Direkt zum Hauptbereich

Ad Astra - Zu den Sternen

Dass "Ad Astra" kein stinknormales Mainstream-Kino werden würde, war eigentlich von Anfang an klar, darauf deuteten schon die Namen vor und hinter der Kamera hin. Hauptdarsteller Brad Pitt fühlt sich hin und wieder zwar auch mal im Blockbuster-Kino zu Hause, formte in den letzten Jahren aber auch sehr erfolgreich seine Wandlung zum ernstzunehmenden Charakterdarsteller. Und Regisseur James Gray ist nun wahrlich keiner, der sich zum Popcorn-Kino hinreißen lässt - lieber erzählt er eine Abenteuergeschichte wie "Die versunkene Stadt Z" noch angenehm charakterbezogen und sperrig. "Ad Astra" schien sich also zu einem interessanten Mix aus tiefschürfendem, komplexen Plot und gigantischer Optik zu entwickeln, was mich richtig heiß auf den Film machte. Dementsprechend vorfreudig war ich dann auch, als ich endlich im Kinosaal Platz nehmen konnte...

AD ASTRA


Elektromagnetische Stürme bedrohen die Menschheit, weswegen die Raumfahrt eine ebenso gefährliche wie wichtige Mission anstrebt: Major Roy McBride (Brad Pitt) soll sich über den Mond und bis zum Mars aufmachen, um dort eine Botschaft aufzunehmen und die Vermutung, dass sich hinter den Stürmen eine Wissenschaftsstation zur Suche nach bislang unbekanntem, intelligentem Leben verstecken könnte, zu untersuchen. Ein Teil dieser Gruppe, die eigentlich als verschollen oder gar tot gilt, war Roys Vater Clifford McBride (Tommy Lee Jones)... und das erste Lebenszeichen seines Vaters bringt Roy schließlich dazu, die geheime Mission anzunehmen. Der hofft nämlich auf eine Reaktion Cliffords auf die Nachricht, die Roy auf dem Mars aufnehmen und anschließend Richtung Neptun schicken soll.

Das neue Meisterwerk in Form eines "2001" oder "Interstellar" ist der Film von James Gray nicht geworden, auch wenn er hin und wieder im Sog dieser als Meisterwerke anerkannten Streifen schwimmen mag. Trotzdem ist Gray ein starker Film gelungen, der in diesem bislang ja recht mauen Kinomonat herauszustechen vermag, was besonders an zwei Dingen liegt: Der Optik und Brad Pitt. Rein optisch und in visueller Hinsicht ist "Ad Astra" nämlich mehr als nur ein Augenöffner geworden - obwohl es keine langen Actionszenen zu bewundern gibt, solcherlei kurze Scharmützel eher der dramatische Hintergrund bleiben, schwelgt der Film in traumhaften Bildern. Seit "Interstellar" und vielleicht "Gravity" haben wir im Kino nicht mehr solch imposante, wunderschöne und hervorragend visualisierte Weltraumbilder gesehen. Die meisten von ihnen möchte man sich glatt eingerahmt an die Wohnzimmerwand hängen. Der erste Blick auf die kosmischen Ringe des Neptun, eine Verfolgungsjagd auf dem Mond, während im Hintergrund Mutter Erde majestätisch zwischen den Sternen thront, eine Kletterpartie über der Erde mit wahrlich schwindelerregenden Höhen und Tiefen. All diese Szenen sind nicht nur so schon verdammt gut, sie werden durch Grays Gefühl dafür, schlichtweg fantastische Bilder zu erschaffen, noch einmal vielfach besser.
Keine Frage: "Ad Astra" gehört zu den optisch beeindruckendsten Filmen, die man dieses Jahr im Kino sehen kann. Solcherlei Aufnahmen stehen aber immer im Dienste der Geschichte, die hier vielleicht nicht ohne Makel davonkommt, insgesamt aber angenehm tief und komplex erzählt wird. Gray ist auch hier erneut ein Mann der absoluten Ruhe, er erzählt seine Geschichte langsam, aber nicht schläfrig. Er nimmt sich Zeit, um insbesondere seinen Hauptcharakter und dessen Motivationen zu erklären und entstehen zu lassen und lässt dafür auch unnötige Actionmomente in der Tasche stecken. Hin und wieder hätte man dem Werk aber doch etwas mehr Schwung gewünscht, denn gerade im Mittelteil, wenn sich der Plot etwas mühselig über manch eine Zwischenetappe weiterentwickelt, kommt es doch zu einigen Längen.
Auch wäre nicht jeder Subplot wirklich nötig gewesen und so bremsen einige Geschichten den Trip, in welchem eigentlich durchgehend Brad Pitt's Roy McBride im Mittelpunkt steht, etwas aus. Es ist zwar eine wahre Freude, solch unglaubliche Könner wie Donald Sutherland oder "Loving"-Star Ruth Negga in kleinen Rollen auftrumpfen zu sehen und generell bieten ihre Plots auch immer wieder neuen Input für die Reise McBrides, die im Fokus steht. Allerdings werden ihre Handlungen auch alsbald wieder fallen gelassen und versacken dramaturgisch recht simpel, fügen dem Hauptplot in dieser Form wenig bei. Für sich genommen sind diese Szenen gut, im Film wirken sie aber nicht immer ganz rund - das mag vielleicht der Grund sein, warum sich in meiner Vorstellung einige Zuschauer beim Beginn des Abspanns beklagten, dass dieser Film doch zum Einschlafen sei.
Aber gut, wer sich an der oftmals unaufgeregten Handlung nicht versuchen will (obwohl diese auch einige enorme und teilweise recht harte Spannungsspitzen bereithält und in einem hochdramatischen und gleichzeitig sehr persönlichen Finale gipfelt), der kann immerhin die grandiosen Bilder genießen und sich an der herausragenden Darstellung von "The Tree of Life"-Star Brad Pitt. Der agiert hier ungemein nuanciert und dennoch gelingt es ihm, in kleinen Gesten den ganzen dramaturgischen Unterbau seiner im Kern eigentlich simpel gestrickten, letztlich aber ungemein brodelnden Figur in wenigen Momenten greifbar zu machen. Pitt weiß um seine Stellung und wie er den Film mit einer solch entblätternden, aber niemals aufdringlichen Performance trägt, das ist schon meisterhaft. Man kann nur hoffen, dass es diesmal zumindest für eine Oscar-Nominierung langt, verdient hätte er es hierfür nämlich definitiv... vielleicht sogar noch etwas mehr als für Tarantinos "Once Upon a Time in Hollywood".

Fazit: "Ad Astra" ist ebenso minimalistisches wie opulentes Kino. Minimalistisch in seiner zumeist unaufgeregten, angenehm tiefen und komplexen Handlung, opulent in seinen grandiosen Bildern und seinen knackigen Actionszenen. Ein Rausch von einem Film, der zwar mit einigen Längen und dramaturgisch unausgereiften Subplots zu kämpfen hat, dafür aber Brad Pitt zur Schau stellt, der hier zum wiederholten Mal eine meisterhafte Performance aufs Parkett legt.

Note: 2-






Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se