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Fällt aus dem Rahmen: Serienkritik zur zweiten Staffel von "The Boys"

Die Luft ist dünn geworden für Hughie (Jack Quaid), Marvin Milk (Laz Alonso), Frenchie (Tomer Capon) und Kimiko (Karen Fukuhara) - das Team, welches es sich zur Aufgabe gemacht hat, den bösartigen Großkonzern Vaught und seine strahlenden Helden und Heldinnen zur Strecke zu bringen, musste untertauchen, da ihre Tarnung zuvor aufgeflogen ist. Von William Butcher (Karl Urban) fehlt jede Spur, während auch Starlight (Erin Moriarty) auf glühenden Kohlen sitzt und in den Reihen der Feinde gefährlich lebt. Indes scheint der psychopathische Homelander (Anthony Starr) zu erkennen, dass auch sein Stern eines Tages sinken könnte, denn mit dem neuen Vorsitzendes des Vaught-Konzerns, Stan Edgar (Giancarlo Esposito), sowie einer neuen Heldin namens Stormfront (Aya Cash), scheint sich ein ganz neues Zeitalter für die Superhelden anzukündigen...

Dass man die erste Staffel von "The Boys" würde toppen können, daran verschwendete ich im Grunde kaum einen Gedanken, denn diese war so verdammt nah an einem Meisterwerk dran, dass die nachfolgende Season im Grunde fast schon eine kleine Enttäuschung werden müsste. Tatsächlich liefern die Macher auch mit der Fortführung der ultra-blutigen und wahnsinnig unangenehmen Geschichte rund um Butcher, Starlight, Homelander und Co. noch ganz starke Serienunterhaltung, die dahin geht, wo es wehtut und ihre faszinierende Grundidee weiterhin extravagant und originell weitererzählt. So ganz ohne teils merkliche Schwächen schafft man es diesmal aber nicht durch die acht Folgen. Das dürfte zum einen daran liegen, dass der Überraschungsfaktor diesmal zwangsläufig fehlt - das vollkommen Unerwartete, mit dem die erste Season praktischerweise noch aufwarten konnte, kann die zweite Season in dieser Art und Weise nicht noch mal herstellen. Wir wissen nun, dass Homelander vollkommen wahnsinnig ist, wir kennen die Superhelden und haben auch ein Gefühl für die grausam-originellen Ideen der Macher bekommen.
Man kann ihnen allerdings nicht vorwerfen, dass sie nicht mehr versuchen würden, das Publikum auf mindestens ebenso drastische Art und Weise zu überraschen und zu schockieren. Da die zweite Season diesmal aber noch deutlicher handlungszentriert abläuft (und sich damit im Mittelteil auch mal den ein oder anderen Hänger leistet), fallen die abgedrehten Splatter- und Sexszenarien, für die "The Boys" eben auch berüchtigt ist, diesmal etwas deutlicher aus dem Rahmen. Nicht immer bringen diese Szenen die Handlung wirklich voran, sondern wirken ab und an wie noch dazugequetscht, um die Zuschauer*innen bei all dem benötigten Plotaufbau noch ein wenig grausiges Spektakel zu bieten. Dabei treffen sie immer wieder auch einen Nerv, können aber auch nicht ganz verhindern, dass all das manchmal ein wenig wie ein Selbstzweck anmutet. Löblich ist dabei, dass man aber wirklich allen Figuren bei ihren blutigen Taten noch einen weitestgehend nachvollziehbaren und menschlichen Hintergrund gibt... mit der Ausnahme eines neuen Charakters, der letztendlich so abgrundtief böse und verachtenswert ist, dass da aber eh nichts mehr zu retten gewesen wäre und man dementsprechend sogar gut daran tut, hier keine zweite Ebene zu erschaffen, die das Gezeigte irgendwie simplifiziert.
Vielversprechend funktioniert auch die Fortführung der Geschichte, wobei zahlreiche zurückliegende Ereignisse noch einmal wichtig für die Handlung werden, wodurch sich ein sehr rundes Gesamtbild ergibt. Da man sich allerlei Plotvehikel aufgeladen hat und mittlerweile beinahe jede Figur noch ihr eigenes, persönliches Drama mit sich herumtragen muss, dauert es hin und wieder ein wenig, bis sich wieder etwas tut. Doch dieser genaue Aufbau lohnt sich schließlich durchaus und macht die Charaktere auch nahbarer, als man es zu Beginn noch glauben würde. Dabei weiß der gesamte Cast wie gehabt zu überzeugen, wobei sich Karl Urban, Anthony Starr und Erin Moriarty als klare Leader hervortun, während sympathische Nebenfiguren die ganze Sache passend untermauern und auch einige ziemlich deftige Emotionen beisteuern. Das kulminiert dann schließlich in einem Staffelfinale, welches diese Bezeichnung auch absolut verdient - ein WTF-Moment jagt den nächsten und die Macher verlieren in dieser hochemotionalen, wendungsreichen und absolut abgefahrenen Hatz dennoch nie den Sinn für die kleineren Geschichten ihrer Figuren, für diese leisen Momente zwischendrin. Dementsprechend überwiegt am Ende auch nicht das Gefühl einer ganz kleinen Enttäuschung, sondern jenes, erneut wirklich gut unterhalten worden zu sein... wenn diesmal auch mit Abstrichen.

Fazit: Nein, ganz so meisterhaft wie zuvor geht "The Boys" nicht weiter. Trotz kleinerer Hänger und dem diesmal nicht ganz perfekt austarierten Spiel zwischen wahnwitziger Abgedrehtheit und hochspannender Story bleibt die Show aber ein echtes Event woller genialer Wendungen, blutigen Knalleffekten und brillant geschriebenen und gespielten Figuren.

Note: 2-



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