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Schatten der Wahrheit

Gewisse Schauspieler sind einfach auf ein gewisses Rollenprofil gemünzt: So wie Christoph Waltz der intellektuelle und psychopathische Bösewicht ist, doppelbödig und intrigant, so wie Johnny Depp der ebenso charismatische wie schrullig-skurille Tausendsassa ist, so war Harrison Ford immer der grummelige Held. Ein Frauenschwarm in "Star Wars", ein knochentrockener Abenteurer in "Indiana Jones" und ein mutiger Einzelgänger in "Auf der Flucht". Gerade solchen Schauspielern, die so auf eine gewisse Rollenart festgebissen sind, juckt es aber meist irgendwann in den Fingern - sie wollen auch mal die andere Seite austesten. So erging es wohl auch Harrison Ford, der im 2000 erschienenen Thriller "Schatten der Wahrheit" aus der altbekannten Komfortzone ausbrach und Michelle Pfeiffer somit das Fürchten lehrte...

SCHATTEN DER WAHRHEIT


Die ehemalige Musikerin Claire Spencer (Michelle Pfeiffer) lebt, nachdem die gemeinsame Tochter Caitlin (Katherine Towne) ausgezogen ist, allein mit ihrem Mann, dem erfolgreichen Wissenschaftler Dr. Norman Spencer (Harrison Ford) in einem großen Haus in Vermont. Claire wirkt ein wenig verloren und beginnt damit, die neu eingezogenen Nachbarn zu beobachten - schnell glaubt sie, dass dort etwas Mysteriöses vonstatten geht. Norman versucht, ihr diese Hirngespinste auszureden, mit der Zeit versinkt Claire jedoch immer tiefer in einem Sumpf aus Geheimnissen und längst vergessenen Schandtaten. Sie weiß nicht mehr, was echt und was Halluzination ist... und kann schon bald nicht mal mehr ihrem eigenen Mann über den Weg trauen.

Ein Fun Fact am Rande: Robert Zemeckis drehte diesen Film in einer längeren Drehpause von seinem Meisterwerk "Cast Away". Während der Regisseur mit Harrison Ford und Michelle Pfeiffer arbeitete, nahm Tom Hanks etliche Kilos ab - anschließend ging es dann an die weiteren Szenen für das Abenteuerdrama und der Rest ist Schauspielergeschichte. Zu solch gewichtigen und grandiosen Momenten brachte es "Schatten der Wahrheit" in der Kinogeschichte letztendlich nicht, was aber augenscheinlich auch nicht Zemeckis' Ziel war. Der Film wirkt eher wie eine kleine, aber feine Fingerübung, weg vom großen Hollywoodkino, hin zu einem oftmals ruhigen, quasi entschleunigten Thriller, der kostengünstiger produziert werden kann und dabei wegen seiner Stars trotzdem fähig ist, mehrere Millionen einzuspielen. Dieser Einfall ging zumindest halbwegs auf und Zemeckis rettete sich mit einem soliden Einspielergebnis (zumindest für dieses Genre), bevor er ein Jahr später wieder in Oscargefilde segelte. 
Und ist der Thriller denn nun auch ein guter Film geworden? Die Antwort kann eigentlich nur "Es geht so" lauten, denn wo es in Sachen Atmosphäre, Schauspielführung und Inszenierung im Grunde rein gar nichts zu beanstanden gibt, verliert der Film gerade da, wo dieses Genre am stärksten sein sollte - in seiner Handlung. Diese ist nicht schlecht geraten, für einen Film, der sich einen Thriller nennt, aber viel zu vorhersehbar. Über zwei Stunden, die sich "Schatten der Wahrheit" in seinem langsamen Tempo auch mal deutlich schleppt, wird hier eine mal spannende, oftmals aber auch reichlich dumme Mystery-Geschichte durchgezogen, deren ach so überraschender Ausgang dem aufmerksamen Zuschauer schon viel früher klar ist als den Protagonisten. Und dies ist dem gesamten Werk dann eben schon früh ein Klotz am Bein: Die Story will spannend und überraschend sein, ist das aber nicht oder zumindest nicht spannend und überraschend genug, was einen Dominoeffekt auslöst. 
Zemeckis sichere Inszenierung hilft darüber gern mal hinweg und besonders im elektrisierenden Finale, wenn die Fronten aufeinanderknallen, hat er noch einmal ein talentiertes Händchen vorzuweisen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt packen auch die beiden Hauptdarsteller mit schlichtweg fantastischen Leistungen: "Blade Runner"-Star Harrison Ford hat offenbar viel Spaß daran gehabt, hier mal in eine anders geartete Rolle zu schlüpfen, muss aber zu weiten Teilen Michelle Pfeiffer das Ruder überlassen. Die trägt den Film dann auch mit einer ebenso bewegenden wie glaubwürdigen und kraftvollen Leistung und entschädigt somit immer wieder für einige Längen. Dass dies einen Film, der unglaublich viel auf den Aufbau seiner Handlung gibt, in genau dieser aber signifikante Schwächen offenbart, nicht rettet, dürfte aber auf der Hand liegen, weswegen "Schatten der Wahrheit" im Kern wohl nur diejenigen wirklich abholen dürfte, die sich tatsächlich irgendwie noch von der unoriginellen Rahmenstory überraschen lassen können.

Fazit: Michelle Pfeiffer und Harrison Ford brillieren in einem düsteren Psycho-Thriller, der leider viel zu viel Zeit für einen Plot opfert, der viel weniger überraschend und spannend ist als er gerne sein würde. Das führt dann nicht nur zu einem entschleunigten Tempo, sondern auch zu manch einer hirnrissigen Wendung.

Note: 3-






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