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Polaroid

Es wird noch immer früh dunkel draußen, die besinnliche Weihnachtszeit ist vorbei und deswegen darf man sich auch immer noch ein wenig gruseln, wenn man ins Kino geht. Zwar ist der Januar auch dank der enormen Konkurrenz der Oscar-Filme (von denen leider nur die wenigsten in meinem Kino laufen, weswegen Kritiken zu "Die Frau des Nobelpreisträgers" oder "Ben is back" noch länger auf sich warten lassen werden) nicht prädestiniert für Horrorfilme, aber wir bekommen dennoch einen relativ breiten Start eines Schockers, der eine ziemlich windige Entstehungsgeschichte hinter sich hat. Dass diese letztendlich wieder interessanter geworden ist als das eigentliche Werk, sagt dabei aber schon entsprechend viel aus...

POLAROID


Die junge Highschool-Schülerin Bird Fitcher (Kathryn Prescott) gerät in den Besitz einer alten Sofortbild-Kamera und ist hellauf begeistert von der seltenen Antiquität. Doch die Freude währt nicht lange, denn nach den ersten geschossenen Fotos geschehen seltsame Dinge um sie und ihren bunten Freundeskreis herum. Der erste Tote ist nicht weit und plötzlich glaubt Bird, dass die Kamera von einem Dämon besessen sein könnte - ein Dämon, der alle Menschen tötet, die mit dieser geknipst wurden. Nach anfänglicher Skepsis lassen sich auch Birds Freunde zu der wilden Theorie hinreißen und unternehmen einen verzweifelten Versuch, mehr über diese finstere Macht herauszufinden, um somit vielleicht ihre eigenen Leben zu retten.

Tatsächlich hätte dieser kleine Horrorfilm schon wesentlich eher in die Kinos kommen sollen, doch dann kam der Me-Too-Skandal dazwischen. Harvey Weinsteins Firma produzierte den Film, doch als diese nach den Vorwürfen gegen den einstigen Filmmogul pleiteging, landeten auch die bisher nicht veröffentlichten Werke erst einmal im Giftschrank... solange, bis sich neue Studios finden mochten, die Geld aufbringen wollten, um diese ins Kino zu bringen. Das dauert bei Horrorfilmen, die günstig zu produzieren sind, meist nicht lange, denn selbst die schlechtesten Werke holen meist noch genug Gewinn ein - da wird auch "Polaroid" dank seines knackigen Trailers und der leicht zufriedenzustellenden Zielgruppe keinerlei Probleme haben. Denn alles, was mit Dämonen zu tun hat, lockt spätestens seit den Megerfolgen des "Conjuring"-Franchises (sogar der ungemein schwache "The Nun" sorgte noch für volle Säle) noch eine Menge Leute an... darunter auch mich, der sich für solcherlei Werke locker begeistern kann, wenn sie denn gut inszeniert sind. 
Dies ist hier aber leider keineswegs der Fall, denn offenbar dachte sich das Personal hinter der Kamera, dass man hier so oder so genug Zuschauer gewinnen wird, weswegen sich weniger Mühe gemacht wurde als für dieses marode Skript nötig gewesen wäre. Tatsächlich arbeitet das Drehbuch nämlich auf schockierend unkreative Art und Weise die einzelnen Checks eines Standard-Schockers ab: Gruseliges (oder auf gruselig gemachtes) Intro, dann eine flotte Charaktereinführung, erste Mysterien, das erste Opfer, Panik, noch mehr Panik, noch mehr Opfer, Recherchen und dann ein ein Finale. 
Und obwohl die Hintergründe dieses dämonischen Viechs nicht ganz vorhersehbar sind (wenn auch keineswegs originell), schafft "Polaroid" es, niemals Spannung aufzubauen und jegliche Überraschung im Keim zu ersticken, da durchgehend der Weg des geringsten Widerstands gegangen wird. Man arbeitet mit Klischee-Charakteren, bei welchen stets klar ist, wer denn nun als nächstes ins Gras beißen wird: Das obercoole Pärchen ist ebenso dabei wie die abgeklärte Tusse, der perfekt gebaute Sunnyboy und die stets zu kecken Sprüchen aufgelegte beste Freundin. Wer bereits beim Lesen dieses Textes aufgrund dieser blassen Figurenbezeichnung gähnt, dem dürfte es dann während der Sichtung von "Polaroid" nicht anders ergehen, denn viel weiter traut sich der Film mit seinen Figuren nicht und lässt auch die Darsteller nach Handbuch agieren. 
Das an und für sich wäre noch nicht ganz so wild, wenn das Werk denn aber wenigstens innerhalb seiner engen Genre-Kreise überzeugen würde, aber auch als Horrorfilm funktioniert es nicht. Es gibt manch einen nett getimten Schockeffekt, der dann wegen seinem Sounddesign fruchtet, doch darüber hinaus ist "Polaroid" zu keiner Sekunde gruselig oder spannend. Seine besten Momente hat der Film noch in der ersten Hälfte der knappen fünfundachtzig Minuten, wenn das Grauen sich langsam seinen Weg bahnt - klischeehaft, hier aber zumindest noch kleinem Griff. Später verwandelt sich diese Schauermär in das Abziehbild eines Schockers, der schon früher nicht gruselig war, bläst eine winzige Geschichte so weit auf, dass sich sogar die kurzen achtzig Minuten teilweise arg lang anfühlen, und setzt dem mit einem einfallslosen Finale, in welchem alle Protagonisten bloß aufgrund der Schauwerte (die dank des niedrigen Budgets und des enorm dunklen Bilds kein Feuer entfachen können) vollkommen bescheuert handeln, die Krone auf. 

Fazit: In der ersten Hälfte hat dieser Horrorfilm zumindest ein paar nette Ansätze, darüber hinaus handelt es sich jedoch um einen rein nach Lehrbuch gedrehten Klischee-Schocker. Nicht gruselig, überraschungs- und spannungsarm, zäh und flach. Keine komplette Bauchlandung, aber dennoch ein absolutes Flickwerk.

Note: 4




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