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Werk ohne Autor

Anfang 2019 war Deutschland wieder ganz nah dran am Oscarsieg: "Werk ohne Autor" wurde als deutscher Beitrag für den Oscar als bester fremdsprachiger Film nominiert und konnte sich somit Hoffnungen auf die begehrte Goldstatue machen. Bekannter- und auch erwarteterweise ging der Preis zwar letztlich an Alfonso Cuarons "Roma", doch schmälert dies nicht das Gewicht des Films. Nach seinen letzten Gehversuchen, international Fuß zu fassen, wobei er mit dem wenig beachteten und von Kritikern schmähend aufgenommenen Werk "The Tourist" danebenlag, gelingt ihm nun sein großes Meisterstück: "Werk ohne Autor" ist ein dreistündiges Kunstepos, kraftvoll, brillant fotografiert, mit Seele, Köpfchen und fantastischem Schauspiel.

WERK OHNE AUTOR


Für Kurt Barnert (Tom Schilling) war der Weg zum Künstler förmlich geebnet. In jungen Jahren musste er mitansehen, wie seine ihn aufziehende Tante Elisabeth May (Saskia Rosendahl) zwangseingewiesen wurde. Später studiert er an einer renommierten Universität in Dresden, innerhalb der DDR, Malerei und verliebt sich dort in die Modestudentin Ellie (Paula Beer). Durch die erst heimliche Beziehung gerät Kurt auch in Kontakt mit ihrem Vater, dem hochangesehenen Gynäkologen Professor Carl Seeband (Sebastian Koch) in Kontakt... noch ahnt er nicht, dass dieser ein furchtbares Geheimnis versteckt. Während Kurt sich in seiner Kunst verliert, glaubt er darin jedoch schon bald, die Antwort auf all diese Fragen zu finden.

Im Kino habe ich vor dem großen deutschen Film, über den gerade im Hinblick auf die Oscarverleihung jeder sprach, noch gedrückt. Ich habe ja bislang nicht einmal "Das Leben der Anderen" gesehen, mit welchem Von Donnersmarck vor vierzehn Jahren den Auslandsoscar nach Deutschland holte... und es klang irgendwie auch nicht so anregend, sich drei Stunden lang dem Leben eines jungen Künstlers zu widmen. Nun, da ich ihn endlich nachgeholt habe, bedauere ich es fast, ihn nicht auf der großen Leinwand gesehen zu haben, denn schon allein optisch holt man alles raus, was es rauszuholen gibt. Ohne zu dick aufzutragen gelingen Von Donnersmarck einige der intensivsten, schönsten, erschreckendsten und wahrhaftesten Bilder des vergangenen Kinojahres, mit so viel Erhabenheit, Sinn fürs Detail und grandioser Komposition - der Film sieht durchweg, selbst wenn wir uns in scheinbar kahlen Malereien und Ausstellungshallen bewegen, hervorragend aus, was auch an der meisterhaften Kameraarbeit von Caleb Deschanel liegt. In dieser Kategorie gab es dann hochverdient gleich noch eine Oscarnominierung, allerdings unterlag man hier ebenfalls dem Konkurrenten "Roma". 
Auch das schmälert aber den künstlerischen Erfolg des dreistündigen und dabei nur ganz selten Längen aufbauenden Werkes nicht, welches sich über eine solch lange Zeit mit enormer Kraft, Durchhaltevermögen und Mut hält. Es ist unglaublich viel drin in einem Film, der die Lebensgeschichte des bewunderten Künstlers Gerhard Richter nacherzählen soll (obwohl alle Namen abgeändert wurden und der Film mit dieser Wahrheit auch nicht hausieren ging): Zu Beginn ist er ein erschütterndes Nazi-Drama, in welchem sich Von Donnersmarck auch einige brutale Szenen zumutet - ob er dabei wirklich in das Innere einer Gaskammer hineinfilmen musste, bleibt abzuwägen, dennoch treffen diese Szenen so sehr in die Magengrube wie seit "Schindlers Liste" nicht mehr. Später wandelt sich der Film dann über eine leichtfüßige, charmante Liebesgeschichte hin zu einem leisen, nuancierten und sehr persönlichen Thriller und schließlich zu einem Künstler-Drama. 
Von Donnersmarck hat ungemein viel zu erzählen und lässt sich selbst für diese Masse an Themen noch genug Zeit, um die Kraft aus seinen Bildern und seinen klugen Dialogen wirken zu lassen. Für viele mag das die Reinkarnation der cineastischen Langeweile darstellen, wer sich jedoch auf die Person, auf den Willen und auf die Kunst einlässt, erhält einen mutigen und gewagten Blick in den Kopf eines Künstlers, in das Leben, in die Liebe. Von Donnersmarck enthält sich auch der massentauglichen Konklusio seiner zuvor aufgebauten Konflikte, manchmal nickt er diverse Wendungen auch etwas zu leichtfertig ab, aber auch das wirkt echt, gewollt, absolut wahrhaftig - Adjektive, die innerhalb des Films eine große Bedeutung besitzen. 
Tom Schilling, Sebastian Koch und Paula Deer liefern über drei Stunden hinweg schlichtweg meisterhafte Darstellungen, ohne zu überzeichnen, kraftvoll, aber niemals unglaubwürdig oder chargierend, wie es vielen anderen deutschen Dramen geht. Dabei sprühen leiser Witz, große Tragik, Wissen, Macht und Philosophie aus jedem Pixel. Ein hochintensiver Mix, mit dem viele nichts werden anfangen können und nach gut einer Stunde müde in ihren Kissen versinken werden. Alle anderen sehen dafür aber nicht nur den besten deutschen Film seit langer Zeit, sondern auch einen der besten Filme der letzten Jahre, der zurecht Filmgeschichte geschrieben hat. Man kann nur hoffen, dass der Regisseur nun nicht wieder für acht Jahre abtaucht und früher eine ähnlich gewichtige Muse finden wird.

Fazit: Beinahe epochaler, niemals überzeichneter, fantastisch gefilmter und gespielter Blick in das Seelenleben eines zeitlosen Künstlers. Mit Mut, Klugheit, Schönheit, leisem Witz und ganz viel Poesie entsteht ein großartiger deutscher Film, der niemanden kaltlassen wird und sich dabei nicht einmal müht, groß zu sein. Ein Meisterwerk der deutschen Filmgeschichte.

Note: 1-




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