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Im Krieg gibt es keine Helden: Filmkritik zur Neuverfilmung von "Im Westen nichts Neues" (2022)

Von den patriotischen Reden seines Lehrers lässt er sich hinreißen und fälscht anschließend sogar die Unterschrift seiner Eltern, die ihren Sohn nicht aufs Schlachtfeld ziehen lassen wollen: Der siebzehnjährige Paul Bäumer (Felix Kammerer) ist Feuer und Flamme, als er gemeinsam mit seinen Freunden während des Ersten Weltkrieges endlich ins nordfranzösische La Malmaison entsendet werden, um dort in den Schützengräben gegen die Franzosen zu kämpfen. Kurz nach ihrer Ankunft müssen sie jedoch erkennen, dass die Träume von Heldentum und Ehre nur noch Schall und Rauch sind - im Krieg wird bitter getötet, es gibt keine Reue, keine Menschlichkeit und erst recht keine Heldentaten. Über viele Monate kämpft sich Paul durch den Dreck und muss dabei erkennen, dass er sein Leben verlieren wird... ganz gleich, ob er irgendwann in seine Heimat zurückkehren wird oder nicht.

Die Neuverfilmung des Kriegs-Epos "Im Westen nichts Neues" darf als recht freier Neuansatz des Romans oder des Originals gelten. Tatsächlich hat man sich für den Film, der nächstes Jahr als Hoffnung für Deutschland in die Oscar-Saison starten wird, einige deutliche Freiheiten herausgenommen, um diesen nicht nur brisanter und aktueller zu gestalten, sondern auch die (ohnehin mehr als eindeutige) Message noch einmal mit einem fetten Ausrufezeichen zu versehen. Das Fehlen eines Heimurlaubs oder auch das Aussparen einer Ausbildung dient hier vorwiegend dazu, das Bild eines vollkommen sinnlosen, düsteren und hoffnungslosen Krieges zu gestalten, in denen Menschen nicht mehr sind als Fleischhaufen. Sie morden, weil man es ihnen befiehlt, sind dabei aber niemals auch nur ein Zünglein auf der Waage... denn die wichtigen Entscheidungen, die diesen Krieg voranbringen oder gar beenden können, treffen Menschen, die gar nicht auf dem Schlachtfeld anzutreffen sind. Mit der Etablierung einer historisch belegten Szenerie, in denen der Politiker Matthias Erzberger versucht, mit den "Feinden" eine Einigung zu erzielen, erschafft dabei ein makaberes und passendes Bild zur gesamten Thematik.
Auf der einen Seite die Männer, die genüsslich ihr wohltuendes Frühstück verspeisen, in perfekt gestriegelten Nadelstreifenanzügen herumlaufen und bei einer Tasse Tee die Lage besprechen - die Männer, die wirklich etwas ausmachen. Und auf der anderen Seite die mit Dreck und Blut beschmierten, zumeist sehr jungen Männer, die schreien und flehen und weinen, mit all ihren Taten aber im Grunde wenig bis gar nichts bewirken. Das ist ein ebenso passendes wie wahnsinnig bedrückendes Bild, welches man zwar auch deutlich subtiler hätte anfassen können, welches aber auch zu heutigen Zeiten, in denen ein Krieg in Europa wieder eine große Rolle spielt, eine erstaunliche Sogwirkung hat. Natürlich bleibt die Message des Films dabei immer gleich und im Kern ist es über zweieinhalb Stunden vielleicht auch zu wenig, dem Publikum die Grausamkeit des Krieges aufzuzeigen, was dieses aber ohnehin bereits verstanden hat. Denn wirklich tiefergehende Charakterzeichnungen bleibt man bei den marginal ausstaffierten Figuren auch schuldig und liefert darüber hinaus keine tiefere Dramaturgie ab als das schockierende Bild des Elends.
Aber was für ein Bild das ist: Dank eines großen Budgets vom Streaminggiganten Netflix konnte Regisseur Edward Berger wahnsinnig intensive Szenerien entwerfen, die sich hinter Steven Spielbergs Meisterwerk "Der Soldat James Ryan" kaum zu verstecken brauchen. Berger greift dabei zumeist auf echte Handwerksarbeit zurück und verzichtet auf unnötige, visuelle Spielereien, was die Ereignisse in und um den Schützengräben wahnsinnig realistisch macht. Brutal, gnadenlos und finster wird dabei ein Bild von der Sinnlosigkeit eines Krieges gezeichnet, in welchem es letztendlich nur noch um das eigene Überleben geht. Das ist inszenatorisch schon eine echte Güteklasse und wird auch von dem prominenten Cast passend getragen. Hauptdarsteller Felix Kammerer überzeugt als junger Mann, der früh erkennt, dass er sein Leben weggeworfen hat und sogar Albrecht Schuch, dessen letzte Leistungen ich oft als arg überspitzt empfand, kann hier als späterer Freund der Hauptfigur ganz starke Akzente setzen. Und dass unser deutscher Mann in Hollywood, "Rush"-Star Daniel Brühl, in seiner kleinen, aber wichtigen Rolle nichts anbrennen lässt, war ohnehin von vornherein klar. So fühlen sich die 148 Minuten dann auch nur selten ein wenig lang an, obwohl unterhalb der glasklaren Message gerne noch ein wenig tiefer und auch subtiler hätte gebohrt werden können.

Fazit: Für einen Film, dessen Message so klar und eindrücklich ist, hat dieses Remake darüber hinaus eigentlich zu wenig Substanz zu bieten und agiert fast zu simpel. Die eindrückliche Inszenierung zementiert jedoch die Sinnlosigkeit des Krieges schwer und bleibt so mit grausamen Bildern und schockierenden Szenen in Erinnerung.

Note: 3+



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