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Midnight Special

Mittlerweile kann ich mich nicht nur auf Amazon Prime, sondern auch auf Netflix darüber informieren, welche Filme bald aus dem Programm verschwinden. Die verflixt nützliche App "Upflix" informiert Streamer nicht nur darüber, welche Filme neu dazukommen, sondern auch, welche an welchem Datum wieder verschwinden. Das geschieht zwar gerade gegen Monatsende nur einige Tage vorher, sodass einem urplötzlich etliche Filme angezeigt werden, die dann unmöglich alle noch flott nachzuholen sind, aber es ist immerhin besser als nichts. Durch "Upflix" geriet ich auch auf die Spur des Sci-Fi-Thrillers "Midnight Special", der nur wenige Tage nach meiner Sichtung von Netflix aus dem Programm genommen wurde... und ich hatte glücklicherweise noch die Chance, ihn vorher zu sehen.

MIDNIGHT SPECIAL


Der achtjährige Alton (Jaeden Lieberher) wurde entführt - Täter sind sein leiblicher Vater Roy (Michael Shannon) und dessen Freund Lucas (Joel Edgerton). Während Polizei und das FBI nach den zwei Flüchtigen und dessen Sohn fanden, haben diese drei schwerwiegende Probleme. Tatsächlich hat die Entführung nämlich einen Grund: Alton scheint beeindruckende Fähigkeiten zu besitzen, die den Staatsträgern keinesfalls in die Hände fallen sollen, Roy beschützt seinen Sohn daher mit Leibeskräften. Das FBI holt sich derweil mit dem Analytiker Paul Sevier (Adam Driver) Hilfe in den eigenen Reihen, denn der scheint mehr über das Problem zu wissen...

Bis heute hat Jeff Nichols nur fünf Filme in seiner Biografie zu verzeichnen, vor "Midnight Special" hatte ich mit "Loving", in dem ebenfalls Joel Edgerton und Michael Shannon zu sehen waren und der gleich für mehrere Oscars nominiert wurde, jedoch nur einen davon gesehen. Generell hat Nichols aber etliche Fans: Seine Filme verweigern sich dem Konventionellen, er landet niemals finanzielle Hits, polarisiert dafür aber die Massen... beziehungsweise die Zuschauer, die sich seine Filme ansehen. Nichols will nicht, dass seine Filme jedem gefallen, dass jeder etwas mit seiner Vision anfangen kann, er will nur, dass sie über das Gesehene nachdenken. Das ist ihm mit "Midnight Special" definitiv gelungen: Es ist sicherlich kein guter Film, aber dennoch einer, über den man sich auch nach dem Rollen des Abspanns zumindest ansatzweise das Gehirn zermartert. 
Das hat dabei positive als auch negative Effekte, denn die viele Nachdenkerei resümiert daher, dass Nichols unglaublich viele Fragen aufwirft, Fässer aufmacht und Mysterien platziert, um sich anschließend nicht mehr darum zu kümmern, diese zufriedenstellend aufzulösen oder sie gar schlüssig in seine Handlung zu integrieren. Wieso genau leuchten die Augen des Kindes in regelmäßigen Abständen und wieso trägt es eine Taucherbrille? Was hat es mit dem offensichtlich religiös verblendeten Mann auf sich, dessen Ranch gleich zu Beginn gestürmt wird, was anschließend aber nicht mehr thematisiert wird? Wie genau bestehen die familiären Verhältnisse? Und was für Fähigkeiten besitzt dieses Kind denn nun wirklich? Gerade bezüglich letzterer Frage scheint sich das Drehbuch diese Kräfte doch immer recht bequem so hinzulegen, wie es für die Story gerade nützlich ist, um ebenfalls anwesende Charaktere in Erstaunen zu versetzen... was für den Zuschauer dann aber einen gegenteiligen Effekt hat. 
Natürlich verstehe ich dabei auch Nichols' Ansatz: Er möchte keine Antworten liefern, sondern den Zuschauer dazu bringen, selber zu resümieren und sich seine Gedanken zu machen. Viele Antworten kann man dabei auch durch eigenes Ziehen der Schlüsse finden und entdecken, richtig rund oder gar schlüssig macht es den Film dann aber leider auch nicht. Der mixt nämlich auf ebenso muntere wie seltsame Art und Weise die Genres des Dramas, Science-Fiction-Films, Mysterythrillers und der Action, wobei er keinem der Genres so richtig gerecht wird. Gerade die Dramainhalte bleiben überraschend unnahbar, bestehen zumeist aus dem gegenseitigen Umarmen und Versprechungen diverser Familienmitglieder und Freunde... was dann auch beinahe die einzige Existenzberechtigung der darüber hinaus arg unterforderten Kirsten Dunst darstellt - die einzige Frauenfigur, die hier mehr als nur wenige Sätze von sich geben darf. 
Für schauspielerische Klasse sorgen hingegen "Premium Rush"-Fiesling Michael Shannon, der seinen schier brodelnden Vater (?) Roy mit enormer Präsenz darbietet, und "Logan Lucky"-Star Adam Driver als cleverer Analyst, von dem ich gerne mehr gesehen hätte... was in diesem Fall auch für den leider bereits verstorbenen Sam Shephard gilt, dessen Rollenpotential sich hier nur erahnen lässt, wirken seine Szenen doch wie aus einem anderen Film herübergeholt. Technisch gibt es letztendlich durchaus wenig zu beanstanden, die Effekte sind state of the art, die Actionszenen solide gefilmt, auch wenn es der Inszenierung in den entscheidenden Momenten an Wucht fehlt und auch die Kameras nicht immer optimal positioniert sind. Letzten Endes ist "Midnight Special" mitnichten verschwendete Zeit, denn Stoff zum Nachdenken gibt es allemal... man fragt sich nur, ob es Sinn macht, über etwas nachzudenken, welches bereits auf dem Papier reichlich unvollständig daherkommt.

Fazit: Technisch auf der Höhe der Zeit, schauspielerisch recht kraftvoll, solide inszeniert. Nichols eigenwilliger Stil verweigert dem Zuschauer Antworten, er will ihn selbst nachdenken lassen, was aber nur sporadisch funktioniert, da sich die etwas wirre und zähe Handlung niemals wirklich rund anfühlt.

Note: 3-




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