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Glass

Ein wenig rehabilitiert hat er sich ja offensichtlich. Nachdem er um die Jahrtausendwende herum doch einige schmerzhafte qualitative und finanzielle Flops zu verantworten hatte, die an dem einstigen "The Sixth Sense"-Genie zweifeln ließen, ging es ab 2015 plötzlich wieder bergauf: "The Visit" hinterließ einige Fans durchaus wohlgesonnen und mit dem Anfang 2017 angelaufenen "Split", der sich letztendlich sogar als zuvor unerwartete Fortsetzung von "Unbreakable" herausstellte, landete M. Night Shyamalan sogar einen veritablen Hit. Die Pforten für einen Abschluss der Trilogie und somit einer endlichen Zusammenführung zweier Filme standen plötzlich weit offen... und hier ist er nun, simpel "Glass" getauft und die Erwartungen sind, selbst wenn ich kein großer Fan der beiden vorherigen Werke bin, nicht unbedingt niedrig.

GLASS


Die vierundzwanzig Identitäten, schlummernd im Körper von Kevin Wendell Crumb (James McAvoy) sind noch immer auf freiem Fuß und gieren nach neuen Opfern für die "Bestie". Mittlerweile ist jedoch auch der unerkannte Retter und mysteriöse Held David Dunn (Bruce Willis) auf den Übeltäter aufmerksam geworden und versucht ihn, zu stellen. Beide werden dabei von der Psychologin Dr. Ellie Staple (Sarah Paulson) überrascht und in eine Nervenheilanstalt gebracht - dort will sie die beiden und auch den seit neunzehn Jahren in der Heilanstalt verweilenden Attentäter Elijah Price (Samuel L. Jackson) davon überzeugen, dass sie keine Helden, sondern bloß normale, verwirrte Menschen sind. Als sich die drei sich so besonders fühlenden Männer zum ersten Mal gegenüberstehen, beginnt Dr. Staple eine verheißungsvolle Analyse...

Das hätte auch ganz gewaltig in die Hose gehen können, doch dem war sich M. Night Shyamalan sicherlich bewusst. Der vornehmlich auf Mystery-Stoffe versierte Regisseur hat nämlich schon immer seinen eigenen Kopf gehabt und lässt sich lieber auf kleinere Budgets ein als sich von Studios in seine Projekte reinreden zu lassen. Das führte in der Vergangenheit zu manch einem heftigen Rohrkrepierer in seiner Filmografie, doch "Glass" profitiert nun enorm von dieser Haltung, spürt man doch regelrecht, dass Shyamalan auf Gepflogenheiten pfeift und diesen Film so inszeniert, wie er es für richtig hält. Dabei schließt er nun auch seine erste eigene Trilogie ab und bringt zudem die beiden Werke "Unbreakable" und "Split" zusammen, um deren Handlungen zu vereinen und schließlich zu beenden. 
Das klingt ein wenig komplex und der popcornmampfende Mainstream-Kinogänger, der eventuell noch nicht mal mit den beiden Vorgängern vertraut ist, dürfte hier schon verloren sein - die beiden Filme werden als gut gekannt vorausgesetzt und das ist auch gut so. Denn genau deswegen kann Shyamalan sich hier komplett entfalten und dabei Fans der Werke einen ebenso detailreichen wie interessanten Abschluss bieten, der sogar mir, welcher die beiden Filme zuvor weitestgehend als zu geschwätzig empfand (auch wenn mir "Split" bei der zweiten Sichtung, die ohne ständig kichernde Jugendliche im Hintergrund auskommen durfte, wesentlich besser gefallen hat), sehr gut gefallen hat. Shyamalan greift natürlich das Superhelden-Thema ab, ohne sich dabei dem Mainstream zu unterwerfen und inszeniert das Aufeinandertreffen zwischen Gut und Böse als düsteren Thriller. Packende Actionszenen sind nur sehr spärlich über die 129 Minuten verteilt und beschränken sich auf das erste Drittel sowie ein wendungsreiches Finale... im Mittelteil hält sich Shyamalan dann weitestgehend in der Anstalt auf und nimmt seine Protagonisten auseinander, lässt sie sich beschnuppern und ihre Welt neu wahrnehmen. 
Das hat manchmal ein paar klitzekleine Längen zu verantworten, wenn gerade der neue Stand rund um den aus "Unbreakable" zurückkehrenden Mr. Glass (der auch den Filmtitel beisteuert, was hervorragend passt) sehr breit gefächert thematisiert werden muss. Ansonsten erschafft Shyamalan aber eine knackige Atmosphäre, ruhig und deswegen so packend, wobei er sich auch für die Schauplätze der Nebenfiguren interessiert, die aus den beiden Vorgängern zurückkehren - er schafft es, auch den Rückkehrern rund um Anya Taylor-Joy, Shailene Woodard und Spencer Treat Clark spannende Plots mitzuliefern und ihre Auftritte sind dabei weit mehr als fanbezogene Cameos. Der Fokus liegt aber natürlich auf Willis, McAvoy und Jackson und das Aufeinandertreffen dieser drei vielleicht schon ikonischen Charaktere ist dabei etwas Besonderes. 
Das liegt zum einen an "Victor Frankenstein"-Star McAvoy, der nicht mehr allzu arg überzeichnet und dabei eine beeindruckende Darstellungs aufs Parkett legt, die schlichtweg Gänsehaut bereiten kann; als auch an einem zwar oft in den Hintergrund rückenden, aber generell wesentlich bemühteren Bruce Willis, der ins Feld zieht. Samuel Jacksons Mr. Glass braucht derweil eine Weile, um aufzutauen, dafür darf er dann ab der zweiten Hälfte auch die Shyamalan-typischen Twists mitbestimmen, von denen es so einige gibt. Sie sind nicht alle enorme Kracher und sorgen gegen Ende auch für ein paar Hänger, dafür macht es aber ungemein Freude, ein Spielbrett zu enträtseln, welches Shyamalan seit neunzehn Jahren plante... und welches er nun mit Herz, ungemein viel Detailreichtum und Köpfchen auf die Zuschauer regnen lässt. Ja, das macht wirklich Spaß.

Fazit: Düsterer Thriller, der die Trilogie rund um "Unbreakable" und "Split" wendungsreich, atmosphärisch und trotz kleinerer Längen spannend zu einem Abschluss führt. Auch dank einer wesentlich konzentrierteren und detailfreudigen Geschichte darf freudig angemerkt werden, dass Shyamalan hier so gut ist wie seit "The Sixth Sense" nicht mehr. 

Note: 2-




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