Direkt zum Hauptbereich

Chaos im Netz

Es ist doch immer wunderbar, wenn große Filmstudios sich und ihre Werke selbst auf die Schippe nehmen und auf humoristische Art die Meta-Ebene besuchen. Von all den Mausstudio-Franchises bietet sich für einen solchen Ausflug natürlich "Ralph reichts" an, der bereits im ersten Teil einen ganz neuen und enorm erfrischenden Blick auf die Videospielikonen warf. In der unvermeidlichen Fortsetzung geht es dann aber sogar in die Weiten des Internets hinaus und Disney nutzt diesen Handlungsstrang, um einfach mal loszufeuern... so deutete es zumindest der Trailer an. Die Erwartungen waren dementsprechend hoch, doch kann der erfolgreiche Animationsfilm diese auch erfüllen?

CHAOS IM NETZ


Er hatte es nur gut gemeint, doch erneut sorgt er für Chaos: Während dem Versuch, eine neue Rennstrecke für Sugar Rush und seine mittlerweile vom Spiel gelangweilte Vanellope van Schweets zu bauen, erreicht Randale-Ralph aufgrund eines zerstörten Lenkrads die Ausstöpselung des Automaten. Die einzige Hoffnung: Ein neues Lenkrad zu finden. Eines wird zu horrenden Preisen auf Ebay angeboten - da trifft es sich gut, dass Spielhallenbesitzer Litwak seinen Laden kürzlich erst ans WIFI gebunden hat. Ralph und seine kleine Freundin stürzen sich daher in die Weiten des Internets, um Sugar Rush zu retten und erleben dort unglaubliche Online-Abenteuer...

Diesmal verschlägt es Ralph und Vanellope also in die Weiten des Internets und Fans des ersten Teils können sich bereits vorstellen, was sie dort erwartet. Hatte man zuvor noch die Welten der Videospiele ungemein detailreich und sarkastisch aufs Korn genommen, führt man genau diese Herangehensweise nun auf die nächste Ebene: Onlinespiele, soziale Medien, Websites und sogar das Darknet - für all diese verschiedenen "Orte" findet Disney genau den richtigen Drive, diese filmisch umzusetzen. Es ist ein unglaublicher Spaß, zu sehen, wie Instagram, Ebay und Co. hier ihre eigene Bebilderung zu finden, mit unglaublich ironischen und herrlich abstrusen Gags ausgestattet, die unser Onlineverhalten nicht nur ungemein sinnig, sondern auch sehr passend aufs Korn nehmen. 
Einige Seitenhiebe spart man dabei selbstverständlich nicht aus, das größte Staunen liegt jedoch im Bereisen dieser gigantischen Welt. Hinter jeder Ecke gibt es etwas Neues zu entdecken und wahrscheinlich muss man den Film zehnmal sehen, um wirklich jedes Detail zu erhaschen - Disney macht hier sogar seinem einverleibten Pixar Konkurrenz, wenn es um die Detaillierung einer Welt geht, die selbst im Hintergrund noch zahlreiche Gags und Anspielungen parat hat. Als Highlight gibt es dann sogar eine Tour zur Disney-Homepage, wo sich das Mausstudio herrlich selbst beweihräuchert und auch aufs Korn nimmt. Das Aufeinandertreffen zwischen Vanellope und den ikonischen Disney-Prinzessinnen dürfte dabei jetzt schon eine der witzigsten Szenen des noch frischen Kinojahres sein, wobei man auch nicht mit erfrischenden Details (die Musikuntermalung!) geizt. 
Doch "Chaos im Netz" ist noch weitaus mehr als eine optisch herausragende Achterbahnfahrt, die uns im Sekundentakt altbekannte Gesichter um die Ohren haut. In all dieser Action vergisst man niemals den im Fokus stehenden Konflikt der Figuren und baut diesen im letzten Drittel sogar sehr erwachsen aus. Die Kleineren werden dabei, auch aufgrund des diesmal doch recht metalastigen Humors, früher aussteigen und sich lieber an den wunderbaren Animationen sattsehen, nicht jeden Wortwitz verstehen. Für erwachsene Zuschauer, die auch bereits nostalgisch auf die damalige Disney-Ära zurückblicken können, ist das aber ein Ausflug, der Humor und Herz zu beiden Seiten beinhaltet. Ein klein wenig Schwung geht mit der Zeit zwar flöten, trotzdem wird das Tempo beeindruckend hochgehalten, ohne dabei Gefühl und Tiefe einzubüßen. 
Disney gelingt es beinahe spielerisch, das Internet auf herausragende Art und Weise zu bebildern und dabei dennoch eine gar nicht mal so dumme Geschichte zu erzählen, die auch zu bewegen weiß. Das ist dann in so ziemlich allen Belangen noch mal weitaus besser als der schon starke Vorgänger und wird langjährige Fans verzückt zurücklassen. Die im weiteren Jahr noch kommenden Animationsfilme, über "Lego Movie 2", "Drachenzähmen leicht gemacht 3", "Die Eiskönigin 2" und gar "Toy Story 4", müssen sich jedenfalls ins Zeug legen, um hier noch Schritt zu halten.

Fazit: Temporeiche Achterbahnfahrt, wo es an jeder Ecke etwas Neues zu entdecken gibt. Trotz viel Action und geradezu höchst cleverem Humor, den nicht jeder verstehen und mögen wird, verliert "Chaos im Netz" seine emotionale Komponente und seine zentralen Figuren nie aus den Augen und beeindruckt nebenbei mit einer grandiosen Detail- und Gagdichte.

Note: 2




Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se