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Schneller als der Tod

Das Westerngenre war, ebenso wie der Sandalenfilm, für eine lange Zeit förmlich tot. Während Ridley Scott letzterem im Jahr 2000 mit "Gladiator" eine spektakuläre Wiederbelebung verpasste, die bis heute standhält, hat der Western es nie mehr so ganz geschafft. Zwischendrin gibt es sie immer wieder, Highlights wie "True Grit" oder Quentin Tarantinos "Django Unchained"... aber ein sicheres Event ist es nicht mehr. Da half es auch nicht, dass man bereits in den 80ern und 90ern meist eher mit bescheidenem Erfolg versuchte, die Revolverhelden wieder kinotauglich zu machen. Die Kassen klingelten dabei nur selten, aber es sind dennoch ein paar nette Filme dabei herausgekommen... so auch Sam Raimis "Schneller als der Tod".

SCHNELLER ALS DER TOD


Die Revolverheldin Ellen (Sharon Stone) kommt in der kleinen Stadt Redemption an, die von dem finsteren Bürgermeister John Herod (Gene Hackman) beherrscht wird. Dieser fordert die Hälfte des Geldes aller Bürger als Steuern ein... nur dann lässt er sie am Leben. Mit einem Geheimnis trifft nun Ellen, die auch "The Lady" genannt wird, ein - pünktlich zu einem vom Bürgermeister organisierten Schießwettbewerb, bei dem jeder Teilnehmer jeden anderen herausfordern darf. Dem Sieger winkt ein saftiges Preisgeld, welches Ellen jedoch nicht tangiert. Sie sieht in der Teilnahme die Chance, den ebenfalls zum Revolver greifenden Herod auszuknipsen und somit die ärmliche Stadt und ihre Bewohner zu befreien...

Der Western ist nicht unbedingt ein Genre, mit dem man Sam Raimi in Verbindung bringen würde. Der machte sich zuvor nämlich vor allem mit der heutzutage klassischen "Tanz der Teufel"-Reihe einen Namen und war dahingehend eher im Splatterbereich beheimatet... ehe er sich zur Jahrtausendwende auch dem familienfreundlichen Mainstream-Blockbuster zuwandte und eine ganze, sehr beliebte Trilogie rund um den Superhelden Spider-Man erschuf. Aber hüben wie drüben lassen sich Raimis Spuren auch hier erkennen, wenn man nur genauer hinsieht: Die Inszenierung ist sehr laut und Raimi überzeichnet seine zahlreichen Duelle mit pompöser Musik, schnellen Schnitten, rasanten Zooms - ein etwas seltsamer Kontrast, der ebenso überholt wie unsicher wirkt und so gar nicht zur ansonsten sehr klassischen Atmosphäre passen will. 
Das wirkt, wenn die Teilnehmer Richtung Glockenturm starren, während Raimi das Ticken der Uhr überhöht und bis zur absoluten Hautporenregion an die Gesichter seiner namhaften Darsteller heranrast, sogar auch mal unfreiwillig komisch. Und auch in Sachen Brutalität ruht sich Raimi nicht auf Altbekanntem aus - "Schneller ist der Tod" ist nicht blutrünstig, doch immerhin können Kopfschüsse auch schon mal ein ganzes Gesicht wegreißen. Ja, man erkennt schon genau, wo Raimis frühere Sporen lagen und das passt in dieses Genre auch nicht immer herein... es macht den Film aber darüber hinaus nicht weitestgehend schlechter und senkt den ansonsten ziemlich hohen Unterhaltungsfaktor kaum. 
Angesichts eines Schusswettbewerbs, der hier im Zentrum steht, ist die Handlung bis zu einem gewissen Punkt natürlich vorhersehbar und in so ziemlich allen Fällen kann man vorhersehen, wer denn nun noch mit dem Leben aus dem Duell hervorgehen wird... dabei spannt Raimi die ansonsten doch recht weitläufigen Drähte seiner Geschichte nicht clever genug. Denn über die zahlreichen Figuren, von denen keine das Klischee durchbricht, viele aber immerhin noch ihren eigenen Rucksack mit Problemen und Eigenschaften mit sich herumtragen, erfahren wir immerhin so Einiges, um dann mit ihnen zu bangen, wenn sie ihrem nächsten Gegner gegenübertreten. Eingebettet wird das dann auch in die Geschichte von Ellen, doch was genau sie in der Stadt treibt und wieso sie eigentlich hinter dem fiesen Bürgermeister her ist, stellt auch keine Überraschung da. 
Es ist dann also weniger die doch etwas seichte Geschichte, die hier ausschließlich mit altbekannten Klischees des Genres spielt, die einen über 105 Minuten lang fesselt, sondern das wirklich ansprechend zusammengewürfelte Ensemble innerhalb einer stimmigen Kulisse. Raimi scheint das Genre zu kennen und zu respektieren und fährt alles auf, was Fans von einem solchen Film erwarten, über Kneipenschlägereien, Rettungsaktionen, Schießereien, eine vollkommen schwachsinnige Liebesszene, fiese Ganoven, schweigende Helden... und natürlich fliegt auch was in die Luft. 
Dass sich die namhaften Darsteller dabei ganz gut machen, ist ein Grund zur Freude: Raimi hat eine erstaunliche Besetzung an Land gezogen und einzig und allein der hier doch etwas unterforderte Russell Crowe bleibt ein wenig blass. Dass "Superman"-Fiesling Gene Hackman als Antagonist funktioniert, ist keine Überraschung und er agiert hier auch wieder herrlich fies, während ihm eine ungemein präsente und starke Sharon Stone gegenübertritt. "Gangs of New York"-Star Leonardo DiCaprio sehen wir hier vor seinem ultimativen "Titanic"-Durchbruch und auch er macht seine Sache als draufgängerischer "Kid" wirklich gut... auch wenn er wohl vor allem deswegen besetzt wurde, weil die Frauen zu dieser Zeit merklich auf ihn flogen und allein sein Name bereits einige weibliche Zuschauer in den Kinosaal zu locken vermochte.

Fazit: Unterhaltsamer Western-Actioner, dessen Handlung weitestgehend vorhersehbar abläuft. Dafür bedient Sam Raimi auf charmante Weise die Klischees des Genres, verbeugt sich gekonnt vor den Klassikern... und hat auch eine durchaus gut aufgelegte Starbesetzung versammelt, die freudig die Revolver schwingt.

Note: 3+




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