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Before I Wake

Unter den momentanen Kinderstars, die Hollywood mit ihren Performances erobern, steht einer seit drei Jahren ganz weit oben. Es gibt wohl kaum jemanden, der nicht glaubt, dass dem jungen Jacob Tremblay in Hollywood eine gigantische Karriere bevorstehen könnte. In dem oscarprämierten "Raum" glänzte er neben Brie Larson und ließ unsere Herzen schier dahinschmelzen, bevor er sich anschließend mit Filmen wie "Wunder" oder "The Book of Henry" auch dem Mainstream zuwandte. Das waren dann nicht immer gute Filme, in denen er zu sehen war, seine Performance war jedoch stets über jeden Zweifel erhaben... wer in dem Alter schon so dermaßen gut ist, dem muss man sich einfach beugen. Hervorragend agiert er auch in dem Grusel-Thriller "Before I Wake" und verhilft somit einem Film, der ab der zweiten Hälfte unangenehm abdriftet, zu neuer Wucht.

BEFORE I WAKE


Das Ehepaar Jessie (Kate Bosworth) und Mark (Thomas Jane) betrauert den Tod ihres kleinen Sohnes Sean (Antonio Evan Romero)... bis sie sich schließlich zu einem konsequenten Schritt entschließen und einem Adoptionsprogramm beitreten. Nach ihrer Freischaltung verbindet man sie dort mit dem kleinen Waisenjungen Cody (Jacob Tremblay), der bereits in zwei Adoptivfamilien wohnte und dabei vernachlässigt oder psychisch bedroht wurde. Jessie und Mark nehmen Cody bei sich auf und freuen sich erst sehr über das neue Familienglück... bis es nachts regelmäßig zu seltsamen Ereignissen kommt. Bunte Schmetterlinge fliegen durch die Wohnung, Sean erscheint den verwirrten Eltern und ein finsteres Monster geistert umher. Schon bald ahnen Jessie und Mark, dass dies reale Inkarnationen von Codys Träumen sind.

Zu Beginn klingt der Plot noch wie einer der ältesten Hüte der Horrorgeschichte - ein Kind kommt zu einer Familie und stellt sich als düstere Gefahr heraus. Das funktionierte im klassischen "Das Omen" und sicherlich auch in "Orphan"... aber wird es darüber hinaus nicht mal Zeit für neue Ideen? Trotzdem sollte man "Before I Wake" nicht zu früh abschneiden, denn einige originelle Einfälle sind tatsächlich drin, auch wenn letztendlich nicht alle von ihnen gelungen sind. Was es denn wirklich mit diesem Kind auf sich hat, was seine Gabe ist und wie sich diese im weiteren Verlauf des Films öffnet und darstellt, hat zumindest eine gewisse Originalität und ist auch visuell sehr treffsicher inszeniert. Einige Male zuckt man als Zuschauer schlichtweg zusammen, da die meisten Jumpscares enorm gut eingefädelt sind und man mit dem im Fokus stehenden Monster tatsächlich mal einen etwas anderen Gegenspieler hat, der durchaus zu schauern versteht. 
Um diesen Grusel einzufädeln, lässt sich "Spuk in Hill House"-Autor Mike Flanagan, der hier den Regieposten besetzte, angenehm viel Zeit und schafft es somit, eine angespannte Atmosphäre zu erschaffen, die sich auch mit den Charakteren auseinandersetzt und aus ihnen keine reinen Abziehbilder macht. Dabei entsteht ein gar nicht mal so unspannender Mix aus Familiendrama und Horror, der passend Hand in Hand geht und sowohl zu gruseln als auch zu berühren weiß. Getragen wird der Plot dabei von drei Schauspielern, die absolut auf der Höhe ihres Könnens agieren. "21"-Star Kate Bosworth und der im Horror-Genre bereits mit "Deep Blue Sea" und "Der Nebel" beheimatete Thomas Jane verleihen dem trauernden und zeitweise zu neuer Lebensfreude zurückfindenden Ehepaar Ecken und Kanten, natürlich haben sie gegen ihren jungen Co-Star aber keinerlei Chance. 
Jacob Tremblay ist dabei so gut wie gewohnt und zeigt nun auch im Mainstream zum wiederholten Male, dass er definitiv in einer Klasse mit einem Haley Joel Osment spielt, der damals für "The Sixth Sense" gar eine verdiente Oscarnominierung abstaubte. Man kann Tremblay also nur von ganzem Herzen eine zukünftig schillerndere Karriere wünschen als Osment - dieses Talent hat so ungemein viel Potenzial, dass es keinesfalls verschwendet werden darf. Tremblay ist dabei sowohl in leisen als auch in den wenigen lauten Moment so verflixt glaubwürdig und mit solch kraftvollen Momenten gesegnet, dass es eine wahre Freude ist, ihm zu jeder Sekunde zuzusehen. Leider kann Regisseur Flanagan aber gegen Ende nicht darauf verzichten, doch noch mal eine ganze Tube draufzudrücken und das zuvor so sichere Skript entgleitet mit der Zeit. Es gibt noch einige treffsichere Schocker, pünktlich zum Finale bricht das Kartenhaus mit einer ebenso bescheuerten wie kitschigen Auflösung aber vollends in sich zusammen. 
Es ist nicht nur so, dass die Wendung zum Schluss irgendwie unpassend ist (generell fügt sie sich ganz gut ein, auch wenn sie arg überzeichnet ist), sondern dass Flanagan in den letzten, zähen Minuten mit Schmalz auf ihr herumreitet und dem Werk somit kurz vor Schluss seinen Schrecken nimmt. Da hätte es nur noch gefehlt, wenn die Hauptfiguren am Ende Händchenhaltend im Kreis herumtanzen und lachen. Das passt also irgendwie gar nicht und zeigt, dass den Machern zum Schluss der Mut, den sie zuvor gleich mehrere Male bewiesen haben, abhanden gekommen ist oder dass sie einfach nicht wussten, wie sie ihren originellen Aufhänger denn auch noch sicher am Pier andocken wollen. Das macht aus "Before I Wake" lange keinen schlechten Film, aber letztendlich einen, der ungemein stark beginnt, sehr gut weitermacht und schließlich lasch versackt und uns unbefriedigt in den Abspann entlässt.

Fazit: Jacob Tremblay beherrscht als einer der besten Kinderdarsteller der Jetztzeit einen atmosphärischen und spannenden Gruselfilm, der auch seine Charaktere und seinen originellen Aufhänger mit Zeit und Geduld versieht. Gegen Ende verliert "Before I Wake" jedoch auf kitschige und desaströse Art und Weise den Boden unter den Füßen und wird zu einer Art Fantasy-Schmonzette, welche die vorhergehenden, starken Einfälle schlichtweg zerstört.

Note: 3+






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