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Du neben mir

Wenn man sich noch während der Sichtung eines Films darüber Gedanken macht, wie man später den Einführungstext in seiner Kritik verfassen wird, ist das ja schon mal kein gutes Zeichen. Es beweist nämlich vordergründig, dass man nicht in den Film eintauchen und aus der schnöden Realität abgeholt werden konnte - etwas, was jeder gute Film, ganz gleich welchen Genres, können sollte. Wie man bereits merkt, ist mir ein Abtauchen während der Sichtung des 2017 erschienenen Jugend-Dramas "Du neben mir" nicht gelungen, auch wenn ich es immer wieder versucht habe. Einen Zugang habe ich zu dieser oberflächlichen, viel zu kitschigen und letztendlich sogar seltsam gewichteten Romanze nicht gefunden.

DU NEBEN MIR


Die achtzehnjährige Maddy (Amandla Stenberg) leidet seit ihrer Geburt an einem überaus seltenen Gendefekt. Dieser erlaubt es ihr nicht, das Haus zu verlassen, da sonst die Gefahr eines Zusammenbruchs ihres geschwächten Immunsystems ansteigen würde... und ihre überbesorgte Mutter Pauline (Anika Noni Rose), die gleichzeitig auch ihre Ärztin ist, beachtet diese Regeln mit strengem Auge. Als der Teenager Olly (Nick Robinson) im Haus gegenüber einzieht, verliebt sich Maddy, obwohl beide sich nicht persönlich begegnen können, recht schnell in die gewitzte und einfühlsame Art, die er ihr per SMS entgegenbringt. Schließlich fasst Maddy einen gefährlichen Entschluss...

"Du neben mir" ist eines dieser Teenie-Dramen, welches seine Geschichte beinahe von Anfang an falsch gewichtet. Natürlich ist klar, dass die Liebesgeschichte zweier Teenager, die sich im Grunde nicht persönlich treffen können, da sonst die Gefahr eines Ausbruchs von Maddys Krankenheit im Raum steht, hier viel Raum benötigt - sie ist wichtig für die Zielgruppe und auch wichtig für das emotionale Innenleben der Protagonistin, die durch diesen charmanten Burschen quasi den ersten richtigen Anhaltspunkt zur Außenwelt erhält... und einen triftigen Grund, diese auch endlich zu betreten, auch wenn sie sich dabei selbst in tödliche Gefahr bringen würde. Deswegen darf man "Du neben mir" eigentlich nicht so recht böse sein, wenn er sich über seine anderthalb Stunden natürlich vordergründig um das langsame Einschmachten der beiden Hauptfiguren kümmert und dass es dabei dann auch angemessen kitschig zugeht und beide Sätze sagen, die ein normaler Mensch so geradeheraus und gestelzt niemals von sich geben würde, ohne puterrot anzulaufen, ist auch von vornherein klar. 
Anmerken muss man dabei aber trotzdem, dass Regisseurin Stella Meghie selbst innerhalb des Genres einige Momente hat, die so arg überkitscht wirken: Wenn sich Maddy beispielsweise ein Gespräch mit dem weiter entfernten Olly vorstellt und beide dabei durch den Sternenhimmel schweben, ist das schon ziemlich... naja... schmalzig ist noch gar kein Ausdruck. Da die Zielgruppe aber nach so etwas verlangt, könnte man es einfach mit einem "Ist nichts für mich, hat aber seine Daseinsberechtigung" abhaken. Leider ist das im Falle von "Du neben mir" aber nicht ganz so einfach, denn eigentlich hat der Film neben dieser Lovestory auch noch ein paar andere Haken auf der Checkliste zu machen. 
Die macht er auch, hat dafür aber weniger Zeit, da der Film lieber wertvolle Minuten damit verstreichen lässt, indem sich die Hauptfiguren ewig lang durch Fensterscheiben hinweg anstarren. Sowas gehört da zwar auch rein, dann sollte Mrs. Meghie aber demnächst noch einmal einen Kurs in Sachen Atmosphäre machen. In ihrer viel zu faktischen Inszenierung gelingt es ihr weder, dem Werk einen eigenen, signifikanten Stempel aufzudrücken noch irgendwie den Charakteren nahezukommen. Meghie bleibt den Figuren in Sachen Kamera seltsam fern, spielt lieber klischeehafte Popsongs ein und hat in den wortlosen Szenen einfach nicht den Dreh raus, diese leisen Momente atmosphärisch zu gestalten. Dass wegen solch unterinszenierter Kitsch-Momente, die keinen echten Zugang bieten, dann die wesentlich spannenderen Plots, die hier noch aufgegriffen werden, leiden müssen, ist natürlich doppelt schade. 
So bleiben die wenigen Nebenfiguren konturlos und gerade die Wichtigkeit von Maddys Krankenschwester Carla bleibt hier nur noch zu erahnen. Ganz schwach sieht es dann auch mit einer kruden, hoffnungslos konstruierten Wendung kurz vor Schluss aus. Da diese zuvor keinerlei Aufbau zugestatte bekommen hat, kommt diese Tonänderung im Grunde aus dem Nichts und verursacht beim Zuschauer, der hier wohl eigentlich mit heruntergeklappter Kinnlade dasitzen sollte, nicht mehr als ein halbgares Achselzucken. Ein erneuter Beweis dafür, dass in dieser Geschichte durchaus was hintersteckt, dass die Macher dieses Potenzial zugunsten der atmosphärisch schwachen und darstellerisch höchstens soliden (Nick Robinson und "The Darkest Minds"-Star Amandla Stenberg mühen sich, dennoch sprühen zwischen ihnen nur wenige Funken) Lovestory aber zurückfahren mussten. Das Gleichgewicht stimmt also kaum.

Fazit: Zugunsten einer atmosphärisch bemerkenswert uneinfallsreichen und arg schmalzigen Lovestory wird das wahre Potenzial des Plots verkannt und in einem Eiltempo abgefrühstückt. Statt sich dem wahren Drama zu widmen, schwelgt Regisseurin Stella Meghie lieber in kitschigen Bildern, denen sie darüber hinaus aber weder Dringlichkeit noch Eigeninterpretation verleihen kann.

Note: 4




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