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Der Spitzenkandidat

Die Oscars laufen dieses Jahr mit einiger Verspätung an und flimmern erst Ende Februar über die Bildschirme der Nachteulen und lange aufbleibenden Filmfans. An den Kinomonaten Januar und Februar ändert das wenig, denn zumindest in Deutschland liegen diese zu einem Großteil in der Hand der Oscarfilme, die in den USA gegen Ende des Jahres 2018 liefen und nun zu uns herüberschwappen. Wer das Rennen machen wird, das ist natürlich noch nicht klar, trotzdem warte ich bereits gespannt auf die nächste Woche bekanntgegebenen Nominierungen. Auch "Der Spitzenkandidat" darf sich da die ein oder andere Hoffnung machen, hat die Presse das Politikerdrama doch gerade angesichts seines Hauptdarstellers bereits mehrfach gelobt. Ob der Film und besonders Hugh Jackman darin wirklich so gut sind, das wollte ich nun auf eigene Faust im Kino herausfinden...

DER SPITZENKANDIDAT


Im Jahr 1988 gilt Senator Gary Hart (Hugh Jackman) als Spitzenkandidat der Demokraten für die kommende Präsidentschaftswahl. Sein Privatleben und somit auch die Ehe zu seiner Frau Lee (Vera Farmiga) hält er aus seinem Berufsleben heraus und obwohl er damit weniger nahbar agiert, fressen ihm die Wähler förmlich aus der Hand: Sein Beraterstab sieht ihn gar schon sicher im weißen Haus. Die Lage eskaliert allerdings, als Reporter der Washington Post Hart in Begleitung der jungen Frau Donna (Sara Paxton) sehen. Schon bald gerät der Senator in Verruf, ein Ehebrecher zu sein und eine Klatschkampagne gegen seine Person droht, ihm die Türen der Präsidentschaft vor der Nase zuzuschlagen...

Zu Beginn hatte ich meine Schwierigkeiten, mit "Der Spitzenkandidat", auf den ich mich zuvor auch dank der starken Kritiken enorm gefreut hatte, warmzuwerden. "Tully"-Regisseur Jason Reitman setzt auf die altbekannten Manirismen des Genres, inszeniert wortgewandt und schnell, mit teils herrlichen Dialogen und atmosphärischen Details. Zu dieser Zeit taugt Gary Hart jedoch kaum als Identifikationsfigur, bleibt der eben getreu seines Kodex recht unnahbar, wenn er Privates und Berufliches ungemein strikt voneinander trennt und auch mal ziemlich grantig wird, wenn man ihn zu sehr hetzt. Reitman inszeniert vorbildlich, kann der Geschichte vorerst aber kein Herz verleihen und eine Begeisterung für die Figuren bleibt, da der finstere Biss einer wirklichen Satire fehlt, erst einmal aus - es steckt wenig mehr dahinter als eine Abbilderung der Ereignisse und ein Blick hinter die geschlossenen Türen einer Wahlkampagne, was wir so in anderen Filmen und Serien eben auch schon mehrfach gesehen haben. 
Etwas wirklich Neues erzählt der Film also nicht, tut dies aber in einer hübschen Optik, was aber nicht zu einem wirklich erinnerungswürdigen Kinostreifen gereicht hätte... und erst recht zu keinem, der mittlerweile schon für den ein oder anderen Oscar in diversen Kategorien gehandelt wird. Mit der Zeit ändert Reitman seinen Blickwinkel aber und damit auch den Ton, den er spielt - plötzlich wird er bissiger, frecher und feuert gegen verschiedene Parteien, ohne dabei dem Zuschauer vorzukauen, wie er sich diese Sache nun denken soll. Angesichts eines nachdenklich stimmenden Bildes, welches eine Person wegen einer einzigen Verfehlung, die noch dazu nichts mit seinem öffentlichen Amt zu tun hat, wagt man bereits zu sagen, dass Reitman hier ein wenig mit manch einem Menschen und besonders der Presse abrechnet. Letztendlich fehlt ein wenig der echte Wagemut und hin und wieder bezieht der Regisseur doch etwas zu strikt Position, aber in der zweiten Hälfte ist dieser öffentliche Schlagabtausch zwischen einem privaten Politiker und den hier wirklich als fiese Aasgeier auftretenden Journalisten, die für eine Schlagzeile wohl ihre Seele verkaufen würden, dann wirklich unterhaltsam. 
Mit ein paar frischen, trockenen Humorszenen angereichert, wobei die untergründige und nuancierte Dramatik niemals untergraben wird, fühlt man sich dann trotz einiger Längen doch noch ziemlich wohl. Das liegt natürlich auch an der starken Besetzung, die Reitman hier zusammentrommeln konnte, wobei es schade ist, dass gerade der oscarprämierte "Whiplash"-Star J.K. Simmons doch arg wenig zu tun bekommt. In erster Linie ist es die Show von Hugh Jackman, der hier bemerkenswert ruhig agiert und in seiner Rolle, selbst wenn er es den Zuschauern nicht immer ganz einfach macht, mit ihm zu gehen, förmlich explodiert... und das auf betreffend nuancierte Weise. Erwähnenswert ist auch Vera Farmiga, deren Plot leicht in die Klischee-Ecke hätte abdriften können, dies aber dank des veränderten Tons in der zweiten Hälfte nicht tut, sowie "Identität"-Star Alfred Molina, den ich ohnehin immer sehr gerne auf der großen Leinwand sehe, auch wenn seine Auftritte mittlerweile merklich kleiner geworden sind.

Fazit: Zu Beginn trifft das bissige Politdrama nicht immer den richtigen Ton, später fährt man aber mit leichtem Humor und einigen herrlichen Schlagabtauschen in die richtige Richtung. Die gut aufgelegte Besetzung und die sichere Inszenierung entschädigen dabei für das etwas lau anlaufende erste Drittel und einige zwischenzeitliche Hänger.

Note: 3+




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