Süchtig kann man nach schlichtweg allem werden - vielen ist dies nur nicht klar. In der heutigen Gesellschaft hat mittlerweile eine wesentlich gründlichere Aufklärung bezüglich Sexsucht stattgefunden, dennoch scheint diese Krankheit (und nichts anderes ist diese Sucht) noch immer nicht das Verständnis oder zumindest die reflektierte Aufmerksamkeit erfahren, die sie in diesen Sphären eigentlich erhalten müsste. Im Jahr 2011 machte es der grandiose "Shame" mit Michael Fassbender in der Hauptrolle endlich vor und stellte die Krankheit als eine Art Dämonen dar, der einen Tag und Nacht begleitet. Ein Jahr später versuchte man sich dem Thema erneut einzunehmen, diesmal aber merklich heller... es stellt keine Überraschung dar, dass dieser Versuch, wenn auch definitiv kein schlechter Film dabei herausgekommen ist, mit "Thanks For Sharing" im direkten Vergleich weit weniger überzeugt.
THANKS FOR SHARING
Adam (Mark Ruffalo) ist bereits seit vielen Jahren sexsüchtig, hat es durch eine Gruppentherapie aber geschafft, seit fünf Jahren abstinent zu bleiben und sein Leben soweit wieder in den Griff zu kommen. Durch die Hilfe seines Betreuers Mike (Tim Robbins), der selbst vor Jahren seine Alkoholsucht erfolgreich bekämpft hat, kämpft er sich sogar soweit ins Leben zurück, dass er endlich wieder ein richtiges Date in Angriff nimmt und mit der charmanten Sportskanone Phoebe (Gwyneth Paltrow) auch wieder eine Frau in sein Leben lässt. Ein wirklich schwieriger Fall wartet für Mike und Adam jedoch mit dem jungen Arzt Neil (Josh Gad), dessen Sexsucht sein Leben kontrolliert und es sogar aus der Bahn wirft, weswegen er nach Hilfe sucht. Neil stellt sich jedoch als schwer zu knackende Nuss heraus, die Adam noch vor einige Herausforderungen stellt...
Den Titel hat der Film durch die Danksagung innerhalb der Therapiegruppe erhalten: Immer, wenn sie eine neue Geschichte aus ihrem Leben erzählen, von einem Erfolg oder einem Rückschlag berichten, bedanken sie sich am Ende bei ihren Kollegen, Freunden und Zuhörern, dass sie diese Erfahrungen mit ihnen teilen durften. Warum genau dies der Titel für den Film darstellt, bleibt etwas schwammig, denn abgesehen von der Tatsache, dass dieser Satz mehrmals fällt, hat er für die Handlung in dem Sinne eigentlich keine weitere Bedeutung. Aber gut, es muss ja auch nicht immer gleich ein kreativer Titel her, viel wichtiger ist ja, was innerhalb der Verpackung auf den Zuschauer wartet. Und generell macht Regisseur Simon Blumberg, der zuvor bereits als Autor hinter Werken wie "The Girl Next Door" oder dem oscarnominierten "The Kids Are All Right" für Aufsehen sorgte, so einiges richtig.
Er hat eine sehr solide und charmant aufspielende Besetzung versammelt, allen voran Mark Ruffalo und Tim Robbins. Er hat eine Geschichte, die durchaus Zug hat, sich aber auch genug Zeit nimmt, die Charaktere zu formen und ihre verschiedenen Dilemma aufzuzeigen - "Thanks For Sharing" verkommt in diesen Momenten nicht zum unsensiblen Drama, sondern lockert diverse Szenen immer wieder mit Humor auf. Der Film verurteilt seine Protagonisten nicht, verteidigt jedoch auch nicht ihr Handeln. Er nimmt ihre Krankheiten ernst, lässt ihnen dabei aber auch diverse Straftaten, die sie unter dem Einfluss ihrer Sucht begehen, nicht einfach so durchgehen. Es wäre zu viel, den Film doppelbödig zu nennen, aber immerhin ist erkennbar, dass alle Beteiligten nachgedacht und sich mit der Thematik auseinandergesetzt haben.
Aber trotzdem, so tiefschürfend, loyal und streckenweise witzig der Film mit seinem Thema umgeht, es reicht schlichtweg nicht, um diesen in seiner ganzen Breite gerecht zu werden. Denn gerade mit den großen Schmerzen, dem Leid, welches die Protagonisten erfahren müssen, geht der Film viel zu leichtfertig um. In einer prägnanten Schlüsselszene erzählt Mark Ruffalo's Adam aufgeregt, dass eine Krankheit wie Krebs Mitleid bei anderen Menschen hervorrufen würde, seine Krankheit jedoch nur Abscheu. Ein wahrer und kraftvoller Satz, doch viel tiefer wird es im Nachhinein leider nicht mehr. Die Schwierigkeit, mit der U-Bahn zu fahren, weil dort zu jeder Minute ein kurzer Rock zu einem Hindernis werden kann, wird eingeworfen, später aber sehr schnell und beinahe wie müßig unter den Teppich gekehrt. Begonnene Handlungsstränge, wie der von der Popsängerin P!nk gespielten Dede, finden ein reichlich verweichlichtes und unaufgeregtes Ende.
Man merkt, dass man sich hier mit einem sehr schwierigen Thema auseinandersetzen wollte, für das der Film letztendlich zu oberflächlich bleibt - er hat, obwohl er es durchaus versucht, gar nicht die Möglichkeit, dem Thema gerecht zu werden. Der Vergleich mit "Shame" hinkt ebenfalls, da dieser weitaus düsterer und derber war, während man hier in einem Film über Sexsucht den Sex selbst größtenteils ausspart, sich mit den hollywoodtypischen wehenden Bettlaken begnügt. Das ist zwar irgendwie verständlich, aber auch zu mainstreamig, weswegen man "Thanks For Sharing" vorwerfen muss, dass er durch und durch noble Motive hatte, diese aber zu selten wirklich einlösen kann.
Fazit: Für solch ein komplexes Thema macht es sich der Film an vielen Orten zu leicht. Obwohl er über eine sehr charmante Besetzung, zündenden Witz und einige durchaus gewagte Wendungen verfügt, kann er der Thematik in ihrer Größe nie ganz gerecht werden.
Note: 3
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