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Jarhead - Willkommen im Dreck

Jeder Krieg ist anders. Jeder Krieg ist gleich. Man kann nicht anders, als den Worten, die Jake Gyllenhaals Anthony Swofford, nach dessen Romanvorlage dieser Film beruht, eine ziemlich eindeutige Wahrheit in sich hält. Das ist aber längst nicht alles, was uns "Jarhead" in seiner cineastischen Version mit auf den Weg geben kann, denn obwohl er innerhalb des Kriegsfilms nichts Neues erzählt (weder in seinem sarkastischen Unterton noch in der Ausarbeitung der realen Charaktere), bleibt hier nachhaltig noch einiges haften... besonders dank der energiegeladenen Inszenierung, die Sam Mendes dabei an den Tag legt.

JARHEAD


Der zwanzigjährige Anthony Swofford (Jake Gyllenhaal) wird im Jahr 1989 Teil der Marines - in einer Zeit, in der Saddam Hussein im Irak die Machtverhältnisse neu formt. Swofford will in die Schlacht und den gepeinigten Bewohnern helfen... doch schon während seiner Ausbildung muss er einsehen, dass die Zeit in der Armee längst nicht das ist, was er sich zuvor ausgemalt hat. Für Helden ist kein Platz, eher stehen Konflikte mit den Zeltgenossen und langwierige Trainings auf dem Plan. Erst hält Swofford dem stand, doch als er einsieht, dass seine Aufopferung in dieser Einheit vielleicht irgendwo zwecklos ist, beginnt er zu hadern...

Puh, ist das langweilig, mag manch einer hier rufen. Und man kann es ihnen generell nicht verdenken, denn wer an "Jarhead" die Erwartungen eines epischen Kriegsfilms hat, der dürfte schon ganz schön enttäuscht von dem, was sich hier zwei Stunden lang abspielt. Denn Sam Mendes, der sich seine Stoffe ja ohnehin immer ganz genau aussucht, hatte wohl wenig Lust auf den nächsten hochdramatischen Kriegsreißer und hat sich deswegen rasch den Überraschungsbestseller "Jarhead" zur Vorlage genommen... und erschafft damit einen Kriegsfilm, der mit Konventionen bricht und seine Zuschauer eben genau deswegen überrascht, weil er die Erwartungen unterläuft. 
Anders als in großen Kriegsepen wie "Hacksaw Ridge" oder "Der Soldat James Ryan" (die beide natürlich trotzdem unerschütterliche Meisterwerke sind), werden hier keine Kameraden heldenhaft aus der Schusslinie gezogen, keine ballernden Gefechte, keine sterbenden Freunde, kein unendliches Leid... zumindest nicht in dieser Hinsicht. Stattdessen stellt man den Blickwinkel um, geht nicht an die direkte Front und widmet sich den Soldaten, die über lange Zeit eben gar nicht so genau wussten, was sie eigentlich in der Wüste treiben sollen. Das hat dann auf manch eine schmerzhafte und bemerkenswert kritische Art und Weise (auch wenn der Film keine politische Stellung bezieht) einiges an Humor zu bieten: Über die flotten Sprüche zwischen den Soldaten läuft ein gewisser Sarkasmus beinahe durchgehend hinweg - man hat tausende Männer an einem Posten, weiß aber offensichtlich nicht ganz, sie einzusetzen. Über lange Zeit passiert dann eben wenig, was einigen Mainstream-Zuschauern zum Ausdruck der Langeweile verhelfen wird... überraschenderweise ist aber genau dieser Aspekt ungemein spannend. 
Wie die Soldaten, die hier von einigen ungemein charismatischen Darstellern verkörpert werden, mit der Hitze, der Einsamkeit und nicht zuletzt dem psychischen Druck der Gesamtsituation umgehen, das hat schon etwas von einem Charakterdrama. Und deswegen tastet sich Mendes, trotz eines lauten Pegels, auch langsam an seine Figuren heran. Nicht alle sind gleich gut gezeichnet, dafür sind sie aber alle herausragend gespielt. Jake Gyllenhaal bewies gleich nach seinem Auftritt in dem sensiblen Drama "Brokeback Mountain", dass er als Charakterdarsteller mehr als nur taugt... eine Feststellung, an der bis heute nichts gerüttelt hat. Darüber hinaus überzeugt er aber auch physisch, ohne sich protzig zu verhalten - ein durchgeschüttelter und menschlicher Charakter mit Kanten, Macken und glaubwürdigen, inneren Dämonen. 
Etwas mainstreamiger, aber nicht weniger glaubwürdig agiert "Orphan"-Star Peter Sarsgaard, dessen Troy hier eine ziemlich schneidige Wandlung durchläuft. Für viel Humor ist indes Jamie Foxx zuständig, dessen Staff Sergeant seine Soldaten unter Kontrolle bringt und sich nicht zu schade ist, einige von ihnen bloßzustellen, um die Moral der Truppe am Leben zu erhalten. Trotzdem wird auch die Figur des "Sleepless"-Stars nicht zu einem reinen Kauz gemacht - er bleibt lebendig und menschlich.

Fazit: Nicht gänzlich ohne Hänger, dennoch eine beeindruckende Version. Von Sam Mendes mutig und langsam inszeniert, herausragend gespielt... und absolut relevant. Sarkastische, teils gar melancholische Version eines ziellosen Krieges und dabei eine neue Ecke im Genre, die es so auch öfter geben dürfte.

Note: 2-




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