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A Ghost Story

Was passiert mit uns, wenn wir sterben? Dieses Themas, dieser gigantischen Frage, mit der sich jeder Mensch in jeglicher Glaubensrichtung schon beschäftigt hat und sich immer wieder beschäftigt, hat sich das Kino schon häufig angenommen und das übergreifend in den verschiedensten Genres. Sei es im Bereich des Liebesdramas wie in "Ghost - Nachricht von Sam", im Bereich des Grusel-Kinos wie in M. Night Shyamalans Meisterwerk "The Sixth Sense" oder auch auf komödiantischer Ebene... die Thematik ist dem Kino nicht fremd. 2017 wählte Regisseur David Lowery einen gänzlich anderen Satz, um sich diesem Thema anzunähern - einen, mit welchem er sich allen Konventionen verschloss und dabei Kritiker in Begeisterung und Zuschauer in Verwirrung versetzte...

A GHOST STORY


Es passiert plötzlich, ohne Vorwarnung und vollkommen unerbittlich. C (Casey Affleck) kommt eines Tages bei einem Autounfall ums Leben und hinterlässt seine Frau M (Rooney Mara). Diese fällt nach dem Tod ihres Mannes in ein Loch, muss sich jedoch irgendwann wieder aufraffen, ihr Leben weiterleben. Doch C, so hat es den Eindruck, ist nicht fort, manifestiert er sich doch in unsichtbarer Gestalt erneut und verbleibt in ihrem gemeinsamen Haus. Mit der Zeit lernt das, was von C noch nach seinem Tod übrig ist, wie M mit seinem Tod umgeht... und was in einer Reise durch Zeit und Raum anschließend folgt.

Es ist ein enorm komplexer und nicht einfach zu durchschauender Ansatz, den David Lowery für sein Gemisch aus Drama, Horror und Zeitgeschichte hier wählte... und einer, der dem popcornmampfenden Publikum, welches angesichts des Titels vielleicht eine hübsche Gruselgeschichte erwartet oder immerhin ein einfühlsames, tränendrückendes Drama a la "Ghost", ziemlich die Leviten lesen dürfte. Dementsprechend straften viele Kinogänger das Werk ab, eben weil sie nicht bekamen, was sie erwartet hatten. Ich stellte mich von vornherein auf wesentlich speziellere Kinokost ein, vielleicht auch auf etwas, was mich letztendlich nicht überzeugen würde - denn angesichts solch experimenteller Filme reagiert eben jeder Zuschauer sehr anders. 
Schon die erste Einstellung, in der das altbekannte Universal-Logo über den Bildschirm rast, zeigt uns hier, dass es sich nicht um einen Standard-Streifen handelt: Das Bildformat ist im Verhältnis 4:3 gewählt worden, was den sehr speziellen Ton des Films untermalen soll - die Bildbreite ist dabei nur wenig breiter als die Höhe, die Ecken sind abgerundet, was beinahe ein wenig dokumentarisches Flair verbreitet. Dokumentarisch sind dabei auch die Bilder, die Lowery wählt und die dem Mainstream-Publikum sicherlich den Spaß verdorben haben dürften: Minutenlange Einstellungen eines einzigen Bildes, den Darstellern quasi auf die Seele rückend, ohne die Spur von Eile, zumeist ohne einen untermalenden Soundtrack, ruhig, begleitend... Bilder, die sich ins Gedächtnis einbrennen, ohne dass dabei meisterhafte Bild- und Toneffekte hinzuspielen müssen. 
Lowery filmt seine Ereignisse lieber einfach ab und erlaubt es sich dabei auch, Rooney Mara mehrere Minuten lang zu zeigen, wie sie einen Kuchen isst. Das dürfte für manch einen, der nur auf die nächste Explosion in einem Michael-Bay-Streifen wartet, eine ziemlich zähe Angelegenheit sein, doch ist Mara ohnehin eine der Schauspielerinnen, der ich auch stundenlang dabei zuschauen könnte, wie sie einen Pfad entlanggeht. Mara, die hier insgesamt auch wesentlich öfter zu sehen ist als Affleck, der sich zumeist unter einem weißen Laken verstecken muss (so zeichnet Regisseur Lowery seinen Geist, als seltsames Klischee, was gerade deswegen Herz und Nieren anspricht), bietet dann auch eine schlichtweg meisterhafte Leistung. Da sind keine Sturzbäche von Tränen, keine geballte Faust, manchmal nicht eine emotionale Reaktion. In ihrem Gesicht spielt sich dabei so viel mehr ab als Worte aussprechen könnten, dass es einfach nur faszinierend ist, ihr zuzusehen. 
Als faszinierend gilt dann auch die Bildsprache des Regisseurs, der manch eine Szene zur Verbeugung vor großen Klassikern nutzt (der "Geist" bewegt sich manchmal ebenso schaurig wie Michael Myers in "Halloween"), dabei aber niemals seinen eigenen Stil untergräbt. Als großartig empfand ich dabei eine Szene, in der ein herkömmlicher Spuk, wie man ihn schon tausendfach im Horrorkino des "Paranormal Activity"-Zeitalters gesehen hat, aus den Augen des Geistes gezeigt wird. Die Szene entfaltet eine ungemeine Kraft, will uns nicht schocken, sondern uns schier das Herz brechen. Das gelingt, so absurd es auch klingen mag, immer wieder. 
Natürlich, es ist angesichts des ungemein langsamen Erzähltempos, in welchem ein einziger Monolog zur Halbzeit im Grunde zehnmal mehr Worte benutzt als sie sonst über die gesamte Laufzeit des Films fallen, schwer, vollkommen konzentriert zu bleiben - Lowerys Vision erfüllt eben unsere Sehgewohnheiten nicht und gegen Ende, wenn er dann das Gebilde von Zeit und Raum durchbricht, wollte ich ihm auch nicht mehr ganz folgen, wurde es mir doch etwas zu wirr und willkürlich künstlerisch. Dass Lowery dennoch einige markante Eckpfeiler positioniert hat, das ist kaum von der Hand zu weisen.

Fazit: Sinnliche Bilder, ungemein viel Zeit, ausstrahlende Ruhe und Kraft, getragen von Poesie und meisterhaften Darstellern. David Lowery verweigert sich allen Konventionen und bricht uns das Herz, ehe er gegen Ende doch etwas zu hart auf wirre Künstlichkeit setzt und ein wenig den Faden in diesem wortkargen Drama verliert.

Note: 3+




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