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Gut gegen Nordwind

Okay, ich gebe es gleich von Anfang an offen zu: Eigentlich reizte mich eine Sichtung der deutschen E-Mail-Romanze "Gut gegen Nordwind" so überhaupt nicht. Gut, Romane, die einzig und allein geschriebenen Briefen oder eben Mails folgen, erfreuen sich auch heute noch großer Beliebtheit, doch war es seit jeher schwer, das Tippen und Lesen eben auch adäquat für die große Leinwand umzusetzen.Wie bebildert man also das ständige Hin- und Herschreiben von Nachrichten in einem abendfüllenden Film? Und ist es Regisseurin Vanessa Jopp gelungen, den Kitsch, der im Trailer noch förmlich aus jedem Pixel troff, in zumutbaren Gefilden zu halten? Die Antworten auf beide Fragen fallen ernüchternd aus, auch wenn die Sichtung des Beziehungsdramas nicht ganz so schlimm ausfiel wie ich das vorher befürchtete...

GUT GEGEN NORDWIND


Leo (Alexander Fehling) wurde gerade von seiner Freundin Marlene (Claudia Eisinger) verlassen und befindet sich somit in einem emotionalen Tief. Wie aus dem Nichts stellt sich dabei der E-Mail-Kontakt zur frechen Emma (Nora Tschirner) her, die seine Adresse mit der eines Abonnement-Verteilers verwechselte. Beide verstehen sich gut und schon bald merkt Leo, dass er sich in die Unbekannte verliebt hat... und das, obwohl er kaum etwas über sie weiß, sie noch nicht einmal gesehen hat. Der große Schock folgt aber nach den ersten Nachrichten, als Leo herausfindet, dass seine "Emmi" in festen Händen ist. Er droht, in ein weiteres Loch zu fallen, tut sich jedoch auch schwer damit, den alltäglichen Schreibkontakt einfach einzustellen.

Ja, das klingt schon alles enorm kitschig und der Trailer zeigte dann auch gleich die ganze Bandbreite von dem, was man sich zwei Stunden lang antun darf. Ich störe mich generell nicht an Kitsch, wenn er gut gemacht ist, aber hier reichte mir eigentlich schon der zweiminütige Zusammenschnitt und verquere Worte wie "Du solltest an der visuellen Attraktivität deiner Gleichnisse arbeiten", die dann auch noch passend super-schnulzig und nicht im Geringsten glaubwürdig vorgelesen werden, ließen mich unangenehm schaudern. Solcherlei Wortphrasen findet man im letztendlichen Film, der auf der enorm erfolgreichen Romanvorlage von Daniel Glattauer basiert, dann natürlich auch und das ziemlich häufig. 
Dementsprechend sind die ersten zwanzig Minuten, in denen dieser vollkommen überzeichnete und auf Dauer in seiner Eintönigkeit ungemein zähe E-Mail-Kontakt noch gar nicht besteht, noch mit die besten des Films. Hier wird uns die Hauptfigur Leo näher gebracht und abseits der ständigen Tipperei am Laptop und am Smartphone werden hier tatsächlich mal normale Worte miteinander gewechselt... oder auch gar nicht. Als Marlene ihrem Freund brühwarm ins Gesicht sagt, dass sie sich in einen anderen Mann verliebt hat, bleibt Leo förmlich jedes Wort im Hals stecken, was ungemein glaubwürdig wirkt und dennoch viele Emotionen erzählt, die hier greifbar werden. Sobald man sich weitestgehend darauf verlässt, sülzige, pseudointellektuelle Flirts vorzutragen, die von den beiden Hauptdarstellern perfekt akzentuiert und glatt vorgelesen werden, ist es mit dieser Glaubwürdigkeit aber alsbald dahin und wir müssen furchtbar gestelzte Schreibereien wie "Emmi schreiben ist Emmi küssen. Emmi. Emmi. Emmi." ertragen, was auch für jemanden, der Kitsch normalerweise sehr zugetan ist, hin und wieder in seiner üblen Romantik-Überzeichnung zu viel sein dürfte. 
Mal ganz davon abgesehen, dass es auch darüber hinaus zu einigen Glaubwürdigkeitsproblemen kommt, denn gerade der innige Flirt per E-Mail wirkt in der heutigen Zeit ungemein überholt. Dass sich die beiden Schreiber zu gefühlt jeder Minute fragen, wie der andere denn wohl aussehen mag, aber dennoch niemand mal kurz Google zu Rate zieht, wirkt gewollt und schlichtweg lächerlich... wie man Sprachkorrektur verwendet, das wissen beide allerdings. Nein, die Autoren schreiben sich all das genauso hin, wie sie es irgendwie brauchen und landen dabei ziemlich hart zwischen allen Stühlen, finden auch für diese Internetromanze, so rührend sie hin und wieder erzählt ist, viel zu wenig Schwung, um diese über zwei Stunden tragbar zu machen. 
Aber es gibt auch immer wieder Momente abseits des Laptops und wenn sich der Film traut, mal genauer ins Leben seiner beiden Protagonisten hineinzuschauen, dann wird er durchweg besser. Solange Alexander Fehling und "Keinohrhasen"-Star Nora Tschirner dann auch keine Pseudo-Flirts vortragen müssen, die klingen, als würden sie das Mikrofon verschlucken, agieren sie schauspielerisch sehr überzeugend. Besonders Tschirner hat im weiteren Verlauf einige grandios starke Szenen, in denen sie eben auch mal nichts sagt, sondern bewegend und glaubwürdig auf diverse Schocks reagieren muss. Solche Momente gibt es immer wieder und sie wecken den geneigten Zuschauer dann auch wieder auf, wissen gar zu bewegen und auch mal zu amüsieren. Darüber hinaus bleibt "Gut gegen Nordwind" in seinem Extremkitsch, der nie ironisch gebrochen wird, aber viel zu engstirnig und nimmt das Tempo zugunsten einer nicht wirklich spannend erzählten Beziehungsgeschichte ein, die sich alsbald nur noch im Kreis dreht.

Fazit: Ungemein kitschig und gerade im Fokus der geschriebenen Mail-Flirts streckenweise so überzeichnet, dass einem Hören und Sehen vergeht. Einen wirklichen Zugang zum Plot findet der Film weder in visueller noch in emotionaler Hinsicht, treibt abseits der Schreibereien seine Darsteller und dann auch seine Figuren aber zwischendurch zu wunderbaren Momenten an. Leider sind diese insgesamt in der Unterzahl.

Note: 3-




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