note: 4+
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